Berlin. Beschwerden über Vertreter nehmen zu. Verbraucherschützer geben Tipps und warnen vor dem aktuellen miesesten Trick zu Gas-Verträgen.

Der Mann stellt sich an der Haustür als Monteur vor. „In ihrem Haus liegt eine technische Störung im Internet vor. Könnten Sie mich bitte reinlassen?“ Martin K. drückt auf den Öffner. Wenige Minuten später steht ein freundlicher Herr vor seiner Wohnungstür. „Könnte ich kurz prüfen, ob ihr Router funktioniert?“ Der fremde Mann wird in die Wohnung gebeten.

Nach Ansehen des Routers wird der Bewohner in ein Gespräch über Glasfaser verwickelt. Schließlich unterschreibt der 70-Jährige einen Vertrag, obwohl er die Vorzüge eines schnellen Internets nicht braucht. Als seine Kinder den Vertrag bei ihm entdecken, ist es zu spät, ihn rückgängig zu machen. Die 14-tägige Widerspruchsfrist ist vorbei. „Ich fühlte mich überrumpelt und zur Unterschrift gedrängt“, berichtet Martin K. der Verbraucherzentrale, bei der er sich beschwert.

Martin K. ist kein Einzelfall. 2023 beschwerten sich bei den Verbraucherzentralen mehr als 6600 Verbraucher über Haustürgeschäfte – 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Die meisten Beschwerden gab es zu Verträgen für Telefonie & Internet (2300), Glasfaser (660), Mobilfunk (430), Fernsehen (180) und Erneuerbaren Energien. Bei Haustürgeschäften bemängeln Verbraucher vor allem untergeschobene Verträge (24 Prozent) und Probleme mit dem Widerruf (13 Prozent).

„Haustürgeschäfte sind nicht verboten, sondern eine legitime Vertriebsart. Nicht alle sind schlecht“, sagt Roland Stuhr, Rechtsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). „Wichtig ist aber, dass die Haustürbesuche in gegenseitigem Einvernehmen zustande kommen.“ Und natürlich, dass die Angebote seriös seien. So versuchen derzeit windige Vertreter, Verbrauchern neue Energieverträge anzudrehen – mit einem besonderen Trick: Die Vertreter gäben sich als Mitarbeiter des „Grundversorgers für Gas“ aus und versprächen eine staatliche Gaspreisbremse, wenn man ein „Werbe-Einverständnis“ unterschreibe, warnt die Hamburger Verbraucherzentrale. Doch das sei eine Finte, in Wahrheit wechselt man seinen Gasanbieter.

Vertrag: So wichtig ist der Haustürvertrieb für Unternehmen

Der Direktvertrieb ist für viele Unternehmen ein wichtiger Verkaufskanal. Insbesondere für Haushaltswaren, Lebensmittel, Kosmetik und Energie- und Kommunikationsverträge. Bundesweit arbeiten knapp eine Million Menschen meistens als Selbständige im Direktvertrieb und erzielten damit 2022 einen Umsatz von etwa 20 Milliarden Euro, so der Bundesverband Direktvertrieb Deutschland.

Allein in der Telekom- und Energiebranche wurden 2022 rund 1,8 Millionen Verträge abgeschlossen. „Die bei Verbraucherzentralen gemeldeten Beschwerden liegen damit deutlich unter einem halben Prozent“, sagt die Verbandssprecherin Alexandra Bekavac. Ihrer Branche sei es grundsätzlich wichtig, „dass die Anbahnung und der Vertragsabschluss fair und redlich erfolgen“.

Die zunehmenden Beschwerden bei den Verbraucherzentralen deuten jedoch darauf hin, dass es einige „Schwarze Schafe“ unter den Vertretern gebe, die mit „aggressiven Methoden Verbrauchern einen Vertrag aufdrängen“, berichtet Stuhr. Genau hier sieht die Verbraucherzentrale eine Lücke im Verbraucherschutz.

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In Deutschland dürfen Vertreter heute an jeder Haustür klingeln, während das Anrufen von Menschen zu Werbezwecken ohne deren vorheriger Einwilligung seit Jahren verboten ist. Bei unerlaubten Werbeanrufen riskieren Vertreter sogar ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro.

Vertrag: Verbraucherschützer für mehr Schutz vor Haustürverträgen

Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert deshalb auch bei Haustürgeschäften einen besseren Schutz. „Haustürbesuche sollten generell nur auf Basis einer vorherigen Einwilligung erlaubt sein.“ Im Klartext: Vertreter sollten ihren Besuch vorher ankündigen müssen. Dies könnte über eine Anfrage per Postkarte oder Werbung erfolgen, so Stuhr, zum Beispiel mit der Aufforderung: „Melden Sie sich bei uns und wir schicken Ihnen einen Vertreter.“ Wichtig wäre, so Stuhr: „Es darf keine Überraschungsbesuche geben.“

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Die große Mehrheit (98 Prozent) der Bundesbürger lehnt nach einer Umfrage der Verbraucherzentrale Haustürgeschäfte ab. „Der Gesetzgeber sollte es deshalb grundsätzlich verbieten, dass an der Haustüre ohne Einwilligung geklingelt werden darf“, meint Stuhr. Stattdessen müsse heute jeder, der keine Hausierer empfangen möchte, einen Aufkleber an sein Klingelschild mit der Aufforderung montieren: „Bitte keine Haustürgeschäfte“. Eine Umkehrung der aktuellen Gesetzeslage würde also dem Willen der Mehrheit entsprechen.

Menschen aus allen Bildungsschichten und Altersstufen unterschrieben unliebsame Verträge, berichtet der Rechtsexperte der Verbraucherzentrale NRW, Felix Flosbach, aus der Praxis. Manchmal spielen Vertreter mit der Angst der Verbraucher und drohen damit, dass beispielsweise ihr Internet abgeschaltet würde, falls sie keinen Glasfaservertrag unterschrieben. „Diese Drohung ist jedoch nicht wahr“, so Flosbach. Oder sie setzen auf Gruppendruck und sagen, dass alle im Haus den Vertrag schon unterschrieben hätten, nur Sie nicht.

Vertag: Wichtige Tipps vorm Unterschreiben

Wie kann man sich also vor Haustürgeschäften schützen? Wie wird man Verträge wieder los? Das raten Verbraucherschützer:

  • Grundsätzlich sollte niemand einen Fremden in seine Wohnung lassen.
  • Wer kein Interesse an einem Produkt hat, sollte sich nicht auf ein Gespräch einlassen.
  • Wer Interesse an dem angebotenen Produkt hat, sollte sich Zeit nehmen. Bevor man einen Vertrag unterschreibt, sollte man diesen in Ruhe prüfen und mit Angeboten anderer Anbieter vergleichen.
  • Wichtig ist der Blick aufs Kleingedruckte. Manchmal geben Verkäufer mündlich andere Preise an als jene, die dann im Vertrag stehen.
  • Bezahlen Sie niemals etwas in Vorkasse. Grundsätzlich dürfen Vertreter bei unbestellten Besuchen keine Barzahlungen ab 50 Euro an der Haustür verlangen.
  • Wenn Sie unsicher sind, unterschreiben Sie lieber nicht.
  • Wer einen Vertrag über Dienstleistungen unterschrieben hat, den er doch nicht möchte, hat in den meisten Fällen eine 14-tägige Widerruffrist ab dem Tag des Vertragsabschlusses. Innerhalb dieser Zeit kann der Vertrag ohne Begründung per Mail oder Brief wieder gekündigt werden. Briefe sollten per Einschreiben verschickt werden.
  • Wer Produkte an der Haustüre kauft, für den gilt die 14-tägige Widerrufsfrist ab Lieferung der Ware.

Grundsätzlich hat jeder bei Abschluss eines Vertrages an der Haustür das Recht, diesen innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen und damit rückgängig zu machen. „Doch die Widerrufsfrist ist für viele Betroffene häufig zu kurz“, bemängelt der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Sie sollte in Deutschland auf 30 Tage verlängert werden. Dies wäre auch europarechtlich möglich“, sagt Stuhr.

Generell ist bei Haustürgeschäften Vorsicht angebracht: „Auch ein Vertrag, der in einer überraschenden Haustürsituation unterschrieben wird und vielleicht sehr nachteilig für Verbraucher ist, ist grundsätzlich gültig“, sagt Stuhr. Umso wichtiger sei es, dass die Politik endlich aktiv werde. „Wir wollen Haustürgeschäfte nicht verbieten. Doch wir brauchen mehr Schutz vor Belästigung und Überrumpelung sowie eine längere Widerrufsfrist.“