Moskau. Der Kremlchef will den Russen beweisen, dass er alles unter Kontrolle hat. Auch den Ukraine-Krieg. Und er macht den USA ein Angebot.

„Russen und Ukrainer sind ein Volk“, sagte Wladimir Putin gleich zu Beginn seiner Jahrespressekonferenz. Ein altbekannte Position Russlands. Natürlich stand der Krieg in der Ukraine im Vordergrund. Schließlich würden 21 Prozent aller Russinnen und Russen ihrem Präsidenten gern die Frage stellen: Wann wird der Krieg enden? Das hat zumindest eine aktuelle Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada ergeben.

Die Kriegsziele in der Ukraine hätten sich nicht geändert, bekräftigte Putin. Russland werde weiter die „Entnazifizierung und Entmilitarisierung“ des Nachbarlandes anstreben. „Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreichen“, erklärtte Putin. Die westliche Hilfe für die Ukraine hingegen würde bald enden.

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Nach einer kriegsbedingten Pause im Vorjahr begrüßte Putin bei der Pressekonferenz wieder handverlesene Journalisten. Verknüpft war sie mit der TV-Show „Der direkte Draht“, in der Bürgerinnen und Bürger ihre Probleme schildern können. Schon vorab berichteten Staatsmedien, dass mehr als anderthalb Millionen Fragen eingereicht worden seien. Für Putin ist das Medienspektakel wichtig. Er will am 17. März zum fünften Mal zum Präsidenten gewählt werden. Dafür hat er eigens die Verfassung ändern lassen.

Russland: Kriegsmüdigkeit im Land wird zum Problem

Zu kämpfen hat der Kremlchef mit der zunehmenden Kriegsmüdigkeit im Land. Die Zahlen, die das Lewada-Institut dazu im September erhoben hat, zeigen einen eindeutigen Trend. Im September 2022, dem Jahr des Kriegsbeginns, unterstützten noch 29 Prozent der russischen Bevölkerung die „Spezialoperation“ in der Ukraine. Ein Jahr später waren es schon vier Prozent weniger. 23 Prozent der Russen fordern Verhandlungen, bei den 18- bis 24-Jährigen sind es sogar 66 Prozent.

Und 34 Prozent der Menschen sind besorgt: Viele haben Angst vor einer erneuten Mobilisierung. Zu Kriegsbeginn waren es elf Prozent, jetzt ist es ein Drittel der russischen Bevölkerung. Auf der Pressekonferenz wollte Putin den Russen diese Sorge nehmen. Die russische Armee habe 486.000 neue Freiwillige angeworben. „Insgesamt werden es bis zum Ende dieses Jahres bis zu einer halben Million Menschen sein. Warum brauchen wir eine Mobilisierung? Heute besteht dafür keine Notwendigkeit“, sagte Putin. Die Gesamtzahl der russischen Soldaten im Kriegsgebiet liege bei 617.000.

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Jetzt, im Winter, sind die Kämpfe zum Stellungskrieg geworden. Die ukrainische Offensive ist weitgehend gescheitert, so sieht man es nicht nur in Russland. Witterungsbedingt sind größere Geländegewinne für beiden Seiten nicht mehr möglich. Militärisch scheint Russland fürs kommende Frühjahr durchaus im Vorteil. Letztendlich haben die westlichen Sanktionen die russische Wirtschaft nicht in die Knie gezwungen. Die russische Armee hat ausreichend Munition, auch dank des Deals mit Nordkorea.

Jahrespressekonferenz: Putin lobt russische Wirtschaft

High-Tech-Waffen, wie etwa Raketen, produziert die Rüstungsindustrie in großer Stückzahl. Westliche Mikrochips dafür kommen über Drittstaaten ins Land. Ausdrücklich lobte Putin die russische Wirtschaft. Trotz der Sanktionen habe diese zugelegt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde in diesem Jahr um 3,5 Prozent steigen, sagte er. Die Inflation allerdings, zwischen 7,5 und acht Prozent, läge über dem selbst gesteckten Ziel. Im kommenden Jahr aber würden die Preissteigerungen geringer ausfallen, zeigte sich der Präsident optimistisch. Auch die Reallöhne seien trotz der Inflation um acht Prozent gestiegen.

Wladimir Putin betont bei der „Bürgersprechstunde“, dass sich die russischen Ziele in der Ukraine nicht geändert haben.
Wladimir Putin betont bei der „Bürgersprechstunde“, dass sich die russischen Ziele in der Ukraine nicht geändert haben. © AFP | MIKHAIL KLIMENTYEV

Zurückzuführen ist das zwar auf die Kriegswirtschaft und Rüstungsproduktion, betonen westliche Experten. Insgesamt aber ist die Ausgangslage gut für Putin, auch was Verhandlungen betrifft. Es komme darauf an, unsere Ziele zu erreichen, zitierte die Zeitung Kommersant vor einigen Tagen Kremlsprecher Dmitri Peskow „Und natürlich würden wir dies am liebsten vor allem mit politischen und diplomatischen Mitteln tun. Deshalb bleiben wir zu Verhandlungen bereit.“ Auch auf dem Territorium eines westlichen Landes sei Russland bereit zu verhandeln, so die Zeitung Iswestija unter Berufung auf eine hochrangige Quelle.

Putin zu USA: „Wir sind bereit, Beziehungen aufzubauen“

Zugleich aber drohte Putin auf der Pressekonferenz: „Entweder bekommen wir ein Abkommen, einigen uns auf bestimmte Parameter, oder wir lösen das mit Gewalt.“ Auf die annektierten Gebiete in der Ukraine wird Russland wohl kaum verzichten. Bei anderen Themen könnte man sich verhandlungsbereit zeigen. Zum Beispiel bei den Abrüstungsverträgen mit den USA. Russland sei bereit, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wiederherzustellen, so Putin. „Wir sind bereit, Beziehungen aufzubauen. Wir glauben, dass die USA ein wichtiges, notwendiges Land auf der Welt sind.“

Russland setze auch die Kontakte mit den Vereinigten Staaten über den möglichen Austausch verurteilter und festgenommener Personen fort, ergänzte Putin. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer für den seit nunmehr 37 Wochen in Russland inhaftierten „Wall Street Journal“-Journalisten Evan Gershkovich. „Wir wollen eine Einigung erzielen“, sagte Putin. „Diese Vereinbarungen müssen für beide Seiten akzeptabel sein.“ Zunächst muss der US-Amerikaner aber wohl weiter in Haft bleiben. Dies entschied am Donnerstag ein Gericht in Moskau.