Erfurt. Die Thüringer Landesregierung will noch im November gegen die von der Opposition beschlossene Senkung der Grunderwerbsteuer klagen.

Die Landesregierung will noch im November Verfassungsklage gegen die von der Opposition beschlossene Senkung der Grunderwerbsteuer in Thüringen einreichen. Das kündigte Finanzministerin Heike Taubert (SPD) am Mittwoch in Erfurt an. Die umstrittene Entscheidung, die die CDU nur mit Stimmen der FDP und der AfD durchsetzen konnte, sorge allein im kommenden Jahr für Einnahmeausfälle von 45 Millionen Euro für die Landeskasse, sagte Taubert bei der Vorlage der Ergebnisse der Herbst-Steuerschätzung. Laut Einnahmeprognose werde der finanzielle Spielraum des Landes kaum besser.

Eilantrag beim Verfassungsgericht offen

Bei der Klage werde sich das Land von Joachim Wieland, einem anerkannten Finanz- und Steuerrechtler der Universität Speyer, vertreten lassen, so die Ministerin. Offen sei derzeit noch, ob die Klage gegen die Steuersenkung von 6,5 auf 5,0 Prozent, die im Januar 2024 in Kraft treten soll, mit einem Eilantrag verbunden werde. „Wir müssen bewerten, ob ein Eilantrag Sinn macht oder nicht.“

Dem Land gehe es vor allem darum, vom höchsten Thüringer Gericht grundsätzlich klären zu lassen, ob der Landtag Gesetze beschließen kann, deren Finanzierung nicht geklärt sei, sagte Taubert. Die Regierung vertritt mit Verweis auf einen Passus in der Landesverfassung die Ansicht, dass der Landtag Gesetze, die zu Mindereinnahmen führen, nur dann beschließen kann, „wenn Deckung gewährleistet ist“.

Noch keine Auswirkung auf Immobilienmarkt

Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt, warf der rot-rot-grünen Landesregierung vor, gegen die finanzielle Entlastung der Bürger zu klagen. „Diese Entlastung ist finanzpolitisch leistbar“, erklärte Voigt, ohne Details zu nennen. Nach Einschätzung der Notarkammer hat die Senkung der Grunderwerbsteuer bisher keine Auswirkungen auf den Immobilienmarkt im Freistaat. Höchstens in Einzelfällen komme es vor, dass potenzielle Erwerber von Häusern und Grundstücken ihre Kaufentscheidung zurückstellten, sagte der Geschäftsführer der Notarkammer Thüringen, Eric Rauschenbach, der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt da keinen Trend.“

Die mit maßgeblicher Hilfe der in Thüringen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuften AfD beschlossene Steuersenkung sorgte vor einigen Wochen für bundesweite Aufmerksamkeit und teilweise Kritik am Agieren von CDU und FDP. Die CDU hatte argumentiert, dass aus ihrer Sicht richtige Entscheidungen nicht davon abhängig gemacht werden dürften, ob die AfD sie unterstütze.

Tauziehen um Haushalt 2024

Taubert sagte, sie sehe nach den Ergebnissen der Herbst-Steuerschätzung keine Chance für zusätzliche Ausgaben in diesem und dem kommenden Jahr - beispielsweise für Kommunen. Sie rechne deshalb weiterhin mit schwierigen Verhandlungen zum Landeshaushalt 2024, „weil nichts zusätzlich zu verteilen ist“. Der Etatentwurf der Regierung mit einem Rekordvolumen von knapp 13,8 Milliarden wird seit Mitte September im Landtag beraten.

Nach der regionalisierten Steuerschätzung kann Thüringen in diesem Jahr mit 121 Millionen Euro mehr rechnen, als im beschlossenen Haushalt vorgesehen. Das Gros der Gelder komme vom Bund und sei gebunden, sagte Taubert. 71 Millionen Euro seien für die gestiegenen Ausgaben für Flüchtlinge bestimmt, 12 Millionen Euro für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Die reinen Mehreinnahmen beliefen sich damit auf etwa 38 Millionen Euro. „Das sind Schwankungen, die bei einem 13 Milliarden Euro Haushalt nicht ins Gewicht fallen.“

Für 2024 bezifferte sie das Minus bei den Steuereinnahmen im Vergleich zur Steuerschätzung im Frühjahr auf die 45 Millionen Euro, die die geringere Grunderwerbsteuer das Land koste. Zudem müsste Vorsorge für das vom Bund geplante Wachstumschancengesetz getroffen werden. Es würde nach derzeitigem Stand wegen geplanter Entlastungen der Wirtschaft Thüringen rund 30 Millionen Euro an Mindereinnahmen bringen.

Sonderfall Thüringen

Thüringen ist ein parlamentarischer Sonderfall: Die Opposition kann mit ihrer Mehrheit Gesetze beschließen, weil die rot-rot-grüne Regierung keine eigene Mehrheit im Parlament hat. Ihr fehlen vier Stimmen. Sie ist damit beim Haushalt 2024 auf Stimmen der Opposition angewiesen.

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