Essen. Von Kriegsverbrechen bis zu religiösem Wahn: Der Kieler Tatort „Borowski und das Haus am Meer“ bleibt bis zum Schluss hochspannend.

In der Regel beginnen Krimis damit, dass Ermittler am Ort eines Verbrechens auftauchen und die Erkundungsmaschinerie damit in Gang kommt. In dem Tatort „Borowski und das Haus am Meer“ von Niki Stein (Buch und Regie) jedoch läuft dem Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und der Fall-Analytikerin Mila Sahin (starker Auftritt: Almila Bagriacik) in der Dunkelheit der kleine Simon direkt vor das Auto.

Der Junge stammelt etwas von seinem Opa, den ein Wolfshund angegriffen habe, den ein Indianer aber habe töten können. Für Borowski und seine Begleitung ist das der Beginn einer höchst verwirrenden Geschichte.

Borwoski-„Tatort“ – Schneidende Stimmung, stark in Szene gesetzt

Der Zuschauer weiß zu diesem Zeitpunkt bereits sehr viel mehr. Simon, das ist der Sohn des Pastors Johann Flemming (Martin Lindow) und seiner Frau. Man sieht die Familie beim Essen, an dem auch Flemmings demenzkranker Vater (Reiner Schöne) teilnimmt und sich wieder einmal unflätig benimmt. Wie so oft sperrt ihn sein Sohn dann weg, mag er auch noch so schreien.

Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) greifen Simon (Anton Peltier) auf. Der will ihnen den Weg zu seinem Großvater zeigen.
Borowski (Axel Milberg) und Mila Sahin (Almila Bagriacik) greifen Simon (Anton Peltier) auf. Der will ihnen den Weg zu seinem Großvater zeigen. © Sandra Hoever/NDR

Allerdings ist es wohl nicht gerade erstrebenswert, an diesem Tisch zu sitzen. Es herrscht eine eher bedrückende Atmosphäre, was an der Einrichtung anfängt und bei der Penetranz des protestantischen Kirchenmannes aufhört. Die Kunst des Szenenbildners Thomas Freudenthal und des Kameramannes Arthur W. Ahrweiler kann sich hier großartig entfalten.

Wer hat den alten Mann ertränkt?

Borowski jedenfalls steckt jetzt in einem neuen Fall. Offenbar war Simon einige Zeit allein mit seinem Großvater im Haus, konnte dessen Schreien nicht mehr ertragen und hat ihm die Tür geöffnet. Dann ist er ihm wohl in den Wald gefolgt und hat dort seltsame Dinge gesehen.

Tatsache aber ist, dass der alte Mann umgebracht wurde, mit harter Hand ertränkt in flachem Wasser. Die Suche nach einem möglichen Täter erweitert sich zusehends, weil aus Dänemark ein Schiff anlegt mit der mysteriösen Inga Anderson (Jannie Faurschou), ihrer Tochter und einem Ziehsohn. Aufmerksamkeit hat sie bereits zuhauf gesammelt, als sie in der Kirche lautstark die Rückgabe ihres Mannes verlangte, allerdings ohne Kenntnis seines Ablebens.

Plot bleibt bis zum Ende spannend inszeniert

Regisseur Niki Stein baut da eine Geschichte zusammen, von der man gern mehr erfahren hätte. So etwa die Geschichte von Heinrich Flemming, der beizeiten seine Frau samt Sohn verlassen hat, und in Dänemark gemeinsam mit Inga eine reformpädagogische Bewegung gegründet hat. (Ob es die Reformpädagogik „Ulydighed“ aus dem „Tatort“ wirklich gibt, lesen Sie hier.)

Oder das Schicksal des Pfarrers, der vom Vater immer abgelehnt wurde und daheim mit dem Erbe einer Sippe leben muss, die sich mit ihrer Nazi-Ideologie noch lange gebrüstet hat.

Aber seien wir zufrieden. Der Plot, oft im finsteren Tann angesiedelt, ist ungemein spannend inszeniert, und bleibt das bis zum fast letzten Bild. Und Axel Milberg ist auch nach vielen „Tatorten“ immer noch ein sehenswerter Schauspieler, der als Kommissar wie kaum ein anderer mit Menschen umzugehen weiß.

Mehr für „Tatort“-Fans

„Tatort“: Neuer Schweiger, zweimal Münster – so wird 2020

„Tatort“: Zum Jubiläum ermitteln die Münchener in Dortmund

Ben Becker erlebt im „Tatort“ ein magisches Wiedersehen

Erster „Tatort“ 2020 mit Ermittlern aus Münster und Dortmund