Berlin. Bei “Hart aber fair“ wurde Putins jüngste Eskalation verhandelt. Bei den Waffenlieferungen gab ein Gast überraschend den Unwissenden.

Teilmobilisierung, Scheinreferenden, nukleare Drohungen: Wladimir Putin hat seinen Krieg gegen die Ukraine um ein weiteres Moment eskaliert. Der Ausgang ist ungewisser denn je, sogar das politische Ende des russischen Präsidenten scheint plötzlich denkbar.

Das Thema beschäftigte am Montagabend auch die Runde bei "Hart aber fair". "Wie hoch pokert Putin noch", war der Talk überschrieben. Es diskutierten: Die Politiker Serap Güler (CDU) und Kevin Kühnert (SPD), die Militärexpertin Claudia Major, der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, sowie der Journalist Udo Lielischkies und der Ökonom Erdal Yalçin.

"Hart aber fair": Kühnert in der Defensive

Hoch her ging es zunächst bei einem alten, aber stets relevanten Thema: den Waffenlieferungen. Dass Deutschland bei Kampfpanzern für die Ukraine nicht vorangehen möchte, brachte Kevin Kühnert in der Runde in die Defensive. Während die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich für die Lieferung des Leopard 1 im europäischen Bunde aussprachen, gab sich der SPD-Generalsekretär der Linie seines Kanzlers entsprechend vorsichtig.

Überraschend war, dass Kühnert dabei wenig argumentierte. Eine Eskalationsspirale drohe, gab er einmal zu bedenken. Und erinnerte ein anderes Mal daran, dass auch die USA bislang nicht lieferten. Abseits davon aber verlegte sich der SPD-Politiker auf eine seltsame Haltung der Unwissenheit.

"Das kann ich Ihnen nicht beantworten", sagte er exemplarisch an einer Stelle – und verwies auf das Verteidigungsministerium, dessen Expertinnen und Experten über die Waffenlieferungen entschieden hätten. Als ob der Vorgang nicht in erster Linie ein politischer ist.

Russland-Talk bei "Hart aber fair": Das bedeutet die Mobilisierung

So irritierend Kühnert in diesen Momenten war, so hilfreich war die Runde an anderer Stelle. Die Lage in Russland fasste Udo Lielischkies zusammen: "Die Mehrheit hat bislang geschwiegen, sie war unpolitisch und opportunistisch", erklärte der Journalist, der vier Jahre für die ARD aus Moskau berichtet hat. Die Mobilisierung sei ein Weckruf gewesen. "In vielen Familien ist Panik", erklärte Lielischkies.

Die Bedeutung der Teilmobilisierung für das Kräfteverhältnis an der Front erklärte Claudia Major. "Kurzfristig wird das wenig verändern", sagte die Militärexpertin. Die Rekruten müssten eingezogen, ausgestattet und ausgebildet werden. Das brauche Zeit. Zudem funktioniere das System nicht gut. "Die Truppen werden nicht super-gut ausgebildet und motiviert sein", so Major.

Zugleich warnte Major davor, sich die Situation schön zureden. Die Mobilmachung zeige, dass Putin bereit sei, einen langen Krieg zu führen. Es gehe ihm jetzt wohl schon um eine Frühjahrsoffensive 2023. Das Zeichen sei: Ich halte lange durch, länger als der Westen.

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"Hart aber fair": Meint Putin die Nuklearwaffen-Drohung ernst?

Zur Analyse Putins trug auch Wolfgang Ischinger bei. Mit der Einberufung der Reservisten gehe der russische Präsident ein enormes Risiko ein, sagte der frühere Diplomat: "Er verknüpft seine Karriere mit dem Kriegsverlauf." Das mache Putin angreifbar.

Bei der großen Frage nach dem nuklearen Eskalationspotenzial fiel die Runde schließlich erneut auseinander. Auf der einen Seite herrschte große Skepsis, ob Putin dazu wirklich bereit ist. "Diese ständige Drohung ist seine größte Waffe", sagte die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler. Allerdings gebe es bislang keine Anzeichen, dass er es wirklich ernst meine.

Auf der anderen Seite stand Kühnert, der anführte, dass verantwortungsbewusste Politik auch eine solche Eskalation abwägen müsse. An dieser Stelle hatte der SPD-Generalsekretär einen stärkeren Punkt: Putin handle seit Monaten irrational, stellte Kühnert fest. Daher müsse man alle Optionen bedenken. "Damit unterwerfen wir uns Putin nicht", befand er.

"Hart aber fair": Fazit – weit vom Rationalen entfernt

"Wie hoch pokert Putin?", darauf gab die Runde bei allen Differenzen eine deutliche Antwort: sehr hoch. Für die Ukraine und die westliche Politik werden die kommenden Wochen und Monate daher nicht einfacher werden. Von einem absolut rational handelnden Gegner ist man wohl entfernter als je zuvor in diesem Krieg.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.