Erfurt. Kommunikationsforschung der Uni Erfurt öffnet Fachtagung für Interessierte. Wissenschaftler suchen Lösungen gegen Demokratie-Bashing und Fakenews.

Kann man ohne Kommunikation leben? Das ist unvorstellbar und nicht denkbar, sagt Patrick Rössler. „Kommunikation ist das, was uns zusammenhält, aber auch auseinander bringt. Auch Medien als wichtige Kommunikationsträger werden gerade in diesen Tagen, in denen die Demokratie durch unverhohlene Angriffe, Fakenews oder gezielte Desinformation immer wieder unter Druck gerät und herausgefordert wird, umso wichtiger“, sagt der Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt.

Für eine Zukunft jenseits von Schwarzseherei und Resignation

Das Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft ist in diesem Jahr Gastgeber der 69. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). Mit der Leistungsschau des Fachs feiere man zugleich das 25-jährige Jubiläum der Aufnahme des Lehrbetriebs im Fach Kommunikationswissenschaft an der Uni. Das Fach selbst sei um vieles älter und als Kind des 20. Jahrhunderts geprägt von den propagandistischen Urkatastrophen dieser Zeit. Bundesweit gibt es rund 300 Studiengänge. Mit dem Thema der Tagung – „Visioinen für ein besseres Leben. Medien und Kommunikation in der Gesellschaft von morgen“ – fragen 400 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vom 13. bis 15. März in den Erfurter Hörsälen, wie Kommunikation und Medien jenseits von Schwarzseherei oder Resignation positive Entwicklungen anstoßen können und wie eine bessere Zukunft mit und ohne Medien aussehen kann. Renommierte Gäste sprechen in ihren Keynotes über Medieninnovationen, digitale Transformation, journalistische Praktiken, politische Kommunikation, interkulturelle Perspektiven und Medienethik. Unter den Vortragenden ist auch Funke-Gesellschafterin Julia Becker, die sich zum Thema „Neue Medien für ein besseres Leben: Den digitalen Strukturwandel gestalten“ äußern wird. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, wie das Mediensystem der Zukunft gestaltet sein muss, um eine funktionale Öffentlichkeit zu sichern.

Welche Rolle spielten Leserbriefe in der DDR?

Neu in diesem Jahr ist die Möglichkeit für Neugierige und Interessierte, sich am wissenschaftlichen Fachdiskurs zu beteiligen. Dafür werde über zwei Tage ein kompletter Tagungsstrang mit fünf Panels für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht *. Themen sind etwa Klima und Medien oder die Frage, was Medien und allgemeines Wohlbefinden miteinander verbindet. Spannende regionale Anknüpfungspunkte versprechen die Sitzungen zu DDR-Erinnerungsdiskursen in Medien und Alltag, wobei es auch um den Umgang mit Leserbriefen vor und nach 1989 gehen wird, sowie zur Rolle lokaler Medien („Das Gute Leben liegt so nah – Gesellschaftliche Wirkungen lokaler Medien“). Für Letztere haben Forscher der Universitäten Erfurt, Mainz und Trier in einer gemeinsamen Studie untersucht, was Medien für Teilhabe und Integration in die Gesellschaft vor Ort konkret leisten.

Unterschiedliche Mediennutzung bei Jüngeren und Älteren

Einmal mehr gehe es bei der Tagung um einen breiten Kommunikations- und Medienbegriff. Fragestellungen etwa zur unterschiedlichen Mediennutzung bei Jüngeren und Älteren ziehen sich wie ein roter Faden durch die Tagung. DAbei gehe es auch darum wie einzelne Zielgruppen erreicht werden können oder welche Art von Journalismus beispielsweise auf sozialen Plattformen wie Instagram oder Tiktok stattfindet.

* Der öffentliche Teil der Tagung findet am 14. und 15. März 2024 auf dem Gelände der Universität in Erfurt statt. Der Zutritt ist kostenlos. Anmeldung vorab per E-Mail an info@dgpuk2024.de oder am jeweiligen Tagungstag vor Ort. Allgemeine Infos unter www.dgpuk2024.de

Die Übersicht

P04: Visionen für Gemeinschaft und Zusammenhalt in der Mediengesellschaft

Donnerstag,14.03.2024 | 11 - 12.30 Uhr | LG1, 0007 (Chair: Lisa Merten)

  • 1. Andreas Hepp: Die digitale Gesellschaft und das „gute Leben“: Tiefgreifende Mediatisierung gestalten
  • 2. Annekatrin Bock, Felicitas Macgilchrist, Kerstin Rabenstein, Nadine Wagener-Böck: Hoffnung auf Gemeinschaft in einer technologisch entschleunigten Welt
  • 3. Marian Adolf, Gisela Reiter, Andreas Hess: Der brüchige Kitt der Gesellschaft: Maßnahmen zur Re‐Integration einer erodierenden Kommunikationskultur
  • 4. Christina Krakovsky, Tobias Eberwein, Christian Oggolder: Europas Mediensysteme am Scheideweg. Lehren aus einer Vergleichsstudie in Schweden, Österreich, Tschechien, Lettland und Bulgarien

P06: Klima und Nachhaltigkeit in den Medien

Donnerstag,14.03.2024 | 14-15.30 Uhr | LG1, 0007 (Chair: Valerie Hase)

  • 1. Michael Brüggemann, Lars Guenther: Limited visions of the future: How journalists envision and report on our future with climate change
  • 2. Lisa Marie Bittner, Dr. Esther Greussing, Prof. Dr. Monika Taddicken: Nachhaltige Entwicklung im medialen Fokus: Eine Framing‐Analyse der Medienberichterstattung in deutschen überregionalen Tageszeitungen
  • 3. Anja Kalch, Daniela Schlütz: Podcasting für die Umwelt: Wie narrative Elemente nachhaltigen Konsum fördern können
  • 4. Katharina Hajek, Lara Kobilke, Maximilian Krug: Constructing a Climate of Compliance ‐ Understanding Reactance to Pro-Environmental MessagesAndreas Hess:Der brüchige Kitt der Gesellschaft:Maßnahmen zur Re‐Integration einererodierenden Kommunikationskultur

P17: Medien und Wohlbefinden

Donnerstag,14.03.2024 | 16 -17.30 Uhr | LG1, 0007 (Chair: Paula Stehr)

  • 1. Stephan O. Görland, Sigrid Kannengießer: Well‐being kontextualisieren: Die Relevanz von gesellschaftlichen Determinanten für das Wohlbefinden von Mediennutzer:innen
  • 2. Wolfgang Reißmann, Margreth Lünenborg, Miriam Siemon: Sorgearbeit für „ein besseres Leben“: Caring als kommunikative Kompetenz
  • 3. Janine Nadine Blessing, Anja Kalch, Helena Bilandzic, Isabel Artmann: Selbsthilfe‐Podcasts als Wegbereiter für eine positive Zukunft – Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Verhaltensintention der Zuhörer*innen
  • 4. Stephan O. Görland, Lisa Waldenburger: Von der (Un)Vereinbarkeit des guten Lebens: Hartmut Rosas Werk und die Medien‐ und Kommunikationswissenschaft. Andreas Hess: Der brüchige Kitt der Gesellschaft: Maßnahmen zur Re‐Integration einer erodierenden Kommunikationskultur

P22: DDR-Erinnerungsdiskurse im Spannungsfeld von Medien und Alltag

Freitag, 15.03.2024 | 9 - 10.30 Uhr | LG1, 0007 (Chair: Carola Richter)

  • 1. Maximilian Krug: Transformatorische Potentiale von Leserbriefen als öffentliche Gesellschaftsgespräche in der DDR
  • 2. Anke Fiedler: Geteilte Erinnerung? Eine vergleichende Analyse sozialistischer Erinnerung in Deutschland und Polen
  • 3. Daria Gordeeva: Die DDR im Film
  • 4. Maria Löblich, Elisa Pollack: „Das hat man ja fast gar nicht mehr auf Arbeit“ – Ostdeutsche Lesarten der ARD‐Serie _In aller Freundschaft_Andreas Hess: Der brüchige Kitt der Gesellschaft: Maßnahmen zur Re‐Integration einer erodierenden Kommunikationskultur

P27: Das Gute Leben liegt so nah – Gesellschaftliche Wirkungen lokaler Medien

Freitag, 15.03.2024 | 14 - 15 Uhr | LG1, 0007 (Chair: Wiebke Möhring)

  • 1. Leyla Dogruel, Pablo Jost, Pascal Jürgens: Lokale Mediennutzung = lokale Integration? Was leisten lokale Medien für ein (besseres) Leben vor Ort?
  • 2. Andrea Grahl, Katharina Heitmann, Andreas Hepp, Leif Kramp, Bartje Krueger, Wiebke Loosen, Alexander Ohlei, Christian Pentzold: Lokale Nachrichtenplattformen für ein besseres Leben? Ein agiles Sozialexperiment zu den Herausforderungen des „exit to community“ und „platform cooperativism“
  • 3. Johanna Burger: Replik auf die Kritik an der news desert Forschung und neue methodische Überlegungen zum Fortbestand des Forschungsstrangs Andreas Hess: Der brüchige Kitt der Gesellschaft: Maßnahmen zur Re‐Integration einer erodierenden Kommunikationskultur