Berlin. Bei „Anne Will“ wurde diskutiert, wer für die Gewalt in Lützerath verantwortlich ist und was die Räumung für die Klimapolitik bedeutet.

Bei „Anne Will“ wurde am Sonntagabend die Räumung von Lützerath gewissermaßen nachbesprochen. „Zerreißprobe für die deutsche Klimapolitik?“, war der Talk überschrieben. Es war eine besondere Sendung, allein schon, weil es der erste Auftritt von Anne Will war, nachdem sie angekündigt hat, ab 2024 etwas anderes machen zu wollen.

Das kommentierte die Gastgeberin zwar zu keinem Zeitpunkt. Doch auch sonst hatte der Talk etwas zu bieten.

„Anne Will“ – Das waren die Gäste:

  • Greta Thunberg, Klima-Aktivistin von "Fridays for Future"
  • Luisa Neubauer, deutsche Aktvistin von "Fridays for Future"
  • Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen
  • Herbert Reul, CDU-Politiker und Innenminister von Nordrhein-Westfalen
  • Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft
  • Mojib Latif, Klimaforscher

Wer ist für die Gewalt in Lützerath verantwortlich?

Viel Zeit verbrachte die Runde mit der Aufarbeitung der Gewalt in Lützerath, die sowohl von Demonstranten als auch von der Polizei ausging. Dabei standen sich vor allem Luisa Neubauer und Herbert Reul gegenüber.

Der Innenminister von NRW argumentierte, dass der Einsatz professionell abgelaufen sei. Erzählungen von einer „wildgewordenen Polizei“ seien Unsinn. Allenfalls in Einzelfälle habe es übermäßige Gewalt gegeben, die nun auch verfolgt werde. Vielmehr sei die Eskalation von den Demonstranten ausgegangen. „Es flogen Steine und Molowcocktails.“ Das sei von den Organisatoren nicht verurteilt oder gestoppt worden.

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Letztere Kritik richtete sich direkt an Neubauer, die auch vor Ort war – und die Angelegenheit natürlich anders sah. „Das war erschreckend“, sagte sie mit Blick auf das Vorgehen der Polizei. Es habe viele Verletzte und sogar Schwerverletzte gegeben. Die meisten Demonstranten seien friedlich gewesen, das Vorgehen der Beamten hingegen unverhältnismäßig.

Öknomo Michael Hüther: „Das ist reine Symbolpolitik“

Soweit die rhetorischen Fronten, bei denen beide Seite ihre Punkte machen. Neubauer kam insgesamt allerdings durchaus unter Druck – nicht nur wegen der Gewalt, sondern allein schon wegen des Anliegens, Lützerath retten zu wollen. Schließlich handelt es sich um die Umsetzung eines demokratischen Beschlusses, der von Gerichten rechtlich bestätigt wurde.

Die Kritik am Vorgehen gegen diesen Beschluss fasste Michael Hüther zusammen. „Das ist reine Symbolpolitik“, kritisierte der Ökonom. Die Haltung sei: „Mich interessiert nicht, was der Rechtsstaat beschlossen hat. Meine Moral ist entscheidend.“

Anne Will: So liefen vergangene Sendungen

„Anne Will“: Thunberg wirft Grünen Heuchelei vor

Ein reines Symbol? Lützerath könnte mehr gewesen sein. So könnte es rückblickend für den Zeitpunkt stehen, an dem sich die Klimabewegung und die Grünen endgültig entfremdeten. Greta Thunberg fand in dieser Hinsicht im Vergleich zu Luisa Neubauer deutliche Worte.

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Während letztere verneinte, aus der Partei austreten zu wollen, attackierte Thunberg die Grünen im Interview. „Es ist heuchlerisch, was jetzt passiert: Erst wird an Demos für Lützerath teilgenommen, dann wird es geopfert“, sagte die internationale Klimaaktivistin mit Blick auf die Partei.

Die so kritisierte Ricarda Lang wusste sich zu wehren, indem sie auf den durchaus soliden Kompromiss verwies, den die Grünen erreicht haben: Lützerath fällt, dafür werden fünf Dörfer gerettet – und der Kohleausstieg kommt in NRW acht Jahre früher, 2030.

Luisa Neubauer im Gespräch mit Anne Will über die Räumung in Lützerath.
Luisa Neubauer im Gespräch mit Anne Will über die Räumung in Lützerath. © NDR/Wolfgang Borrs | NDR/Wolfgang Borrs

Neubauer: „Gibt schon großen Kompromiss: Das Pariser Klimaabkommen“

Unterm Strich offenbarte diese Ausgabe von „Anne Will“ vor allem eines: Grüne und Aktivisten sind sich beim Weg zur Rettung des Klimas nicht unbedingt einig. Denn während Parteichefin Ricarda Lang den Kohlekompromiss für NRW als kleinen Sieg pries, machte Neubauer ein gutes Gegenargument: „Es gibt schon einen großen Kompromiss: Das Pariser Klimaabkommen.“ Was für Lützerath beschlossen wurde, stehe diesem Kompromiss entgegen.

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Es ist vorstellbar, dass Lützerath für die Grünen am Ende tatsächlich so etwas wie das „Hartz-IV-Trauma“ der SPD wird: Der Moment, an dem sich die Partei zugunsten der Staatsräson von ihrem ureigenen Kern verabschiedete.

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