Berlin. Die RBB-Talkshow „Chez Krömer“ wird abgesetzt. Warum der Berliner Komiker Kurt Krömer mit der Sendung journalistisch überfordert war.

Abgekämpft wirkte Kurt Krömer, nachdem er in der letzten Folge seiner halbstündigen Sendung „Chez Krömer“ vier Minuten vor Schluss endgültig hinwarf. Vorher hatte er sich mit dem Comedian Faisal Kawusi einen Schlagabtausch geliefert, der die Gemüter hochkochen ließ. Nicht zum ersten Mal bei dem konfrontativen Talk. Und wieder machte der Komiker bei dem journalistischen Format keine gute Figur. Er war schlicht überfordert und offensichtlich schlecht vorbereitet.

Konzept von „Chez Krömer“ ist es eigentlich, den Talkgast in einer runtergerockten Amtsstube durch direktes Angehen seiner Verfehlungen stark zu verunsichern. Bei Faisal Kawusi hat Kurt Krömer maximal einen halbgaren Versuch dazu unternommen, obwohl es reichlich belastendes Material für ein scharfes Kreuzverhör gab.

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Krömer und Kawusi: „Richtige Kacksendung“

Doch schon im Vorfeld hat der Kult-Neuköllner aus seiner Unlust keinen Hehl gemacht. An seinen Gast gerichtet sagte er: „Das wird ja heute eine richtige Kacksendung. Ihre Biografie wäre ein Schnellhefter. Ein Schnellhefter mit drei Seiten und ganz vielen Bildern.“ Für die Zuschauer fasste er dann noch mal das Phänomen Faisal Kawusi zusammen: „Kennt man eigentlich nur wegen eines schlechten Gags bei Instagram.“

Der hatte es aber in sich. Wir erinnern uns: YouTuberin Silvi Carlsson reagierte im April auf einen fragwürdigen Gag von Komikerin Joyce Ilg über K.o.-Tropfen mit den Worten: „Bin fast mal an K.o.-Tropfen gestorben. Nicht cool, Joyce“. Faisal Kawusi meinte, darunter schreiben zu müssen: „Das nächste Mal werde ich die Dosis verstärken, versprochen.“ Und erntete für den geschmacklosen Kommentar einen gewaltigen Shitstorm. Er löschte den Instagram-Post und entschuldigte sich dafür. Lesen Sie auch: Kurt Krömer – Sexworkerin nimmt den Moderator in Schutz

Kurt Krömer verliert sich in fäkalen Beleidigungen

Bei Krömer spielt Kawusi den Vorfall als olle Kamelle von vorgestern runter. Genauso wie die weiteren Vorwürfe des Gastgebers, er habe Motsi Mabuse rassistisch beleidigt und Gags von einem kanadischen Comedian geklaut, ohne dies kenntlich zu machen.

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Kawusi kommt erst mal nicht aus dem Sorry-Modus raus. Und zieht deshalb auf die Frage, warum er immer nach unten trete, seine eigene Biographie als Joker: Er sei selbst Mobbingopfer an der Schule gewesen und übrigens als in Deutschland geborener Sohn afghanischer Flüchtlinge „selbst ein Kanake“.

Das Ablenkungsmanöver funktioniert. Statt nachzuhaken, warum Kawusi mit herabwürdigenden Gags auf Schwarze und Vergewaltigungsopfer eindrischt, wirft ihm Kurt Krömer wenig argumentativ vor: „Haste ‘nen Gendefekt oder läuft irgendwas oben nicht sauber bei dir?“ Nebenher behauptet er sogar, Kawusi habe bei einem afghanischen Comedian geklaut, kann aber auf Nachfrage keine klare Quellenangabe dafür liefern.

Als sich der 31-Jährige zu den Vorwürfen äußern will, fährt ihm Krömer über den Mund und verliert sich in fäkalen Beleidigungen. Kawusi wehrt sich gegen den immer gröber werdenden Ton, wird aber von Krömer mit einem „Verpiss dich“ aufgefordert zu gehen. Eine gelungene Demontage sieht anders aus.

Nach einer halben Stunde werden die Gäste aus der Talk-Haft entlassen

Dabei hatte die Jury des Grimme-Preises, mit dem die seit September 2019 im RBB ausgestrahlte Show 2020 und 2022 ausgezeichnet wurde, noch in ihrer Begründung geschrieben: „Krömer zerlegt sie alle im Kreuzverhör und entlässt sie erst nach einer halben Stunde als sehr durchsichtige Wesen aus der Talk-Haft.“ Gelobt wurde auch die Methode. Die sei abgefedert durch seine journalistisch sauber recherchierten Attacken.

Die Comedians Kurt Krömer (links) und Torsten Sträter bei der 58. Grimme-Preisverleihung im August 2022 im Theater Marl.
Die Comedians Kurt Krömer (links) und Torsten Sträter bei der 58. Grimme-Preisverleihung im August 2022 im Theater Marl. © dpa | Rolf Vennenbernd

Wer die Sendung mit dem ehemaligen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt gesehen hat, der weiß, dass man letzteres getrost vergessen kann. Der umstrittene Journalist, dem unter anderem Machtmissbrauch und die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen gegenüber jungen Mitarbeiterinnen vorgeworfen wurden, konnte sich sogar als Opfer stilisieren, mit dem die Zuschauer Mitleid hatten. Und zwar durch unsaubere Recherche sowie mangelhafte Vorbereitung von Moderator und Interview.

Reichelt hat sich einfach auf sein Recht auf Privatsphäre berufen, während Krömer ihn im Stil des eigentlich von ihm kritisierten „Schweinejournalismus“ weiter mit Dreck bewarf. Woraufhin Reichelt sagte: „Sie benutzen Methoden, die Sie eigentlich abstoßend finden, und das macht Sie und Ihre Methoden abstoßend.“

Krömer glaubt, moralische Haltung ist wichtiger als Argumente

Dreißig Minuten lang wirkte der Komiker dabei wie jemand, der einen anderen unbedingt vorführen will und verärgert ist, dass sich derjenige nicht vorführen lassen will. Zudem eskalierte er von der ersten Minute an und wunderte sich anschließend darüber, dass er die Konfrontation nicht nur nicht weiter verschärfen konnte, sondern die Luft schnell raus war. Symptomatisch. Sobald ein Gast von Krömers Skript abweicht und eine Gegenfrage stellt, blafft der: „Ich stelle hier die Fragen!“ Mehr hat er nicht in der Hinterhand.

Differenzierte Gedanken über einen möglichen Gesprächsverlauf im Vorfeld? Fehlanzeige. Krömer glaubt, es genüge, seine Entrüstung, seine moralische Haltung vor sich herzutragen, statt mit Argumenten zu überzeugen.

Dem Komiker Krömer fehlt aber nicht nur das journalistische Handwerk, sondern, zumindest bei Julian Reichelt und Faisal Kawusi, ein ernsthaftes Interesse an seinem Gegenüber. Sein Talkgast Gregor Gysi sagte ihm in der Sendung im März: „Wenn man nicht neugierig ist, sollte man nicht Moderator sein. Man muss sich auch für Antworten interessieren und zuhören können.“ Vielleicht beherzigt Kurt Krömer diesen Rat ja für sein nächstes TV-Format. „Chez Krömer“ indes endet nach der Sendung mit Faisal Kawusi. Ein Adieu ohne Tränen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.