Erfurt. Die Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt sei ein „verheerendes Signal“ – so Politikerinnen des Stadtrates. Sie fordern eine zusätzliche Opferanwältin.

Mit deutlicher Kritik an Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) reagieren die Stadtratsfraktionen von CDU, Linke, Grüne und Mehrwertstadt auf die Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann.

„Der Oberbürgermeister hat bisher ein solidarisches Verhalten im Sinne der Betroffenen vermissen lassen. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum nach der Suspendierung der Gleichstellungsbeauftragten noch eine Kündigung erfolgt“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Lilli Fischer (CDU), Katja Maurer (Linke), Laura Wahl (Grüne) sowie Jana Rötsch (Mehrwertstadt) fügen an: „Wir erwarten zeitnah ein klares Statement und eine Erklärung des OB hierzu.“

Solidarisches Verhalten mit Betroffenen fehlt

Diese Redaktion hatte am Freitag von der fristlosen Kündigung Witzmanns aus ihrem Arbeitsverhältnis mit der Stadt berichtet. Hintergrund der Entwicklung sind Vorwürfe des Machtmissbrauchs sowie mutmaßliche sexuelle Übergriffe am Theater, und Aussagen Witzmanns dazu gegenüber Medien.

„Wir solidarisieren uns mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt und von Machtmissbrauch. Die sensible Aufklärung derartiger Vorwürfe muss für alle Beteiligten erste Priorität haben“, schreiben nun die Vertreterinnen der genannten Fraktionen. Das gelte besonders für die Verwaltung und den Eigenbetrieb Theater.

So wird begrüßt, dass nun auch durch die Stadt externe Ermittlungen durch eine Berliner Kanzlei angeschoben wurden. „Darüber hinaus braucht es zwingend in Ergänzung zur Anwaltskanzlei eine Opferanwältin, welche Erfahrung im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt und der Aufklärung solcher Vorfälle mitbringt. Die Zeuginnen und Zeugen müssen in einem geschützten Rahmen befragt werden. Psychologische Hilfe ist für alle Beteiligten zu gewähren.“

Vertraulichkeit von Daten ein Knackpunkt im Streit um Art der Aufklärung

Die Weitergabe von Ermittlungsdaten ist ein Kernpunkt der Differenzen, die zwischen Mary-Ellen Witzmann und der Rathausspitze um OB Bausewein und Kulturdezernent Tobias J. Knoblich bestehen. Entgegen einer vorherigen Ankündigung hatte Witzmann ihre Erkenntnisse zu konkreten Übergriffen am Theater nicht an die Stadtspitze weitergegeben. Dies aber mit der gegenüber Zeuginnen zugesicherten Vertraulichkeit begründet.

Besorgt zeigen sich die Politikerinnen angesichts der erfolgten Kündigung der Gleichstellungsbeauftragten. „Wir werten dies als eine Erschwerung der Aufklärung durch den Oberbürgermeister.“ Die bisherige Gleichstellungsbeauftragte sei damit von ihrer Funktion entbunden und könne nicht mehr zur Aufklärung beitragen – obwohl sie möglicherweise die einzige sei, zu denen Betroffene ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben, heißt es in der Erklärung. „Dieses Signal des OB an Betroffene von sexualisierter Gewalt und an künftige Gleichstellungsbeauftragte ist verheerend!“