Berlin. Die Gaspreise steigen, die Strompreise jetzt auch: Eine Expertenrunde erklärte Markus Lanz, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt.
In fünf bis zehn Jahren wird sich herausstellen, dass die Gaskrise für Deutschland von Vorteil war: Marcel Fratzscher jedenfalls klang optimistisch, als er bei „Markus Lanz“ die Bundesregierung aufforderte, „jetzt die richtigen Schlussfolgerungen“ zu ziehen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu verstärken: „Die Transformation muss massiv beschleunigt werden“, forderte er. „Wie haben schon viel zu lange damit gewartet.“
Als Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte er das ganze Bild im Sinn. Statt über „Gratismentalität“ zu meckern wie Bundesfinanzminister Christian Lindner, als er Wünsche nach einem dauerhaften 9-Euro-Ticket abschmetterte, wünschte sich der Ökonom eine umfassende Strategie: In jede Kostenrechnung sollten zukünftig die Schäden an Klima, Umwelt und Gesundheit eingepreist werden.
„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:
- Alexander Graf Lambsdorff, Politiker (FDP)
- Marcel Fratzscher, Ökonom
- Anja Maier, Journalistin ("Die Zeit", "Weser Kurier", und andere)
- Kathrin Witsch, Journalistin
„Markus Lanz“: Fossile Energieträger zu stark subventioniert
„Preise müssen die Kosten widerspiegeln“, erklärte er das einfache Prinzip der Marktwirtschaft, bisher aber galt bei fossilen Energien – auch in Bezug aufs Autofahren – noch: Diesel war klimaschädlicher, aber billiger als Benzin. Das Dienstwagenprivileg führte zu Steuerausfällen von 3 bis 4 Milliarden pro Jahr. „Und warum waren die Autobahnen gratis?“, fragte er sich. „Insgesamt“ beklagte er bei „Markus Lanz“, „subventionieren wir fossile Energieträger mit jährlich 65 Milliarden Euro.“
Die Bundesregierung kritisierte er außerdem dafür, bei ihren Bürger-Entlastungsvorschlägen bisher „nur Stückwerk“ geliefert zu haben. Schließlich seien von der Inflation nicht nur Haushalte mit niedrigen Einkommen betroffen, drei bis vier Mal so stark wie Normalverdiener. „40 Prozent der Menschen in Deutschland sind ohne Rücklagen“, ergänzte er. Viele von ihnen würden sich überschulden, befürchtete er, wenn die Gaspreise, wie erwartet, bis 2024 weiterstiegen.
Während sich das Kabinett zur Klausur in Meseberg zurückzog – „schon das dritte Mal in sechs Monaten“ (Markus Lanz) – und am ersten Tag des Treffens wenig über konkrete Ergebnisse zu berichten war, gehörte der „Lanz“-Abend am Dienstag ganz den Erklärungen von Energiekrise und explodierenden Heizkosten. Warum aber schoss plötzlich auch der Strompreis in die Höhe, „um bis zu 3.000 Prozent“, wollte der Moderator wissen?
Kathrin Witsch, beim „Handelsblatt“ zuständig für alle Fragen rund um Erneuerbare Energien, Klima und Nachhaltigkeit und erstmals bei „Markus Lanz“ zu Gast, erklärte, wie Gas- und Strompreis gekoppelt sind. „Das teuerste Kraftwerk setzt den Preis“, bestätigte sie. Das galt für den gesamten Europäischen Markt und hatte sich „ganz gut austariert“, bis jetzt die Krise kam.
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„Markus Lanz“: Niedrigwasser stoppt französische AKW
Weil es nicht genug Erdgas auf dem Weltmarkt gab, waren die Gas-Preise in den letzten anderthalb Wochen schon durch die Ankündigung Wladimir Putins gestiegen, die Nordstream-1-Pipeline wegen erneuter Wartung für drei Tage zu schließen.
Aber nicht nur deshalb: Die AKW in Frankreich mussten wegen Niedrigwasser und Wartung runtergefahren werden. „Frankreich braucht unseren Strom, das erste Mal seit Jahren“, erläuterte sie weiter, „deshalb brauchen wir mehr Kapazitäten.“ Ab November, versprach sie sich, würden nicht nur die teuren Gaskraftwerke den Strom liefern, sondern wieder mehr und verschiedene Energieerzeuger dazukommen. Dann würde sich die Lage voraussichtlich auch wieder entspannen.
Alexander Graf Lambsdorff, von Markus Lanz als „mitfühlender Liberaler“ und „gelernter Diplomat“ umschmeichelt, stimmte zu: „15 bis 20 Prozent des Gases wird in Deutschland in Strom umgewandelt“, bestätigte er. Das war – im Mai und Juli – so viel, wie nie zuvor.
Deshalb war für ihn „das Gebot der Stunde, jetzt möglichst viele Kohlekraftwerke wieder ans Netz zu bringen“ und die drei noch bestehenden AKW über den Winter hinaus laufen zu lassen. Damit wollte er „keine ideologische Debatte eröffnen“, versicherte er. „Wir müssen das Angebot vergrößern. Für diesen Winter hilft ein weiterer Ausbau der Erneuerbaren nicht mehr.“
„Zeit“-Politikredakteurin Anja Maier nickte: „Was die Koalition aber versichern können muss, ist, dass es tatsächlich nur für eine bestimmte Übergangsphase sein muss“, schränkte sie ein. Den kürzlichen Vorschlag von Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), jetzt auch noch neue Atomkraftwerke zu bauen, fand sie gar dreist: „Das ist uns doch allen klar, dass das eine völlig rückwärtsgewandte Technologie ist.“
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