Berlin. Bei “Hart aber fair“ wirkten die Gäste nach über zwei Wochen Krieg in der Ukraine ziemlich ratlos. Einer fand aber drastische Worte.

Da war selbst Frank Plasberg für einen Moment still, als auch Saskia Esken auf seine Frage nicht mehr ausschließen wollte, dass Nato-Truppen der Ukraine zur Hilfe kommen könnten: "Die Situation ist so, dass wir zu nichts ,niemals‘ sagen können", erklärte die SPD-Parteivorsitzende bei "Hart aber fair", ganz ernst.

Zwar müssten "wir alles dazu beitragen, den Konflikt schnell zu beenden und jede weitere Eskalation verhindern", relativierte Esken gleich wieder. Zu befürchten sei aber, dass diese Brutalität weitergehen werde.

Ukraine-Krieg: Wer weiß schon, wie lange die Kämpfe noch gehen?

Der Ukraine-Krieg geht in die dritte Woche. Kein Talk-Gast bei "Hart aber fair" wollte ausschließen, dass die Kämpfe noch mehrere Wochen dauern könnten. Die Vorstellung, dieser Krieg könnte noch mehrere Wochen oder gar Monate andauern, drückte sichtlich die Stimmung der Talkrunde.

Diskutiert werden sollte vor allem die Lage der Millionen Geflüchteten aus der Ukraine. "Auf der Flucht vor Putin: Wie können wir helfen?" lautete der Titel der Sendung. Doch schnell ging es um das weitere, eventuell sogar notwendige militärische Vorgehen der EU und der Nato. Ein ukrainischer Gouverneur sendete einen deutlichen Appell.

"Hart aber fair": Diese Gäste waren am Montag dabei:

  • Saskia Esken (SPD-Parteivorsitzende)
  • Katja Kipping (Die Linke)
  • Vassili Golod (WDR-Journalist)
  • Markus Kaim (Politikwissenschaftler)
  • Dirk Reinhardt (Direktor und Chefarzt der Kinderklinik am Uniklinikum Essen)
  • Sergiy Osachuk (Gouverneur und Militärchef von Czernowitz)

Ob jemand bitte auf die Pausen-Taste drücken könnte, hatte Frank Plasberg sich vergeblich schon zu Beginn gewünscht: Die – auch hier wieder eingespielten – apokalyptischen Bilder aus Charkiw oder Mariupol, die an Aleppo oder Grosny erinnerten, waren kaum auszuhalten. Wie muss erst der Bombenhagel für die Menschen vor Ort sein?

"Hart aber fair": Was steckt hinter Putins Strategie?

Was bezweckt Wladimir Putin mit dieser Plattwalz-Strategie, die Millionen zur Flucht vor ihm zwingt? Und wie lange wolle der Westen dabei nur zusehen, fragte Plasberg hart und forsch. Nur beunruhigte dann noch mehr, was er als Antwort erhielt. Mehr zum Thema: Russlands Krieg gegen die Ukraine – Wer kann Putin stoppen?

Vassili Golod, Journalist und Podcaster mit russisch-ukrainischen Wurzeln, kritisierte vor allem, wie lange "Putins Doppelstandards" vom Westen legitimiert wurden: "Der Mann zeigt nicht erst seit drei Wochen dieses Gesicht", bemängelte er – nur per Video aus Frank Plasbergs Büro zugeschaltet, weil er erst kurz vor der Sendung positiv auf Corona getestet worden war.

Rote Linie: Ab wann greift der Westen in der Ukraine ein?

Persönlich sehe er die "rote Linie" für einen militärischen Eingriff des Westens überschritten, sobald Russland biologische oder chemische Waffen einsetzte, so Gold.

Dem stimmte der Politikwissenschaftler Markus Kaim zu: "Das wäre wirklich ein Paradigmenwechsel", erläuterte der erfahrene Stratege bei Fragen der internationalen Sicherheitspolitik. Wahrscheinlich würde dann "ein Schrei durch die westlichen Metropolen gehen, irgendjemand sollte etwas tun", spekulierte er über die unvorhersehbaren Konsequenzen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Aber auch so schon erkannte Kaim in der rücksichtslosen Bombardierung der zivilen Infrastruktur eine "Handschrift der russischen Kriegsführung der letzten Jahre". Die Vertreibung von Millionen Ukrainer war für Wladimir Putin nur "ein willkommener Nebeneffekt", analysierte er: Je mehr Menschen das Land gen Westen verließen, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verteilungsstreit beginnen und die europäische Solidarität Risse bekommen könnte.

Nüchtern erwartete er solche "Friktionen, wenn die Flüchtlingszahl bei 12,5 Millionen angelangt ist."

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Linken-Politikerin: Hälfte der Geflüchteten sind Kinder

Katja Kipping, als Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales erst seit wenigen Wochen im Amt, hat derzeit zumindest mit der Verteilung in der Hauptstadt alle Hände voll zu tun: "In einem Wahnsinnswettlauf gegen steigende Ankunftszahlen" hatte Berlin in den beiden letzten Wochen 150.000 der Flüchtlinge aufgenommen.

Das entspreche 1000 Schlafplätzen pro Nacht, die zusammengesucht werden mussten, rechnete sie vor: "So viel, wie die anderen 15 Bundesländer zusammen in der ganzen Zeit angeboten haben."

Kriegsflüchtlinge stellen Helfer vor Herausforderungen

Inzwischen kämen zunehmend auch "verwundbare Gruppen", berichtete sie: Schwer Pflegebedürftige, zum Beispiel, oder 100 Gehörlose, die gemeinsam in einem Bus nach Berlin geflüchtet waren.

Oft stellten sich nicht nur die Fragen nach Bett und Versorgung. Kürzlich habe ein ukrainisch-kundiger Gebärdendolmetscher organisiert werden müssen, ergänzte Kipping als Beispiel für die Herausforderungen, vor die Verwaltung und Freiwillige tagtäglich gestellt werden.

Ukraine-Krieg: Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder

Immerhin sei "der Weckruf in der ganzen Republik angekommen, dass die Unterbringung der Flüchtlinge eine Aufgabe von nationaler Tragweite ist", erklärte Kipping. Ankommende Flüchtlinge, darunter in der Regel zur Hälfte Kinder, sollten nun nach Königsteiner Schlüssel auf das ganze Bundesgebiet verteilt werden.

Bei krebskranken Kindern klappt das bereits. Von den 110 Kindern, die gemeinsam mit ihren Müttern und Geschwistern nach Deutschland gebracht worden sind, seien 17 in Essen untergekommen, berichtete Dirk Reinhardt, Chefarzt der Kinderklinik am Universitätsklinikum im Einzelgespräch mit Frank Plasberg. Die medizinische Behandlung dieser "völlig erschöpften Kinder" sei jetzt wieder gesichert. "Aber wir müssen uns auch um ihre Traumata kümmern."

Ukrainischer Gouverneur spricht von "Völkermord"

Während in der deutschen Politik mittlerweile vor allem die Hilfe und Verteilung der Flüchtlinge zum Thema wird, wies ein spontaner Gast in der Talkshow noch einmal eindringlich auf die Lage in der Ukraine hin. Der Gouverneur und Militärchef von Czernowitz, Sergiy Osachuk, berichtete in der Sendung, dass niemand in der Ukraine in Sicherheit sei und man jederzeit mit einem Angriff rechnen müsse. "Es gibt keine ruhige Minute mehr."

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Es sei zwar wichtig, den Flüchtlingen zu helfen, doch man dürfe dabei nicht vergessen die Ursache des Leids, also Putin, bekämpfen. "Es ist ein Völkermord vor den Augen Europas. Genug der schönen Diplomatie", forderte er.

Stehe ein Haus in Flammen, würde man auch keine Reinigungskräfte schicken, sondern die Feuerwehr. Osachuk forderte daher vehement, dass westliche Staaten mehr Waffen an sein Land liefern und schärfere Sanktionen gegen Russland durchsetzen sollten.

Hier geht es zur Ausgabe von "Hart aber fair" in der WDR-Mediathek.

Das waren die vergangenen "Hart aber fair"-Sendungen