Rom. Per SMS wurden in Italien 169.000 Haushalte darüber informiert, dass es kein Bürgergeld mehr gibt. Die Folge: Proteste und Tumulte.

Der Albtraum für tausende Familien von Bozen bis Messina kam per SMS. Mit einer Textnachricht aufs Handy wurden 169.000 Haushalte in Italien darüber informiert, dass sie von 1. August an kein Bürgergeld mehr erhalten. Grund sind die strengeren Voraussetzungen für den Bezug der sogenannten Mindestsicherung, die von der Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni beschlossen wurden.

Bürgergeld werden künftig nur noch Haushalte erhalten, in denen es behinderte oder minderjährige Mitglieder oder Senioren über 65 Jahre gibt. Zwischen August und September dürfte die Leistung für 80.000 weitere Familien ausgesetzt werden, hieß es aus Regierungskreisen.

Italien: Opposition spricht von „sozialer Zeitbombe“

Die Textnachricht der Sozialbehörde INPS führte besonders in Neapel, der Stadt mit den meisten Empfängerinnen und Empfängern des Bürgergelds, zu Protesten. Hunderte Menschen bestürmten die örtlichen Büros der Fürsorgeanstalt, um gegen die Kürzungen zu protestieren. Vor einem INPS-Büro in der zentralen Via De Gasperi in Neapel kam es Tumulten. Die Polizei musste eingreifen. Oppositionspolitiker nannten die Streichung des Bürgergelds eine „soziale Zeitbombe“, die vor allem in Süditalien zu explodieren drohe.

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Zuletzt bestand das von der Regierung von Premier Giuseppe Conte 2019 eingeführte Bürgergeld („Reddito di Cittadinanza“) für einen Alleinstehenden aus einem Zuschuss von bis zu 780 Euro im Monat, eine vierköpfige Familie bekam 1.330 Euro. Das Bürgergeld galt als Segen für 5,6 Millionen Menschen oder 9,4 Prozent der Bevölkerung, die in Armut leben. Mit dieser Form der Unterstützung hatte die damalige Mitte-links-Regierung mit Conte an der Spitze das „Ende der Armut“ in Italien versprochen. Doch aus der Wirtschaft kam Kritik. Derartige Hilfen führten dazu, dass viele Arbeitslose die Arbeitssuche aufgeben würden, hieß es. Die Folge sei, dass vor allem in der Gastronomie und im Tourismus sowie in der Landwirtschaft akuter Personalmangel herrsche.

Italien: Unterstützung wird stark eingegrenzt

Schon im Wahlkampf für die Parlamentswahlen 2022 hatte die Rechtspopulistin Meloni angekündigt, dass sie das Bürgergeld wieder abschaffen werde. Ersetzen will sie es nun mit einer sogenannten „Eingliederungshilfe“, die ab dem 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Diese sollen künftig nur Haushalte beziehen, die einen Minderjährigen, eine mehr als 60 Jahre alte Person oder einen Behinderten betreuen. Dafür gibt es 480 Euro im Monat, was je nach Zahl der Haushaltsmitglieder und Grad der Behinderung auf 1100 Euro steigen kann. Wer zur Miete wohnt, erhält weitere 280 Euro im Monat. Die Laufzeit der Unterstützung soll maximal 30 Monate betragen.

Streicht das Bürgergeld für viele Familien: Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin.
Streicht das Bürgergeld für viele Familien: Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin. © dpa | Andrew Medichini

Alle 18- bis 59-Jährigen, die arbeiten können, sollen künftig lediglich 350 Euro im Monat erhalten, und auch das nur unter der Voraussetzung, dass sie an einer Ausbildung oder an einem Projekt mit sozialem Nutzen teilnehmen. Zeitlich begrenzt ist dieser Zuschuss auch – auf zwölf Monate. So will Meloni alle arbeitsfähigen Personen dazu zwingen, sich eine Arbeit zu suchen. Auf der Arbeitgeberseite will die Regierung gleichzeitig für Erleichterungen sorgen. So können Unternehmen, die einen Sozialhilfeempfänger einstellen, mit geringeren Sozialversicherungsbeiträgen rechnen.

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