Berlin. Lang stemmte sich die ukrainische Armee gegen die russischen Invasoren. Jetzt musste sie Awdijiwka aufgeben. Der Rückzug ist befohlen.

Die ukrainische Armee zieht sich im Krieg gegen die russischen Invasoren aus der seit Monaten umkämpften ukrainischen Stadt Awdijiwka zurück. „Angesichts der operativen Lage um Awdijiwka habe ich beschlossen, unsere Einheiten aus der Stadt abzuziehen und auf günstigeren Linien in die Verteidigung zu gehen, um eine Einkreisung zu vermeiden und das Leben und die Gesundheit der Soldaten zu schützen“, schrieb der neue ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj am frühen Samstagmorgen auf den Plattformen X (vormals Twitter) und Facebook.

Russische Truppen versuchen seit Oktober 2023 unter hohen Verlusten, Awdijiwka zu erobern. Die ehemalige Industriestadt war seit 2014 Vorposten der Ukraine in unmittelbarer Nähe zu Donezk, der russisch beherrschten Hauptstadt des Kohle- und Stahlreviers Donbass.

Eroberung hat für Russland vor allem propagandistischen Wert

Eine Eroberung der Stadt durch russische Truppen sei zwar strategisch nicht bedeutend, sie lasse sich aber vom Kreml propagandistisch ausschlachten, schreiben die Experten des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien. Zuletzt hatte die Ukraine im Frühjahr 2023 die ebenfalls monatelang umkämpfte Stadt Bachmut aufgeben müssen.

Olexander Tarnawskyj (r) hat den Rückzug befohlen.
Olexander Tarnawskyj (r) hat den Rückzug befohlen. © DPA Images | -

Befehlshaber Syrskyj schrieb weiter, die Soldaten erfüllten ihre militärische Pflicht mit Würde und täten alles, „um die besten russischen Militäreinheiten zu vernichten“; sie fügten dem Feind erhebliche Verluste an Personal und Ausrüstung zu. „Wir ergreifen Maßnahmen, um die Lage zu stabilisieren und unsere Positionen zu halten.“ Das Leben der Militärangehörigen sei der höchste Wert.

Russland-Reportagen von Jan Jessen

In den vergangenen Tagen war die Lage für die ukrainischen Verteidiger in der Stadt immer schwieriger geworden. Die ukrainischen Verteidiger wehrten sich unter „unmenschlichen Bedingungen“, schrieb der Pressedienst der in Awdijiwka eingesetzten 110. Brigade der ukrainischen Armee am Freitag auf Facebook. „Heute wirft der Feind enorme Kräfte in Form von Personal, gepanzerten Fahrzeugen und Flugzeugen in Richtung Awdijiwka.“

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Russische Truppen seien von mehreren Seiten vorgerückt, analysierten die ISW-Experten in ihrem Tagesbericht für Donnerstag. Durch Fotos sei belegt, dass russische Truppen von Norden her an der großen Kokerei von Awdijiwka vordringen. Im Süden der Stadt sei eine wichtige befestigte Verteidigungsanlage der Ukrainer erobert worden. (pcl/dpa)

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