Berlin. Kinder brauchen eine besonders gute Ernährung. Doch eine Studie zeigt: In Produkten für Kinder stecken oft viel Zucker, Fett und Salz.

Ob Suppen, Müslis, Limonaden oder Quark: In vielen Lebensmittelprodukten steckt immer noch viel Zucker, Fett oder Salz. Besonders drastisch sieht es bei Fertigprodukten aus, die sich speziell an Kinder richten und mit Schokobärchen, lustigen Comicfiguren, Sammelbildern oder Kunststofftieren werben. Diese Artikel enthalten teilweise sogar noch mehr Zucker und Fette als vergleichbare Lebensmittel ohne spezielle Kinderoptik.

Dies hat eine aktuelle Untersuchung ergeben, bei der vom bundeseigenen Max-Rubner-Institut (MRI) für das Bundesernährungsministerium (BMEL) rund 7000 Lebensmitteln unter die Lupe genommen wurden. Geprüft wurden beliebte Produkte, die in Supermärkten und Discountern verkauft werden. Hersteller und konkrete Artikel werden jedoch nicht genannt.

„Egal ob gesüßte Erfrischungsgetränke oder Frühstücksflocken. Der Zuckergehalt in Lebensmitteln für Kinder ist immer noch zu hoch. Bei Getränken ist er sogar gestiegen“, sagte Bundesernährungsminister Cem Özdemir. So habe sich der durchschnittliche Zuckeranteil in Erfrischungsgetränken von Kindern kaum verringert.

WHO: Nur 14 Prozent der Getränke entsprechen Vorgaben

Seit 2018 ist der Zuckeranteil von 7,2 Gramm pro 100 Milliliter zunächst auf 5,4 Gramm im Jahr 2019 gesunken, aber 2022 wieder auf 6,3 Gramm gestiegen. In jedem üblichen Glas Limo (0,2 Liter) befinden sich damit gut vier Stück Würfelzucker. Nur 14 Prozent aller untersuchten Getränke entsprechen den Nährwertprofilen der Weltgesundheitsorganisation.

Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, sagt zu viel Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten für Kinder den Kampf an.
Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, sagt zu viel Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten für Kinder den Kampf an. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Kaum besser sieht es bei Limonaden für Erwachsene aus, berichtet Pablo Steinberg, Präsident des Max-Rubner-Instituts. In jedem Haushalt werden pro Jahr 184 Liter Erfrischungsgetränke konsumiert, „zwei Drittel davon sind Cola- und Cola-Mischgetränke“. Der durchschnittliche Zuckerwert in allen Erfrischungsgetränken liegt laut MRI-Studie bei 6 Gramm pro 100 Milliliter – also zwei Stück Zucker. Dies sind lediglich 0,3 Gramm weniger als vor fünf Jahren.

Cola-Mischgetränke enthalten sogar 9,6 Gramm Zucker je 100 Milliliter – und damit ebenfalls nur 0,3 Gramm weniger als 2018. Die Zuckerwerte für Limonaden „Light“ sind im Vergleichszeitraum sogar um 0,9 Gramm auf 2,8 Gramm Zucker je 100 ml angestiegen. Eine 0,2-Liter-Limonade Light enthält damit knapp zwei Würfelzucker.

In Produkten mit Kinderoptik ist mehr Zucker als in anderen

Auch bei den oft als gesund geltenden Frühstückscerealien, deren Zuckergehalt zwar insgesamt sinkt, schneiden Produkte mit Kinderoptik schlechter ab. Im Durchschnitt stecken in Kindermüslis 17 Gramm Zucker je 100 Gramm, in anderen Müslis 14,7 Gramm. Auch Müsliriegel für Kinder seien zuckerreicher, ebenso Nudelsoßen. Sogar Kinder-Salamis enthalten laut Studie einen höheren Fettgehalt als gewöhnliche Salamis. Größere Verbesserungen gab es laut MRI nur bei Joghurt und gesüßtem Quark. Hier wurde der Zuckergehalt um etwa 20 Prozent reduziert.

In der Kita von Emma (2) und Franz (2) wird auf die Inhaltsstoffe im Essen geachtet. Doch oft kommen bei Kindern ungesunde Lebensmittel auf den Tisch
In der Kita von Emma (2) und Franz (2) wird auf die Inhaltsstoffe im Essen geachtet. Doch oft kommen bei Kindern ungesunde Lebensmittel auf den Tisch © FUNKE Foto Service | Marco Kneise

„Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden“, so Özdemir. Grundsätzlich will der Grünen-Politiker zwar niemandem vorschreiben, was er oder sie essen soll. Oft schmeckten gerade Produkte gut, die besonders viel Zucker, Fette oder Salze enthalten, weiß auch Özdemir. Klar sei aber auch: „Wer viel davon isst, erhöht sein Risiko für schwerwiegende Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Adipositas“.

Özdemir: Gesunde Ernährung ist ein soziales Problem

Besonders geschützt werden müssten Kinder, ist der Grünen-Politiker überzeugt. „Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen – und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern, der Bildung oder der Herkunft. Es geht hier sowohl um Gesundheit als auch um Gerechtigkeit.“ Gerade im Kindesalter werde das Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt.

Schon heute sind nach einer Studie des Robert Koch-Instituts 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig, sechs Prozent leiden an Adipositas – also krankhaftem Übergewicht. In manchen Fällen sei dies auch ein soziales Problem.

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Oft hingen ein niedriges Einkommen und geringe Bildung mit schlechteren Ernährungsgewohnheiten zusammen, die wiederum zu Krankheiten und Übergewicht führen können. Insofern sei eine gesunde Ernährung oft auch ein soziales Problem, so Özdemir. Zucker sei besonders problematisch, da es im Gehirn wie eine Belohnung wirke und das Glückshormon Dopamin ausschütte.

„Prinzip der Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt“

Umso mehr müssten Unternehmen sich selbst verpflichten, den Gehalt von Zucker, Salz und Fetten in ihren Produkten zu senken. Manche Verbände haben sich bereits verpflichtet, den Zuckergehalt bis zum Jahr 2025 um bis zu 20 Prozent zu reduzieren. Doch die Praxis hängt dem Ziel noch hinterher.

Leider funktioniere es in diesem Fall nicht, dass der Markt das Problem selbst regeln werde, fürchtet Özdemir. In einem nächsten Schritt sollen deshalb Reduktionsschritte für Zucker, Salz und Fette für einzelne Lebensmittelgruppen wissenschaftlich definiert werden. Dies soll unter Beteiligung des MRI bis Ende nächsten Jahres erfolgen. Özdemir plant keine Verbote für Lebensmittel – doch er appelliert dringend an die Industrie: „Bitte reduzieren sie den Zuckergehalt.“ Eine Rezeptur sei jederzeit veränderbar.

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Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht die Lebensmittelindustrie als Kern des Problems. „Das Prinzip Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt“, sagt Luise Molling von Foodwatch und fordert gesetzliche Maßnahmen. Dazu zählten die vom Ministerium geplanten Werbeschranken für Kinderprodukte, eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild und einen verpflichtenden Nutri-Score auf europäischer Ebene. Die Einführung einer Zucker-Steuer ist für Özdemir keine Option – da jegliche Steuererhöhung im Koalitionsvertrag ausgeschlossen sei.