Berlin Großbritannien will alle Corona-Maßnahmen fallen lassen. Ein Virologe schüttelte bei "Markus Lanz" den Kopf über so viel Unvernunft.
Ganz Großbritannien begeht am 19. Juli den sogenannten "Freedom Day". Der Tag markiert das Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen. Endlich Freiheit? Schluss mit Corona? Das dürfte ein gefährlicher Trugschluss sein. "Ich kann nur davor warnen, das nachzumachen, weil wir einfach nicht wissen, wie das ausgeht", sagte der Virologe Alexander Kekulé am Donnerstagabend bei "Markus Lanz".
"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:
- Thomas de Maizière, Politiker (CDU)
- Tabea Engelke, Studentin und Aktivistin
- Alexander Kekulé, Virologe
- Katharina Hamberger, Journalistin (Deutschlandfunk)
Er kritisierte den britischen Weg als "Durchseuchungsexperiment". In der Tat schnellen die Infektionszahlen in Großbritannien erneut in die Höhe - vor allem aufgrund der besonders ansteckenden Delta-Variante, die sich weltweit stark ausbreitet - auch in Deutschland. Dass die Inzidenzen hier noch vergleichsweise niedrig sind und die Bundesrepublik bislang am Zusammenbruch des Gesundheitssystems vorbeigeschrammt ist, führte den Virologen Kekulé denn auch zu der Aussage, Deutschland sei die "Insel der Glückseligen". Das Impfen müsse jetzt aber schneller vorangehen. Lesen Sie hier: Impfkampagne in Bayern: Was läuft schief im Vorzeigeland?
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Aber bitte realistisch bleiben, forderte Kekulé. "Spätestens in einem Jahr werden wir hoffentlich so weit sein können, dass wir auch die Jugendlichen impfen." In einem Jahr? Das klang bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor wenigen Tagen noch ganz anders. Kekulé mahnte: Besonders müsse auch Rücksicht auf alle unfreiwillig Ungeimpften genommen werden. "Der Staat muss diejenigen schützen, die nicht geimpft sind und ein hohes Risiko haben." Auch interessant: So gut schützt die Corona-Impfung gegen die Lambda-Variante
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„Markus Lanz“: Studierende fühlen sich im Stich gelassen
Dazu zählen auch jüngere Kinder, für die es noch keinen Impfstoff gibt. Ausbrüche in Schulen müssen gezielt erkannt und verhindert werden. "Ich finde, da kann die junge Generation jetzt nicht nochmal zahlen", sagte Kekulé. Mehr zum Thema: Karl Lauterbach - Hier lag er aus eigener Sicht falsch
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Das findet auch die Jugendaktivistin Tabea Engelke. Die 21-Jährige kritisierte die Lage der Studierenden. "Die Großraumbüros sind wieder offen, aber jetzt stehe ich vor der Situation, dass ich nicht mal mit 15 Menschen meinen Französischunterricht machen kann", sagte sie. Lesen Sie hier: Corona in den USA: Engpass bei Beatmungsgeräten in Missouri
Auch Moderator Markus Lanz schüttelte den Kopf. "Jugendliche, die wir gerade mit Riesenhalali aus Parks rausholen, und gleichzeitig feiern 60.000 Fußballfans im Stadion. Das sind Dinge, die kriege ich nicht zusammen."
"Markus Lanz": Ist die Jugend politisch unsichtbar?
Engelke warnte: Viele Studierende fühlten sich ernsthaft vernachlässigt. Die Überbrückungshilfen für Studierende seien viel zu spät gekommen. Auch die Schulschließungen kritisierte Engelke scharf.
"Ist das ein generelles Gefühl Ihrer Generation? Kümmert sich die Gesellschaft zu wenig um Sie, weil Sie als Wähler nicht mehr so relevant sind?", fragte Markus Lanz. "Es ist total schwierig Einfluss zu nehmen, weil wir keine Lobby haben", sagte die Aktivistin. Sie selbst konnte noch kein einziges Mal bei einer Bundestagswahl wählen. Auch interessant: Sicherheits-Check: Wie gut sind CovPass, Warn-App und Luca?
Das ging Ex-Innenminister Thomas de Maizière zu weit. "Studierende haben Hilfe bekommen. Wir haben zweimal einen Kinderbonus bezahlt", sagte der CDU-Politiker. De Maizière verwies darauf, dass junge Menschen sich gerade nicht in Parteien organisierten, sondern außerhalb. Für Tabea Engelke ist das kein Argument.
"Markus Lanz": Was spräche dagegen, 16-Jährige wählen zu lassen?
In ihren Augen ist die Politik "jugendverdrossen". Es gebe genug junge Menschen, die auf die Straße gingen. "Die Inhalte in den Parteien verschieben sich immer noch nicht genug“, sagte die Jugendaktivistin. Laut Engelke müssen die Parteien vor allem die Anreize erhöhen, ihnen beizutreten. Lesen Sie auch: Mallorca - Britische Touristen werden zur Urlaubs-Gefahr
"Das muss man nur wollen und bei der ersten Sitzung nicht gleich frustriert wieder weggehen", konterte de Maizière. Der Ex-Innenminister betonte, dass er sich vor allem mehr engagierten politischen Nachwuchs statt "junge Karrieristen" wünsche. "Die Besten sollten nicht von außen Druck machen, sondern in die Partei gehen."
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Demokratische Prozesse, gut und schön, aber Tabea Engelke findet: Da muss mehr Tempo rein. "Die Klimakrise steht vor der Tür“, unterstrich sie. Engelke sprach sich für die Absenkung des allgemeinen Wahlalters auf 16 Jahre aus. Sie traue der jungen Generation zu, solche wichtigen politischen Entscheidungen zu treffen. Thomas de Maizière ging dabei sogar noch weiter. "Ich wäre bereit darüber zu reden, die Volljährigkeit auf 16 zu reduzieren", sagte der Ex-Innenminister. Ein interessanter Vorstoß, den die Runde aber nicht weiter vertiefte.
"Lanz": Studentin arbeitet sich an der CDU ab
Tabea Engelke arbeitete sich aber auch am Wahlprogramm der CDU ab: zu unfortschrittlich, zu ungenau und vor allem zu Industriefokussiert. "Es ist ungenügend", bilanzierte sie. Thomas de Maizière ließ das nicht auf sich sitzen. "Wir sind eine Volkspartei der Mitte. Wir wollen bis 2045 klimaneutral sein, aber als Industrieland", erklärte der CDU-Politiker. Engelke empörte sich: "Die CDU hatte 16 Jahre Zeit. Warum sollte ich als junger Mensch der CDU auf einmal glauben?"
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