Berlin. Ein bisschen Vielfalt und ganz viel Ehrgeiz: Die Finalistinnen von „Germany’s Next Topmodel“ erzählen von Träumen und Zickenkriegen.

Sie haben Grips und sie haben durchaus etwas zu sagen. Kurioserweise brennen die fünf Frauen, die da am frühen Dienstagmorgen freundlich, fröhlich und fokussiert beim Videogespräch in die Kamera strahlen, für einen Job, in dem diese Errungenschaften nichts zählen. Sie wollen „Germany’s Next Topmodel“ werden.

16 Wochen wurden sie in der 17. Staffel von Model-Matrone Heidi Klum gedrillt. Hochmotiviert und mit großer Ernsthaftigkeit haben sie jeden Nonsens mitgemacht: Sie haben sich in weißer Robe mit Tennisbällen beschießen lassen.

Sie haben sich ihren Reifrock in Brand setzen lassen und wurden als Zeiger einer überdimensionalen Uhr eingesetzt. Sie hätten sich auch in eine intergalaktische Leberwurst mit Bodypainting verwandelt, wenn es der Sache gedient hätte.

Erstmals Mutter und Tochter im Finale

Diese unbedingte Bereitschaft hat sich ausgezahlt für Lou Anne (18) und ihre Mutter Martina (50) aus Österreich, das erste Mutter-Tochter-Gespann in der GNTM-Geschichte, für die gebürtige Kongolesin Noëlla (26), für Anita (21) aus Neustadt an der Donau und für die Münchnerin Luca (20). Sie alle dürfen Donnerstagabend beim Finale in Köln gegeneinander antreten.

ProSieben überträgt live. Nahezu drei Millionen Deutsche werden dabei zusehen. Einst war die Sendung verpönt, weil man fürchtete, dass Mädchen die feste Nahrung verweigern, sobald sie ihren hyperschlanken Geschlechtsgenossinnen zuschauen.

Lächeln, was sonst? Noella, Teilnehmerin des Finales, bei einem Formel-1-Rennen.
Lächeln, was sonst? Noella, Teilnehmerin des Finales, bei einem Formel-1-Rennen. © dpa | Fabian Sommer

Inzwischen ist GNTM als „Guilty Pleasure“, also als liebenswertes Laster, auch in bildungsnahen Kreisen rehabilitiert. Die Show taugt hervorragend für eine Studie darüber, welches Frauenbild gerade gefragt ist und welche Erwartungen an junge Frauen gestellt werden.

Ehrgeiz und Disziplin im Vordergrund

Denn die Kandidatinnen, mit Castingshows und Social Media groß geworden, wissen sehr genau, diese Erwartungen zu bedienen.

Derzeit besonders wichtig: Selbstbewusstsein, Disziplin und Ehrgeiz zur Schau zu tragen. „Ich bin auf dem Bauernhof großgeworden“, sagt Anita. „Frühes Aufstehen und harte Arbeit bin ich gewohnt.“

Noëlla, die mit 13 nach Deutschland kam, hält sich mit Nervosität nicht auf: „Ich hab einfach nur Bock. Alle können mir zusehen, dass ich meine Arbeit gut mache.“ Lou Anne sagt: „Schon früher beim Friseur wollte ich meinen Job perfekt machen, weil es mir sonst peinlich gewesen wäre.“

GNTM: Das sind die neuen Models

Der „Zickenkrieg“ ist verpönt

Keine sagt: „Ich möchte einen Rockstar-Freund und viele Partys.“ Als Models wie Kate Moss für Skandälchen sorgten, waren die Kandidatinnen von 2022 hier meist noch nicht geboren.

Genauso verpönt: Der „Zickenkrieg“, der jahrelang dramaturgischer Schwerpunkt der Sendung war. „Wir waren eine sehr harmonische Truppe“, betont Lou Anne. Ihre Mutter sieht die Sendung gar als feministischen Meilenstein: „Wir haben durch GNTM gezeigt, dass Frauen sich weiterentwickelt haben und die Zickenkriege vorbei sind.“

Model-Matrone Heidi Klum mit den Kandidatinnen Laura B., Laura W., Barbara (oben, v.l.); hinten unten: Martina; Lou-Anne; Jessica (v.l.). Foto: ProSieben
Model-Matrone Heidi Klum mit den Kandidatinnen Laura B., Laura W., Barbara (oben, v.l.); hinten unten: Martina; Lou-Anne; Jessica (v.l.). Foto: ProSieben © dpa | ProSieben

Ganz so flauschig war es natürlich auch in dieser Staffel nicht immer: Noëlla etwa vergoss einmal Tränen der Scham und Überforderung, als sie von ihren Mitstreiterinnen geschnitten wurde. „Mir wird das alles zu viel“, bekannte sie damals.

Doch es war offenbar nichts, was sich nicht durch gezieltes Konfliktmanagement aus der Welt schaffen ließ. Damals hätte es Störungen in der Kommunikation geben, sagt sie heute: „Wir haben alle dazugelernt.“

Probleme macht eine Kandidatin des Vorjahres

Probleme macht aktuell allerdings Lijana Kaggwa, Kandidatin des Vorjahres: Sie behauptet, ProSieben habe Streit bewusst geschürt und die Teilnehmerinnen in ihrer Seelennot allein gelassen. Der Sender bestreitet die Vorwürfe und erwägt rechtliche Schritte.

Alle Models wieder schlank

Das dritte Zeitgeist-Phänomen: Vielfalt. Aber nur ein bisschen. Wollte Klum noch im vorigen Jahr Bewerberinnen mit Extra-Kilos, Narben oder körperlichen Einschränkungen groß rausbringen, sind die Finalistinnen dieses Jahr alle wieder schlank und eher klassisch schön, auch wenn Martina etwas älter ist und Luca etwas kleiner und Noëlla etwas dunkler.

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Denn wenn plötzlich alle gleich schön sein sollen, welchen Sinn ergibt dann ein Model-Wettbewerb? Die Karriere der Siegerin von 2021, Alex Mariah Peter, die als Mann geboren wurde, zündete nie. Schlagzeilen machte sie jetzt, weil sie aus der Aufzeichnung der ZDF-Diskussionsrunde „13 Fragen“ zum Thema Geschlechtsanpassung flüchtete. Die schroffe Art einer weiteren Teilnehmerin hätte alte Wunden aufgerissen.

Leni Klum hat es auch ohne Challenge geschafft

Von Wunden will am Donnerstag niemand was wissen. Die GNTM-Leistungsshow verkauft Träume. Ihre Botschaft: Harte Arbeit kann Träume wahr werden lassen. Oder ein guter Name: Heidi Klums Tochter Leni ist erst 18, war schon in der „Vogue“ und darf als Gastjurorin im Finale über „hopp“ oder „top“ mitentscheiden. Als Uhrzeiger verkleiden musste sie sich dafür nie.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.