Erfurt. Nicht nur die Opposition zeigt sich unzufrieden mit Teilen des Corona-Managements der Landesregierung. In einer Sondersitzung des Parlaments wurden Defizite benannt und Forderungen aufgemacht.

Thüringens Landtag hat weitere Hilfen für Bürger und Wirtschaft angesichts des bis Mitte Februar verlängerten Lockdowns verlangt. Corona-Blog: Ramelow rechnet noch mit "zwölf harten Wochen" - Corona-Demo unter härtesten Auflagen in Erfurt

In einer Sondersitzung des Parlaments am Mittwoch in Erfurt gab es zudem deutliche Kritik vor allem der Oppositionsfraktionen AfD, CDU und FDP an Teilen der Corona-Strategie der rot-rot-grünen Landesregierung. CDU-Fraktionschef Mario Voigt sprach von einem «Impfdesaster, Schulchaos und einer maximalen Verunsicherung der Wirtschaft». Die Sondersitzung des Parlaments war von der AfD-Fraktion beantragt worden.

Die SPD-Fraktion verlangte Gratis-FFP2-Masken für die Bürger, die nach dem Bund-Länder-Beschluss von Dienstag künftig in Bussen und Bahnen getragen werden sollen. Die CDU-Fraktion plädierte für einen Fonds, über den das Land bisher ausstehende Bundeshilfen für die Wirtschaft vorstrecken solle.

Die SPD-Abgeordnete Cornelia Klisch sagte, für Gratis-Masken müsse das Land jetzt Geld in die Hand nehmen. «Unter 20 Millionen Euro ist das sicher nicht zu machen.» Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Astrid Rothe-Beinlich, plädierte für Verbesserungen bei der Test- und Impfstrategie. Es sollte schnelle Impfangebote beispielsweise für Lehrer und freiberufliche Hebammen geben.

Millionen-Fonds für Wirtschaft und Handwerk

Nach Angaben von Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) wurden bisher knapp 80 000 Impftermine vergeben. Corona-Schutzimpfungen in Arztpraxen seien weiterhin nicht möglich - «das lassen die verfügbaren Impfstoffe nicht zu», sagte die Ministerin.

Voigt schlug vor, dass das Land einen Millionen-Fonds für die mittelständische Wirtschaft und das Handwerk auflegt. Das Land könne so die Bundeshilfen vorfinanzieren, auf deren Auszahlung die Unternehmen dringend warteten. Bei einem Teil der Hilfen gab es unter anderem wegen Problemen mit Computerprogrammen bisher nur Abschlagszahlungen. «Zahlen Sie endlich das aus, worauf die Menschen vertraut haben», verlangte auch FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich.

Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wertete den CDU-Vorschlag als «gut gemeint, aber unpraktikabel». Das Verfahren zur Auszahlung der Bundeshilfen laufe nun endlich. Ein Landesfond würde erneut Zeit kosten. Die Thüringer Aufbaubank, die als Bewilligungsstelle ohnehin stark belastet sei, bekäme eine weitere Aufgabe, «die den gesamten Prozess weiter erschweren und verzögern würde».

Auch Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) relativierte die Kritik der Opposition: Die Schuld daran, dass beispielsweise die Elternbeiträge für geschlossene Kitas bisher nicht zurückgezahlt seien, liege nicht bei der Landesregierung, sondern beim Parlament, das dafür noch nicht die Voraussetzungen geschaffen habe. Hoff griff jedoch die Forderungen nach kostenlosen Masken und einem Wirtschaftsfonds auf und sagte: «Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir das organisieren können.»

AfD-Fraktionschef Björn Höcke warf der Landesregierung Erfolglosigkeit in ihrer Corona-Politik vor. «Sie praktizieren Corona-Extremismus», sagte Höcke und erntete damit Widerspruch der anderen fünf Fraktionen. CDU-Fraktionschef Voigt nannte Höcke einen «Corona-Leugner», weil dieser zwar den Schutz von Risikogruppen, aber die Öffnung von Schulen und Geschäften verlangt hatte. Voigt: «Es ist nicht nur eine Pandemie der Hochbetagten.»

Thüringen ist derzeit das Bundesland mit den meisten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Laut Landesregierung lag dieser sogenannte Inzidenz-Wert am Mittwoch bei rund 237.