Berlin/London. Wie Trendforscher Wünsche und Lebensweisen von morgen vorhersagen und wie auch Sie ganz einfach erkennen, was bald in Mode ist.

Sie kommen und gehen scheinbar willkürlich und doch bestimmen sie unser Leben: Trends. Ob in Mode, Design oder der Lebenseinstellung, immer wieder verändert sich, was in der Gesellschaft chic und angesagt ist. The Future Lab, eine Londoner Trendforschungsfirma, verspricht einen Blick in die Konsumglaskugel. Unternehmen sollen wissen, was Kunden wollen, noch bevor die Kunden es wissen. Wie das funktionieren soll, was uns in den nächsten Jahren erwartet und wie leicht sich inzwischen Fashiontrends vorhersehen lassen.

Trendvorhersagen bis zu 10 Jahre in die Zukunft

Tatsächlich habe sich die Arbeit von Trendforschungsunternehmen verändert, sagt Martin Raymond, Co-Gründer und Chefredakteur von The Future Lab. In den 80ern und 90ern sei es vor allem im Fashion- und Lifestyle-Bereich darum gegangen, Schnitte und Farben vorherzusagen, die bald angesagt sein werden. Inzwischen gehe es mehr um „strategische Vorhersagen“, bei denen neben dem eigentlichen Trend auch der Einfluss und die Konsequenzen des Trends identifiziert werden sollen. Neben Unternehmen würden nun auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Regierungen zu seinen Kunden zählen.

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    Das Versprechen, das Raymond seinen Kunden gibt, ist nicht einfach einzuhalten. Bis zu zehn Jahre in die Zukunft würden die Überlegungen seiner Firma gehen. Der Schlüssel zu diesen Vorhersagen: Daten. Laut Raymond durchsuchen er und seine Kollegen dabei nicht nur bereits vorhandene Datensätze, sondern führen auch selbst Umfragen durch, sprechen mit Experten und betrachten vergangene Entwicklungen. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Analyse sollen ein Bild ergeben – und eine Richtung, in die sich dieses Bild bewegt.

    Lebensgefühl beeinflusst Trends und Konsum

    Dabei gehe es darum, kleine Änderungen im Verhalten von Konsumenten zu entdecken und zu beobachten, ob sie Bestand haben und sich weiter ausbreiten. Raymond erklärt das an einem aktuellen Beispiel: Schon vor einigen Jahren habe sich abgezeichnet, dass der Alkoholkonsum in europäischen Ländern wie Deutschland bei jungen Menschen fällt. Daraufhin habe sich Raymond die Frage gestellt, welche Rauschmittel denn stattdessen konsumiert würden.

    Die Antwort: Junge Menschen greifen eher zu psychoaktiven Drogen wie MDMA, Ketamin oder auch Cannabis. Dadurch ändert sich auch das Ansehen dieser Drogen in der Gesellschaft. Die in Deutschland anstehende Cannabis-Legalisierung ist laut Raymond eine Folge dieser Konsum- und Wahrnehmungsänderung.

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    Es geht aber noch weiter: Raymond leitet aus dieser Entwicklung auch noch weitgehendere Trends ab, etwa ein anderes Verhältnis zu Körper und Natur, was für seine Kunden aus dem Wellnessbereich wichtig ist. Auch der Trend, sich zunehmend fleischlos zu ernähren, stammt laut Raymond aus dieser neuen Verbundenheit zur Natur.

    Trendforscher helfen Firmen bei der Risikominimierung

    Doch nicht immer ist das Konsumverhalten konsequent: So kehrt laut Raymond trotz der neuen Naturbindung auch Echtpelz in der Mode zurück. Allerdings nur, wenn er recycelt ist und kein neues Tier getötet wurde. Es zeichnet sich das ab, was Raymond auch selbst über seinen Job sagt: Am Ende geht es für die Kunden von Trendforschung um Risikominimierung. Natürlich können auch Trendforscher nicht wirklich in die Zukunft sehen, aber sie können Szenarien entwickeln und die Wahrscheinlichkeit einschätzen, ob diese auch tatsächlich eintreten.

    Auf der diesjährigen Pariser Fashionweek kehrt der Pelz zurück – obwohl er eigentlich nicht zum Lebensgefühl junger Menschen passt.
    Auf der diesjährigen Pariser Fashionweek kehrt der Pelz zurück – obwohl er eigentlich nicht zum Lebensgefühl junger Menschen passt. © DPA Images | Vianney Le Caer

    Besonders schwer ist es laut Raymond, den Zeitpunkt, an dem Entwicklungen zu massenkompatiblen Trends werden, richtig vorherzusagen. Das liege auch an unerwarteten Ereignissen wie der Corona-Pandemie. Diese habe etwa den Trend des hybriden Arbeitens, den Raymond und sein Team bereits frühzeitig erkannten, unerwartet schnell eintreten lassen.

    Trendforscher erwartet „verheerende Änderungen im Markt“

    Eine große Vorhersage, die Raymond und sein Team für die Zukunft treffen, beschäftigt sich mit der Art des Zusammenlebens. Bedingt durch teure Miet- und Immobilienpreise, neue Formen von Familie und eine andere Prioritätensetzung sagt Raymond eine Wohnform voraus, die auf den ersten Blick an Hippie-Kommunen erinnert. Der Trendforscher skizziert Wohngemeinschaften, in denen verschiedene Personen aus verschiedenen Generationen verschiedene Beziehungsmodelle leben, aber alle ihren Beitrag zur häuslichen Gemeinschaft leisten. Für Firmen ergäbe sich daraus natürlich ein neuer Markt – und die Notwendigkeit, ihre Produkte an diesen anzupassen.

    Besonders radikale Änderungen erwartet Raymond auch im Bereich der Technik. Künstliche Intelligenz (KI), Quantencomputer und auch das Metaverse würden zusammengebracht und zu „verheerenden Veränderungen im Markt“ führen. Der gebürtige Ire weiß noch nicht, wie genau sich diese Änderungen tatsächlich äußern werden, aber er erwartet sie innerhalb der nächsten zwei Jahre.

    Ganz einfach aktuelle Modetrends erkennen

    Für Konsumenten, die wissen wollen, welche Kleidung aktuell in Mode ist und auch in den nächsten sechs bis zwölf Monaten noch im Trend sein wird, hat Raymond einen Tipp: ChatGPT sei inzwischen in der Lage, aufgrund der vielen frei verfügbaren Daten, einen guten Überblick über aktuelle Modetrends zu geben. Wer also überlegt, den Kleiderschrank aufzufrischen, kann auch die KI um Rat fragen.

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    Aktuell empfiehlt ChatGPT übrigens Oversized-Blazer, weite Hosen, Crop-Tops und Midi-Röcke für Frauen. Männern wird zu schmalen, zulaufenden Hosen, kastenförmigen Hemden, Oversized-Jacken und Polohemden geraten. Wie schnell sich diese Trends wieder ändern, bleibt abzuwarten.