Axel Lukacsek über skurrile Vereinsnamen, die vor 30 Jahren von der Bildfläche verschwunden.

Als das marode Kernkraftwerk in Greifswald vom Netz ging, da wurde praktisch über Nacht auch einem ziemlich ehrgeizigen Projekt des DDR-Fußballs der Saft abgedreht. Damals war es ja üblich, dass die Vereine hierzulande gleich noch die Namen des Trägerbetriebes zur Schau stellten. So kickte jahrelang die BSG Kernkraftwerk Greifswald recht erfolgreich in der zweiten Liga der DDR. Doch mit der Wende vor 30 Jahren war auf einen Schlag auch im Fußball plötzlich alles anders.

Wie eben in Greifswald. Dem Kombinatsdirektor war der Zweitliga-Kick irgendwann nicht mehr gut genug. Der Dreijahresplan sah also vor, dass die Elf bis spätestens 1990 in die Oberliga aufsteigen möge. Das Volksstadion wurde umgebaut, sollte sogar eine komplette Überdachung bekommen. Tatsächlich spielte der Fußball in Greifswald eine dominante Rolle. Hier wurden bekannte Namen groß. Rico Schmitt zum Beispiel, zuletzt für fünf Monate der Trainer beim FC Carl Zeiss Jena, kickte dort genauso wie der einst in Erfurt als Spieler und Trainer aktive Henri Fuchs. Oder Toni Kroos, der später sogar Weltmeister wurde.

Greifwald stand also eine strahlende Zukunft bevor. Doch die Wende vor 30 Jahren war nicht nur ein Störfaktor. Für die ambitionierten Pläne waren sie der Super-Gau. Auch sonst verschwanden im Fußball-Osten inzwischen ziemlich skurril anmutende Vereinsnamen wie die der BSG Spielzeugland Mengersgereuth-Hämmern, der BSG Eierproduktion Rothemühl oder BSG Modedruck Gera.

Selbstherrliche Kombinatsdirektoren oder eitle Parteifunktionäre zogen die Fäden

Wo heutzutage Scheichs aus dem Orient, Oligarchen aus Russland oder so mancher Gernegroß mit dicker Brieftasche die Fäden ziehen, waren es damals eben selbstherrliche Kombinatsdirektoren oder eitle Parteifunktionäre. Wolfgang Biermann, der allmächtige Mann an der Spitze von Carl Zeiss Jena, war so ein Mensch. Dass der Fußballklub den Namen seines Unternehmens trug, war für ihn irgendwann zum Problem geworden. 1988, als der Verein die Saison nur als Neunter beendete, schrieb er einen bösen Beschwerdebrief ans ZK der SED.

Es sei ein nicht zu akzeptierender Zustand, „wenn der Name Carl Zeiss Jena, der national und international als ein Markenzeichen für Leistung, Präzision und Qualität mit hoher Werbewirksamkeit geführt wird, durch das dauerhaft schlechte sportliche Niveau des Jenaer FC in Misskredit gebracht wird.“ Biermann forderte unter anderem den Rauswurf der sportlichen Leitung – oder allen Ernstes die Änderung des Vereinsnamens.

Später besann man sich hier und da seiner Traditionen

Was damals im Sande verlief, beschleunigte ein paar Monate später tatsächlich die Wende. Nur der FC Carl Zeiss behielt bis heute seinen Namen, auch wenn das vielen angesichts der nicht vorhandenen Unterstützung durch den Mutterkonzern stört. Aber Chemie Industriewerk Ilmenau, Robotron Sömmerda, Stahl Silbitz oder Fahner Obst Großfahner brauchten neue Sponsoren. Später besann man sich hier und da seiner Traditionen – und Lok Leipzig, der BFC Dynamo oder Wismut Gera kehrten aus der Versenkung zurück.

RB im Namen wie nun beim Bundesligisten aus Leipzig, das gab es früher sogar schon mal. Doch hatte das damals mit Klassenkampf statt mit Kommerz zu tun. Bei der BSG RB Trinwillershagen bedeutete es nämlich Rotes Banner. Das System aber funktionierte recht ähnlich. Sozusagen als Hauptsponsor fungierte die gleichnamige LPG Pflanzenproduktion. Deren fußballverrückter Chef scheute keine Kosten und Mühen, ließ Sozialtrakt und Klubraum neu errichten. 1976 schaffte die Elf den Sprung in die zweitklassige DDR-Liga. Von wegen Gurkentruppe.

Trinwillershagen lockte aussortierte Spieler aus Rostock oder Stralsund an

Damals wie heute war jedoch die Verlockung groß, den Erfolg zu erzwingen. Um sportlich noch besser zu werden, lockte Trinwillershagen aussortierte Spieler aus Rostock oder Stralsund an. Das störte aber die Dorfidylle. Die BSG Rotes Banner stieg mit fliegenden Fahnen ab – und nie wieder auf.

Wenigstens die Erinnerung wird wach gehalten. Ein altes Programmheft vom großen Duell gegen den FC Hansa Rostock aus dem Jahre 1977 kostet im Internet 5,99 Euro. Übrig geblieben ist derweil der SV Rot-Weiß – in der achtklassigen Landesklasse.