Berlin. Xavier Naidoo singt einmal mehr gegen den Staat und die Corona-Maßnahmen. Mit dabei sind 17 Rapper. Ihr Ziel verhehlen sie dabei nicht.

  • In einem neuen Musikvideo warnen Xavier Naidoo und verschiedene Rapper vor einer vermeintlichen "Diktatur" in Deutschland
  • Gleichzeitig verbreiten sie krude Verschwörungstheorien und bezeichnen die Corona-Impfungen als "Gift"
  • Das Lied, das wie eine Hymne der "Querdenker"-Bewegung wirkt, wurde auf Youtube mittlerweile gelöscht

In einem Interview mit dem Szene-Magazin „Backspin“ erklärte der Deutsch-Rapper mit dem Künstlernamen „Scep“ 2017, dass seine Texte „größtenteils zum Nachdenken“ anregen würden. „Ich fühle mich verpflichtet, Ungerechtigkeiten auf der Welt anzusprechen“, sagt der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Lukas Schwarz heißt, damals.

Nun taucht der außerhalb der Szene wenig bekannte Rapper in einem Musikvideo mit dem einst populären Popmusiker Xavier Naidoo auf. Doch sein Ton hat sich verschärft. Scep rappt davon, dass er nun auf den „richtigen Zeitpunkt warte, um sie zu schlagen“. Ein paar Zeilen später heißt es dann: „Mach Alarm! Bewaffne dich! Vernichte den tiefen Staat!“ Mittlerweile wurde das ursprünglich auf Youtube hochgeladene Video zwar gelöscht, allerdings gibt es viele Re-Uploads, wegen derer der Song noch immer angesehen werden kann.

Zum Refrain des sieben Minuten langen Songs fährt Xavier Naidoo auf einem Fahrrad auf einer Straße neben Palmen und filmt sich selbst, wie er singt: „Das kann gar nicht sein, euer Gift kommt niemals in unseren Körper rein“. Mit „Gift“ meint Naidoo unmissverständlich die Corona-Schutzimpfung. Dann: „Die Geschwister und ich, wir wagen den Schritt, wir machen nicht mit.“

Song von Xavier Naidoo: Im Hintergrund explodiert ein Impfzentrum

Wobei die insgesamt fast 20 Rapper nicht mitmachen wollen, daran lassen sie keinen Zweifel: Corona-Schutzmaßnahmen, Abstand halten, Maske tragen, Impfungen.

Doch dabei belassen die Musiker es nicht. In dem Video tritt der Mann mit dem Künstlernamen „Skitekk“ vor einem Impfzentrum gegen einen als Sicherheitsmann inszenierten Menschen mit Warnweste. Auch er wolle da „nicht mehr mitmachen“, singt Skitekk. Während er rappt, explodiert im Musikvideo das Impfzentrum hinter ihm.

Der rechte Rapper Skitekk tritt einen Schauspieler, der als Wachmann vor einem Impfzentrum posiert.
Der rechte Rapper Skitekk tritt einen Schauspieler, der als Wachmann vor einem Impfzentrum posiert. © Screenshot

Naidoo und Kollegen machen Rap für Querdenker

Für das Projekt nennen sich die Musiker „Rapbellions“. Das Video ist die minutenlange Inszenierung eines Widerstands, garniert mit verschiedenen bekannten Topoi der Verschwörungsideologen. Es ist der Versuch, einer Bewegung eine Art „Hymne“ zu schreiben, die im vergangenen Pandemie-Jahr in Deutschland massiv an Aufwind gewonnen hat: die selbsternannten Querdenker.

Und so rappen die eher mitteljungen Männer von „Deutschland als Diktatur“, vom „unterdrückten Volk“, von den „versklavten Menschen“. Sie geben vor, dass sie die „Kinder schützen“ vor den Corona-Maßnahmen, die von den Regierungen in Bund und Land im Kampf gegen die Ausbreitung des Covid-Virus beschlossen wurden.

Rechtsextreme Kanäle verbreiten das Video

Das Video wurde auf der Plattform YouTube hochgeladen und dann in sozialen Medien und Messengerdiensten verbreitet – darunter etwa der Kanal „Fakten Frieden Freiheit“, der den Querdenkern zuzuordnen ist. Akteure der extremen Rechten wie Oliver Janich und Szene-Größen wie Markus Lowien verbreiten das Video. Unter Querdenkern erreicht der Musikclip, ähnlich wie andere Propaganda der Gruppierungen in der Vergangenheit, sehr schnell die Anhängerinnen und Anhänger. Außerhalb bleibt die Wahrnehmung mit Ausnahmen meist gering.

Doch durch den Auftritt des umstrittenen, doch sehr bekannten Künstlers Naidoo gewinnt das Video an Aufmerksamkeit auch außerhalb der eigenen Klientel. Fachleute sehen Naidoo seit Beginn der Pandemie als eines der Zugpferde der Querdenken-Bewegung.

Der rechtsextreme Höhepunkt in Xavier Naidoos Karriere

Neu ist sein radikal rechter Einschlag nicht. Seit Jahren verbreitet er krude Ideologien, wettert gegen eine angebliche „amerikanische Besatzung Deutschlands“ und provoziert in einzelnen seiner Lieder mit antisemitischen Bildern. Naidoo selbst hat sich gegen den Antisemitismus-Vorwurf gewehrt.

Doch zuletzt wurde laut Beobachtern Naidoos Nähe zu extremen Rechten und den Querdenkern immer stärker. Das nun produzierte Rap-Video ist ein neuer Höhepunkt seiner umstrittenen Karriere.

Ukvali ist der Prototyp des Verschwörungsrappers

Aber wer sind die Männer, die Naidoo in diesem Video bei seinen Widerstandsfantasien zur Seite stehen? Da ist zum einen der Künstler „Ukvali“. Seit Jahren gehört der Hesse zu den wichtigsten verschwörungsideologischen Rappern in Deutschland.

Ukvali ist einer der bekanntesten Verschwörungsideologen in der deutschen Rapszene und warnt vor einer vermeintlichen
Ukvali ist einer der bekanntesten Verschwörungsideologen in der deutschen Rapszene und warnt vor einer vermeintlichen "Neuen Weltordnung". © Screenshot

In seinen Texten beschäftigt er sich mit den großen Verschwörungen – vor allem der Erzählung von der „NWO“, der angeblichen „Neuen Weltordnung“, die dem „Volk“ durch eine ominös und oftmals antisemitisch inszenierte „Finanz- und Politikelite“ aufgezwungen werde.

Rapper und rechte Aktivisten sind gut vernetzt

Durch seine „Killuminati“-Reihe erlangte Ukvali große Bekanntheit in der rechten und rechtsradikalen Szene, in die er auch außerhalb des Rapkosmos sehr gut vernetzt ist. So arbeitete Ukvali gemeinsam mit Xavier Naidoo am Song „Heimat“, der in Zusammenarbeit mit Hannes Ostendorf von der Neonazi-Band „Kategorie C“ und anderen rechtsextremen Aktivistinnen und Aktivisten entstand und nun erschien. Ostendorf ist in der rechten Szene kein Unbekannter. Mit seinen Bands „Kategorie C“ und „Nahkampf“ steht dem verbotenen rechtsterroristischen Netzwerk Combat 18 nahe.

Ukvalis Beteiligung an Naidoos neuesten Tracks spricht für eine gute Vernetzung alter und neuer verschwörungsideologischer Kader – denn neben den althergebrachten Ideologen arbeitete Ukvali auch mit Chris Ares zusammen, einem der erfolgreichsten extrem rechten Rap-Musiker der vergangenen Jahre.

Ein österreichischer Buddhist macht Rap für's „Volk“

In dem aktuellen Video tritt auch der Musiker „Galstarr“ auf, der sich noch vor ein paar Monaten „Absztrakkt“ nannte. Er kommt gebürtig aus dem österreichischen Bundesstaat Kärnten – und berappt seine Herkunft häufiger in seinen Liedern. Zu Beginn seiner Karriere rappte Galstarr aka Absztrakkt noch über den Buddhismus und seine Auswirkungen auf das Leben.

Damit ist es spätestens seit dem Song „Walther“ von 2017 vorbei. Darin entfernte sich Absztrakkt vom eher friedlichen Buddhismus und wandte sich einem rechten Weltbild zu. Er rappt davon, eine geladene Waffe zu besitzen („Es sind 108 Schuss in der Walther Neun-Sechs-Neun“) – denn „dieses Land kriegt jetzt endlich wieder Männer die sich wehr'n“.

Und noch etwas fällt auf: Rapper Galstarr inszeniert sich immer wieder als „einsamer Wolf“, eine Analogie, die auch auf einen allein handelnden Täter hinweist, der nicht unter einem Kommando einer Gruppe steht.

Rapper Galstarr aka Absztrakkt inszeniert sich als
Rapper Galstarr aka Absztrakkt inszeniert sich als "einsamer Wolf" und trifft damit sowohl den Geschmack rechter Rapfans, als auch den von Querdenkern. © Screenshot

Deutscher Rap ist für rechte Bewegungen interessant

Dabei galt es einst als Musik der schwarzen Jugend in den USA, später rappten auch weiße Musiker, aber der Sprechgesang fand eher in der alternativen Jugend Anklang. Die bekannten Rap-Gruppen in Deutschland verurteilten Corona-Leugner in den vergangenen Monaten eher, als dass sie ihnen Zeilen texteten. Auch interessant: Sängerin Nena unterstützt Querdenken

Doch das Video, das nun durch die Querdenken-Szene herausgebracht wurde und 18 Musiker in einem Track zusammenbringt, zeigt die Bedeutung des Raps mittlerweile auch für extremistische Gruppierungen. Und es zeigt, dass sich die Querdenken-Künstler zunehmend vernetzen.

Ein Treffen zwischen Musikern, Produzenten und Ideologen der Bewegung soll es an Ostern vor einigen Wochen gegeben haben. Offenbar diente das Zusammenkommen auch der Vorbereitung für das Video-Projekt.

Sicherheitsbehörden warnen vor Radikalisierung der Szene

In den vergangenen Monaten machte die Querdenken-Bewegung um die führenden Köpfe wie Michael Ballweg und Reiner Fuellmich immer wieder mit Demonstrationen Schlagzeilen. Mehrfach blieb es nicht friedlich, es kam zu Übergriffen auf Polizeibeamte oder Journalistinnen und Journalisten.

Die Sicherheitsbehörden warnen seit Beginn des Jahres vor einer Radikalisierung der Szene. „Viele springen ab, doch die, die bleiben, gehen immer weiter“, sagt auch der Antisemitismus-Beauftragte von Baden-Württemberg, Michael Blume, im Gespräch mit unserer Redaktion.

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Musik spielt für Querdenken eine wichtige Rolle

Geblieben ist bis zuletzt auf Demonstrationen auch immer wieder die Rap-Gruppe „Die Bandbreite“, eine Art Querdenken-Hausband die ursprünglich im Umfeld der Montagsmahnwachen aktiv war. In Naidoos neuestem Video ist sie allerdings nicht dabei. „Musik in der Querdenken-Szene ist nicht neu“, sagt der Politikwissenschaftler Josef Holnburger. Er ist Geschäftsführer des Centers für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) und beobachtet die Szene von Beginn an.

Immer wieder werde durch Auftritte von Musikgruppen und einzelnen Künstlern die Ideologie in Lieder verpackt, sagt Holnburger. „Teilweise nehmen die musikalischen Programmpunkte auf Demonstrationen der Querdenker so viel Raum ein, dass es aus den eigenen Reihen Kritik an diesen fast wie Stadtfeste anmutenden Veranstaltungen gibt.“

Holnburger sieht in dem jüngsten Video jedoch einen weiteren Beleg dafür, dass sich die Szene radikalisiert. Nicht nur würde offen Gewalt propagiert, es würden auch die szenetypischen Ideologien immer unverhohlener verbreitet. Etwa wie der eingangs erwähnte Rapper Scep, der den „tiefen Staat“ bekämpfen will – eine Warnung vor einer angeblichen Macht, die demokratisch gewählte Regierungen kontrolliere. „Dieser Mythos setzt auf antisemitischen Bildern der sogenannten jüdischen Weltregierung auf“, sagt Holnburger.

Christlicher Fundamentalismus spielt große Rolle in der Szene

Als zentrales Element in der Szene sehen Fachleute auch den Einfluss eines christlichen Fundamentalismus. Dazu passt der Auftritt des Rappers „TBurnA“ in dem Naidoo-Video. Bis 2019 taucht Gott in seinen Songs als Hilfe in schweren Lebenslagen auf – seit 2020 befindet sich Tburna im Umfeld des rechtsextremen Chris Ares.

Ein wichtiges Element in seinen Songs ist die Auslegung des christlichen Glaubens – als „Christenrap für‘s Vaterland“. TBurnA vergleicht sich gerne mal mit Johannes dem Täufer, der Deutschland vor dem drohenden Untergang warnt („Johannes der Täufer“). Ebenfalls auf „Johannes der Täufer“ rappt er: „Epstein, Clinton, Adrenochrom / der Papst, Vatikan, den der Satan bewohnt / wir jagen den Thron / Ja der Staat ist der Sohn einer Hure / verjubelte Abermillionen“, und spannt damit den Bogen zu klassischen Verschwörungserzählungen.

Xavier Naidoo hilft der Querdenken-Bewegung

Rap übt als „Gegenkultur“ nach wie vor eine starke Anziehungskraft auf vor allem junge Menschen aus. Das wissen auch Radikale. Früher verteilten extreme Rechte und Neonazis CDs vor Schulhöfen. Heute verbreiten sie die Musik über Online-Streamingdienste und soziale Netzwerke. Das Ziel ist damals wie heute dasselbe: die Szene nach innen festigen, nach außen abgrenzen. Und neue junge Mitglieder anlocken.

Für Experten wie Holnburger ist der Zeitpunkt des Rap-Videos mit Naidoo daher auch nicht überraschend. Die Querdenken-Szene steht unter Druck, die Impfkampagne der Bundesregierung zeigt Erfolg, gravierende Impfschäden in der Bevölkerung bleiben seltene Einzelfälle. Und: Zu den Querdenken-Demonstrationen kommen mittlerweile weniger Menschen. Die Bewegung braucht einen Erfolg, um im Gespräch zu bleiben. Wieder einmal hilft ihnen Xavier Naidoo.