Berlin. Markus Lanz diskutiert über schärfere Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern. Karl Lauterbach kritisiert die geänderte Test-Strategie.

Es sollte witzig sein. „Herr Haseloff, sind Sie denn der deutschen Sprache mächtig?“, zitierte Markus Lanz am Donnerstagabend im süffisanten Ton, was Angela Merkel während der Videokonferenz der Länderchefs am gleichen Tag gefragt haben soll.

Die Antwort entpuppte sich als schwer verständlicher Humor unter Politik-Physikern: „Ja, aber die deutsche Kanzlerin muss der deutschen Sprache natürlich noch mächtiger sein, sonst wäre sie nicht Kanzlerin“, wiederholte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, live zugeschaltet aus Magdeburg, seine Antwort.

Der Streit im Kanzleramt ging jedenfalls um das Bußgeld für Maskenverweigerer. Reiner Haseloff hatte sich als einziger der 16 Länderchefs einer gemeinsamen Regelung verweigert. „Auch bei uns gibt es in vielen Bereichen eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes“, erläuterte er, „es ging nur um die Höhe, die für uns eine Verschärfung wäre, die ich bei den niedrigen Infektionszahlen niemanden vermitteln kann.“

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Reiner Haseloff (CDU): Ministerpräsident Sachsen-Anhalt
  • Christiane Hoffmann: Journalistin, „Spiegel“-Redakteurin
  • Karl Lauterbach: Politiker, SPD-Gesundheitsexperte
  • Clemens Fuest: Wirtschaftsexperte, Chef des Ifo (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung)
  • Norbert Fiebig: Ökonom, Präsident des Deutschen Reiseverbands
  • Elmar Theveßen: Journalist, Leiter des ZDF-Studios Washington

Als einer von 16 Punkten, die man bei der Konferenz abgearbeitet habe, sei das Masken-Bußgeld sowieso nur ein marginales Problem. Das Hauptproblem seien die Reiserückkehrer: Acht der neun aktuellen Infektionen in Sachsen-Anhalt seien auf Urlaubsrückkehrer aus verschiedenen Ländern zurückzuführen, erklärte Haseloff.

Man müsse deutlicher zum Ausdruck bringen, dass Reisen in Risikogebiete nicht zulässig seien, appellierte er an die Vernunft der Menschen. Reisen verbieten, wie einst in der DDR, wolle er aber natürlich niemandem. Lesen Sie hier: Alle Corona-Risikogebiete: Reisewarnungen für diese Länder

„Lanz“: US-Wahlkampf – Trump-Vize Mike Pence lügt in einer Rede 19-mal

Bevor die Talk-Runde bei „Markus Lanz“ in die extra breite Diskussion über die aktuellen Corona-Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz einsteigen konnte, hatte der Moderator aber noch kurz Elmar Theveßen vom ZDF-Studio Washington zugeschaltet. Der sollte berichten, wie der Wahlparteitag der Republikaner bislang verlief. Und welchen Einfluss die eskalierenden Unruhen in Kenosha im Bundesstaat Wisconsin darauf hätten. Lesen Sie hier: Neue Corona-Regeln – Diese Beschlüsse gab Merkel bekannt

Bund und Länder verständigen sich auf schärfere Corona-Schutzmaßnahmen

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    Wenig bis null, um es kurz zu machen. Das galt ebenso für den Erkenntniswert der etwa zehn Minuten langen Live-Schalte, die vor allem zwei Tage alte Bilder und aus Nachrichten längst bekannte News brachte.

    Interessant waren die Detailbeobachtungen des ZDF-Korrespondenten vielleicht noch für amerikainteressierte Statistiker: „Ich habe bei keinem anderen Parteitag so viele Lügen gehört“, empörte sich Elmar Theveßen maßvoll. Vize Mike Pence, zum Beispiel, habe in seiner Rede am Vortag den Delegierten 19 Lügen aufgetischt – mithin so viele wie Donald Trump bei anderer Gelegenheit.

    Trump wird zum Superpräsidenten stilisiert

    „Es wird das Bild von einem Superpräsidenten gezeichnet“, konkretisierte er. Das strahle ins Land aus und begeistere Trumps Kernklientel. „Aber viele, auch viele republikanische Wähler, kritisierten ihn, weil er kein Programm vorlegt, und wollten ihn nicht mehr wählen.“

    Ok, wollte man in Abwandlung zur kurz eingespielten Ansprache von Kimberly Guilfoyle, Lebensgefährtin von Donald Trump Jr., am heimischen TV schon in die Hände klatschen: Hope is yet to come. Etwas substanzieller hätten die Einschätzungen eines hauptamtlichen Beobachters Vorort aber schon noch ausfallen dürfen, selbst für einen spätabendlichen Polit-Talk. Lesen Sie dazu: Laut und schrill: Trump-Freundin schreit bei Parteitagsrede

    Freundin von Trump Junior macht sich lächerlich mit Rede auf dem Parteitag der Republikaner - Kimberly Guilfoyle

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      „Lanz“ läuft lahm: Zu viele bekannte Gesichter – zu viele Déjà-vu-Momente

      Die Video-Stippvisite passte zur Sendung: Es war ein lahmer „Lanz“, den die Zuschauer an diesem Donnerstag zu sehen bekamen. Mit zu vielen zu bekannten Gesichtern. Und in Teilen mit Déjà-vu-Effekt: Unmittelbar davor hatte Maybrit Illner ausführlich zum gleichen Thema getalkt, wenn auch mit leicht abgewandeltem Personaltableau. Markus Lanz hatte diesmal auf einen Virologen verzichtet.

      Dafür ging es viel um Zahlen: Karl Lauterbach, gefühlter Dauergast bei „Lanz“, versuchte zu erklären, was die Grundlage für die neuen Beschlüsse sei. „Wir müssen testen, aber das Material geht uns aus. Wir haben nicht genug Kapazitäten an PCR-Test für die Hauptbelastungszeit Herbst und Winter.“

      Karl Lauterbach bei „Lanz“: Corona-Tests für Reiserückkehrer in der Regel sinnlos

      Deshalb die Änderung der Test-Strategie, von der er selber nicht überzeugt sei: „Wenn ich den Test direkt bei Reiserückkehr mache, erwische ich zwar nicht jeden, der sich ein oder zwei Tage vor Abreise noch infiziert hat, aber immerhin 2 Prozent, die niemanden mehr anstecken können, weil sie gleich in volle Quarantäne müssen. Das ist viel.“

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        Wenn man allerdings fünf Tage warte, wie jetzt vorgesehen, sei der Test in der Regel sinnlos, erklärte der Gesundheitsexperte mit einem Rechenbeispiel: Man sei nur zwei Tage vor und vier Tage nach Auftritt der Symptome positiv. „Am sechsten oder siebten Tage ist in der Regel niemand mehr ansteckend.“

        Die fehlenden Testkapazitäten hielt Top-Ökonom Clemens Fuest für einen „Supergau“. Der Chef des ifo Instituts, der bei der Gelegenheit auf sein neues Buch „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ hinweisen konnte, glaubte, dass von Beginn an die Bedeutung des Testens unterschätzt wurde. „Man hätte sich früher vorbereiten müssen, jetzt ist es zu spät.“

        Wirtschaftsexperte bei „Lanz“: Pandemie ist wirtschaftlich Katastrophe

        Wenn wir jetzt aber feststellten, dass wir nicht mehr testen können, sei das gesundheitlich hoch riskant und wirtschaftlich eine Katastrophe: „Die Wirtschaft wird sich nur erholen, wenn diese Pandemie eingedämmt wird.“

        Einen „Zickzack-Kurs“ der Politik beklagte auch Norbert Fiebig in Bezug auf die geänderte Test-Strategie. Als Präsident des Deutschen Reiseverbands hatte er aber vor allem Probleme, den Unterscheid zwischen „Risikogebiet“ und „Reisewarnung“ zu erkennen, von der nun 160 (von 192) Länder betroffen seien, darunter Japan, Thailand, Tunesien. Lesen Sie dazu: Corona: Reisewarnung wurde für diese 160 Länder verlängert

        Corona-Pandemie bringt Reisebranche unter massiven Druck

        Das bringe die Reisebranche massiv unter Druck, die mit 2,9 Millionen Arbeitsplätzen und vier Prozent des Bruttosozialprodukts mehr umsetze als die Autoindustrie. „70 Prozent klagen über einen Umsatzrückgang von 75 Prozent“, belegte er mit Zahlen die Sorge der vielen kleinen Spezialanbieter und Reisebüros.

        Da werde „dumpf von oben“ etwas entschieden, was politisch, aber nicht sachlich begründet sei, und schon gar nicht zur Risiko-Definition des Robert Koch-Instituts passe.

        „Weil wir nicht genug Testkapazitäten haben, müssen wir die Leute entmutigen, in Risikogebiete zu reisen. Das ist die einzig logische Konsequenz“, vermutete „Spiegel“-Redakteurin Christiane Hoffmann schlicht, die – als einzige Frau in der Runde – insgesamt wenig gefragt wurde.

        So wurde die Corona-Krise bisher bei „Markus Lanz“ diskutiert: