Berlin. Cash is King – in Österreich wie in Deutschland. Kein Wunder bei dem großen Gefühl, das Bargeld immer noch oft auslöst. Ein Loblied.

Schon mal aus dem Handgelenk bezahlt? Die Smartwatch lässig geschwenkt in Richtung EC-Karten-Leser – bis ein angenehmer Klingelton den Zahlungseingang bestätigt? Das ist zugegebenermaßen ein gutes Gefühl, nicht mehr ausgebeulte Geldbörsen voller Kleingeld mit sich herumzuschleppen zu müssen. Und wie schnell das geht im Supermarkt: Es piepst und klingelt, als würden wir auf dem Fließband durch die Kassen geschleust.

Doch dann dies: Ein analoger Senior zieht ein dickes, mit Scheinen und Münzen vollgestopftes Portemonnaie aus seiner Hosentasche. Er holt einen 50-Euro-Schein raus, hält inne – und sagt den Satz des Grauens: „Moment, ich habe es auch passend.“ Dann zählt er mit spitzen Fingern Cent-Stücke ab, lässt sich schließlich, weil seine weitsichtigen Augen mit den verschiedenen Münzen nicht klarkommen, von der Kassiererin helfen.

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Das nervt natürlich Kartenzahler, erst recht die mit der Smartwatch. Und doch entsteht da ein zauberhafter Moment. Das nennt sich Vertrauen. Geschenkt vom Senior an die Kassiererin. Eine friedliche, stille Situation, der sich alle in der Schlange an der Supermarktkasse unterordnen.

Ein Paypal-Konto kommt da nicht mit: Bargeld erzeugt Geschichte

Genau diese Momente will Österreich erhalten – mit einer Initiative, die das Recht auf Bargeld sichern soll. Dahinter steckt das Bekenntnis zum großen Gefühl, das Bargeld tatsächlich auslösen kann. Wer erinnert sich nicht an die Briefumschläge voller Scheine, die man als Kind bei der Erstkommunion, Konfirmation oder Jugendweihe überreicht bekam.

Jede Menge Bargeld: Wer will das nicht haben?
Jede Menge Bargeld: Wer will das nicht haben? © dpa | Patrick Pleul

An das erste Geld, verdient als Babysitter. An das Euro-Starterkit von 2002, als die D-Mark ausgedient hatte. Oder an die 100 Mark Begrüßungsgeld, die sich DDR-Bürger im November 1989 in westdeutschen Banken abholen durften. Tatsache ist: Bargeld erzeugt Geschichte, persönliche, gesellschaftliche, politische. Es riecht, es knistert, es klimpert. Es hat Gewicht und braucht Platz. Da kommt kein Paypal-Konto mit.

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Bargeld hat natürlich Schattenseiten. Es ist komplett anonym – und das macht es gefährlich: Die Organisierte Kriminalität liebt Bargeld, weil sich Einnahmen aus illegaler Prostitution, Menschenhandel, Drogenverkauf mit Investitionen in Immobilien, Luxusuhren oder Autos waschen lassen.

Ob Schwarzarbeit oder Geldwäsche: Die Organisierte Kriminalität liebt Bargeld

Die Schwarzarbeit liebt auch Bargeld. Ob Kellnerinnen und Kellner, Haushaltshilfen oder Handwerker: Wer sie bar bezahlt, spart sich Lohnnebenkosten oder Umsatzsteuer. Und wer sich bar bezahlen lässt, verzichtet dann auch schon mal darauf, dies auf das Bürgergeld anrechnen zu lassen.

Birgitta Stauber, Politik-Korrespondentin
Birgitta Stauber, Politik-Korrespondentin © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Bargeld macht großzügig. Wer es in der Tasche hat, gibt gerne den ein oder anderen Euro an Obdachlose ab. Oder legt einen Schein drauf beim Italiener. Bargeld ist auch Anerkennung im Alltag, eine Belohnung für gute Leistung.

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Und doch heißt es immer öfter für Leute wie den analogen Senior: Draußen bleiben. Etwa im hippen Bistro mit Selbstbedienung. „Nur Kartenzahlung“ steht am Eingang geschrieben.

Trinkgeld: So viel verlangt das bargeldlose Bistro

Das Lesegerät an der Kasse fordert dann auf, Trinkgeld zu geben. Fünf, zehn oder 15 Prozent. Die Kundin klickt, bis sie die Aufforderung überspringen kann – und sucht vergeblich die Spardose für den Tip. „Dann eben nicht“, sagt sie und zuckt die Schultern.

Zurück zur Geldwäsche: Klar sind Grenzwerte sinnvoll. Wer eine Luxusuhr kauft, soll bitte nicht die Geldbündel aus dem Koffer holen, sondern ordentlich überweisen. Aber den kleinen Alltag mit Bargeld, den wollen sich die meisten nicht nehmen lassen. Dafür steckt zu viel Gefühl drin.

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