Berlin. In einer spannenden Runde diskutierte “Hart aber fair“, wie ein Friedensabkommen mit Putins Russland am ehesten zu erreichen sei.

Nach 45 Minuten machte sich Jan van Aken (Linke) "allmählich richtig Sorgen, wie hier dauernd von Sieg geredet wird". Waren wir nicht einmal ein Land, dass stolz war auf seine Friedenspolitik, fragte er sich bei "Hart aber fair". Warum glaube nun jeder, dass Waldimir Putin nur mit Waffen an den Verhandlungstisch zu zwingen war?

Keiner diskutiere mehr ein Energie-Embargo, hatte er sich schon 25 Minuten zuvor beschwert. "Putin hält diesen Krieg doch niemals durch, wenn er nicht jeden Tag mehrere Million Dollar an Öl- und Gas-Geld bekommt", glaubte er und nannte die ungeheurere Summe, die dafür seit Beginn des Krieges allein von der Europäische Union nach Moskau überwiesen wurde: 41,3 Milliarden Euro.

"Gerade Sie sind doch gegen Tempolimit und autofreie Sonntage", schoss der ehemalige Bundestagsabgeordnete dann scharf gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die dem FDP-Bundesvorstand angehörte, "dabei wären allein durch diese beiden Maßnahmen schon 300 Millionen weniger in Putins Kriegskasse."

"Hart aber fair": Diese Gäste waren dabei:

  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP-Bundestagsabgeordnete, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses)
  • Michael Thumann (Außenpolitischer Korrespondent der "Zeit")
  • Jan van Aken (Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Fragen der Sicherheits- und Friedenspolitik, von 2009 bis 2017 Außenpolitiker der Linksfraktion im Bundestag)
  • Yevgenia Belorusets (Ukrainische Fotografin, Künstlerin und Schriftstellerin, erlebte den Krieg in ihrer Heimatstadt Kiew)
  • Egon Ramms (ehemaliger NATO-General)

"Hart aber fair": Lähmt die Angst vor Putin?

An diesem Punkt der spannenden Debatte wurde es selbst Frank Plasberg zu bunt. Er fand das Argument "banal" und unterband hart, trotzdem fair weitere "Vorschläge dieser Qualität". Schließlich würden sich in der Ukraine ein Abgrund an Gewalt offenbaren, dass man nur "die Decke über den Kopf ziehen und verzweifeln möchte."

Ebenso schwer erträglich erschien Plasberg das zynische Foto vom Wochenende, auf dem Putin zum orthodoxen Osterfest eine Kerze in der Hand hielt: "Die Kerze steht für Andacht und Frieden. Der Mann steht für Angst und Schrecken", kommentierte er knapp und böse.

"Lähmt uns die Angst vor Putin?" war sein Montags-Talk übertitelt und als erstes hatte Frank Plasberg die Frage in die Runde geworfen, mit welcher Strategie ein Frieden zu erreichen war. Jan van Aken blieb mit seinem Alternativ-Angebot allein. Selbst die Zuschauer hatten sich via Gästebuch überwiegend für Waffenlieferungen ausgesprochen.

"Hart aber fair": Runde überwiegend für Waffenlieferungen

Am wenigsten überraschte die Einschätzung von Ex-Nato-General Egon Ramms. Er erwartete, "dass die Ukrainer ihr Land erfolgreich verteidigen werden". Das hieß für ihn auch, dass sie – "mit entsprechenden Mitteln ausgerüstet" – Geländebereiche im Osten und Süden zurückerobern konnten. Umso mehr verwunderte ihn das Zögern der Bundesregierung: "Nach Kriegswaffen-Exportgesetz wird ein Panzer nach den gleichen Regeln behandelt wie ein Sturmgewehr, das automatisch schießt", erläuterte er. "Daher sollte man da nicht so Riesenunterschiede machen."

Auch Strack-Zimmermann, zugeschaltet per Video, sah nur noch eine Lösung, den Krieg zu beenden: "Putin militärisch besiegen". "Wir haben es hier mit einem Menschen zu tun, der sich an keine Regel hält" und "leider nur die klare Sprache der Waffen versteht", begründete die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses ihren Medien-Einsatz der letzten Tage, mit dem sie für sofortige Waffenlieferungen wirbt.

"Der Krieg macht keine Pause, bis wir in Deutschland wissen, was wir wollen." Hinter dem "endlich" beschlossenen Ringtausch, stand auch die SPD, betonte sie. Deshalb war sie sehr optimistisch, "dass wir am Donnerstag für unseren gemeinsamen, sehr präzisen Antrag im Bundestag eine gute Mehrheit bekommen." Lesen Sie auch: Ukraine-Krieg – Diese Fehler hat Putins Armee gemacht

"Solche Feinheiten interessieren Putin nicht", erklärte Michael Thumann, Korrespondent der "Zeit" und gerade aus Moskau zurückgekehrt. In der russischen Wahrnehmung war die "Ukraine-Operation nur eine Etappe" auf dem Weg zur russischen Vorherrschaft in Europa, erläuterte er. Kriegshandlungen würde Putin nur unter zwei Bedingungen einstellen: "Wenn er merkt, er kommt nicht weiter. Und wenn er Zuhause ein vorzeigbares Ergebnis vorweisen kann", selbst wenn das nur konstruiert war.

"Hart aber fair": Rätselhafte Brandanschläge in Moskau

Die bisherigen Sanktionen wirkten noch nicht richtig: Noch waren in Moskau Läden und Lager voll, berichtete er. Selbst Cola trinken oder Handys kaufen sei möglich. Dafür kam es neuerdings zu "rätselhaften Brandanschlägen auf Registrierungszentren", wo sich die Russen zum Militär meldeten. Er deutete das als ersten Dämpfer. Dass die Ukrainer das russische Flaggschiff "Moskwa" per Raketenangriff versenken konnten, war ein "hochsymbolischer Akt", den selbst Putins Propaganda nicht wegreden konnte.

Statt Genugtuung zu empfinden, hatte die ukrainische Künstlerin Yevgenia Belorusets beim Untergang der "Moskwa" vor allem "an die Menschen von Odessa gedacht, die dadurch gerettet werden konnten."

Ohnehin empfand sie die ganze Diskussion um mögliche Friedensverhandlungen als eigenartig, wenn nicht gar "fantastisch": "Wir wissen, der Aggressor ist gegen jede Form eines Friedensabkommens", erläuterte sie. Das bedeutete leider auch, dass nur ein militärischer Stopp die unglaubliche Gewalt beenden konnte. Wie massiv sich diese auf den Alltag in Kiew auswirkte, lässt sich übrigens in ihrem kurzen Kriegstagebuch-Video auf der "Hart aber fair"-Website nachvollziehen.

Zur Ausgabe von "Hart aber fair" in der ARD-Mediathek

Dieser Artikel erschien zuerst bei waz.de.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt