Berlin. Von Impf-Debakel bis Masken-Affäre: Der „Gesundheitsminister der Herzen“ stritt bei „Lanz“ mit anderen über politische Schwachstellen.

  • Bei "Markus Lanz" wurde am Donnerstag über den Astrazeneca-Impfstoff diskutiert
  • Virologe Kekulé warnte in der Runde - Markus Lanz schienen seine Aussagen nicht ganz zu gefallen
  • Auch Karl Lauterbach widersprach den Aussagen des Virologen

„Als Bundesgesundheitsminister hätte ich wahrscheinlich erst die EMA-Entscheidung abgewartet“, erklärte Karl Lauterbach bei „Markus Lanz“. Das klang nicht zufällig wie eine Bewerbung um ein zukünftiges Amt.

Der „Gesundheitsminister der Herzen“ (Markus Lanz), zeigte sich nicht nur „sehr zufrieden“ mit der Entscheidung der EU-Arzneimittelagentur (EMA), die wenige Stunden zuvor eine Weiterimpfung mit dem britischen Impfstoff von Astrazeneca empfohlen hatte. Er war auch wieder so gut informiert, wie man sich das von einem Minister nur wünschen konnte. Lesen Sie dazu: Lauterbach als Gesundheitsminister? Fans fordern Jobwechsel

Der SPD-Gesundheitsexperte erschien sowieso wie der gute Geist von der Videowand: Überdimensional groß zugeschaltet aus Berlin, überstrahlte sein Gesicht an diesem Donnerstagabend alle Anwesenden im „Lanz“-Studio – vor allem aber den zweiten Pandemie-Experten, in dessen Rücken er saß: Alexander Kekulé. Der hatte das britische Vakzin schon einmal als „Impfstoff 2. Klasse“ bezeichnet. Nun unterstellte er ebenso flott, die EMA habe sich bei ihrer Entscheidung einem politischen Druck gebeugt.

Hirnvenenthrombose sorgt für Impf-Stopp mit Astrazeneca

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    "Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

    • Karl Lauterbach (SPD), Politiker
    • Alexander Kekulé, Virologe
    • Cerstin Gammelin, Journalistin
    • Tilman Kuban, Politiker (CDU)
    • Gregor Peter Schmitz, Journalist

    Falsch, befand Karl Lauterbach ausdrücklich: „Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese spezifische Thrombose-Form auf den Impfstoff zurückgeführt werden kann, ist diese Nebenwirkung so selten, dass der Nutzen der Impfung überwiegt“, erklärte er: 1 Fall auf 100.000 Impfungen.

    Die EMA-Entscheidung sei nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgt, allgemeine Thrombosen seien nicht beobachtet worden, beruhigte er. Und überhaupt: Astrazeneca sei ein sehr guter Impfstoff, er wirke besser als in den Studien angenommen, „meistens ist das andersherum“. Lesen Sie dazu: Astrazeneca-Impfstoff: Was es mit der Thrombose auf sich hat

    So hatte der von den Medien oft gefragte Virologe aus Leipzig keinen einfachen Stand. Egal, was er anmerkte, im Vergleich zu den konkreten Entgegnungen seines Epidemiologie-Kollegen wirkte es, als mache Alexander Kekulé in dieser Runde den „Apokalyptischen Reiter“ (Markus Lanz).

    Thrombosenfälle bei Astrazeneca nur „die Spitze eines Eisbergs“?

    18 Fälle seien bisher in Deutschland bekannt, berichtete Kekulé, aber niemand könnte bisher sagen, ob das nicht doch nur „die Spitze eines Eisbergs“ sei. Dass gerade in Deutschland so viele Fälle entdeckt wurden, liege womöglich daran, welche Gruppen hier mit Astrazeneca geimpft würden: überwiegend Jüngere.

    „Wir müssen es schaffen, die Entwicklung der Inzidenzen von den Todesfällen zu entkoppeln“, empfahl er daher. Und war damit wieder dicht bei der Forderung seines Epidemiologie-Kollegen: Alle Impfstoffe einsetzen, aber „die Alten sofort impfen“, da die Todesfälle vor allem diese Altersgruppe beträfen.

    „Damit wäre die Junge Union erst zum Schluss dran“, schaffte Markus Lanz einen halbwegs eleganten Übergang zum zweiten Thema des Abends, als er sich mit seiner flapsigen Bemerkung an Tilman Kuban wandte.

    Der Bundesvorsitzende der Jungen Union war eingeladen, um zur Masken-Affäre seiner Partei Stellung zu nehmen. Dafür nutzte er auffällig oft die Chance, Jens Spahn zu verteidigen: Ihm werde Unrecht getan. Zum Beispiel lasse man ihn mit seinen Schnelltest-Ankündigungen „am langen Arm verhungern, weil die Länder es nicht schaffen, rechtzeitig die Testzentren einzurichten“.

    Markus Lanz will wissen: „Wer hat’s vermasselt?“

    Markus Lanz ließ sich ebenso wenig beirren wie die beiden eingeladenen Journalisten, die den aktuellen Bundesgesundheitsminister wegen seines Vorpreschens ebenso kritisierten, wie für seine einsame Entscheidung, Masken durch die Apotheken verteilen zu lassen.

    „Wer hat’s denn sonst vermasselt?“, hakte Markus Lanz nach und wollte Namen wissen, die verantwortlich für die Debakel waren. „Am Ende haben da viele Köche mitgewirkt“, wehrte sich Kuban ungenau.

    Dass er dann schockiert war, dass einzelne Unions-Politiker aus der Krise ihre finanziellen Vorteile ziehen wollten, überraschte da wenig. Eher noch seine Wortwahl, wenn er von „Beratungsbuden“ sprach, mit denen MdBs oft Consulting-Dienste anboten, ohne über spezifisches Fachwissen zu verfügen. „Was wollen Politikwissenschaftler da beraten?“

    Wer Nebenverdienste von 100.000 Euro hat, habe sich „von normalen Menschen abgekoppelt“

    Leicht im Ton, aber kritisch im Inhalt, zog die muntere Diskussion weiter Bilanz, welche politischen Schwachstellen die Pandemie nach einem Jahr offenlegte: eine schwerfällige Bürokratie, die pragmatische Lösungen verhinderte. Und auch „Schattenreiche“, die immer noch viel Spielraum zur Abgeordneten-Bestechung gaben.

    „Da dachten wir, wir müssten nach Panama“, erklärte Cerstin Gammelin ironisch, indem sie auf den letzten Steuerflucht-Skandal anspielte, in den Politiker verwickelt waren, „aber wir müssen nur nach München fahren“.

    Die stellvertretende Redaktionsleiterin der Parlamentsredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ wunderte sich ohnehin, wie über Nebeneinnahmen der Abgeordneten diskutiert werde. Sie erkannte dabei ein strukturelles Problem: „Die Unions-Fraktion war es, die da über Jahre eine Transparenzregelung verhindert hat“, monierte sie. Wer von Nebenverdiensten von 100.000 Euro spreche, habe sich bei solchen Summen ohnehin „von normalen Menschen abgekoppelt.“

    „Größte Krise seit dem 2. Weltkrieg“

    „Corona spaltete die Gesellschaft wie nichts anderes“, befand auch Gregor Peter Schmitz. Der Chefredakteur der „Augsburger Allgemeinen“ mochte auch gar nicht mehr von Einzelfällen sprechen, die sich an der „größten Krise seit dem 2. Weltkrieg“ zu bereichern versuchten.

    Zwar wollte er ebenso wenig alle Politiker, die im letzten Frühjahr Tipps zur Maskenbeschaffung an den Bundesgesundheitsminister weitergeleitet hatten – wie zum Beispiel auch die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier –„in einen Topf werfen“. Aber die paar Wenige hätten, getrieben von Gier und Geld, einen ganzen Berufsstand in Verruf gebracht.

    Dann berichtet er über den neuesten Fall, bei dem der ehemalige Justizminister von Bayern, Alfred Sauter, so stark unter Beschuss stand, dass die CSU ihn nun aufgefordert habe, alle Parteiämter niederzulegen.

    Gegen den bekannten „legendären Strippenzieher“ und Juristen ermittelte inzwischen die Generalstaatsanwaltschaft: In der CSU-Masken-Affäre soll Alfred Sauter die Verträge für den inzwischen zurückgetretenen den Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein entworfen und dafür ein Honorar von 1,2 Millionen eingestrichen haben.

    Zwar habe er diese „Vertragsgebühr“ inzwischen gespendet – doch ausgerechnet an eine Stiftung, deren Vorsitzender eben jener Lobbyist war, der den Masken-Deal eingefädelt hatte. „So bleibt es doch wieder irgendwie in der Familie“, kommentierte Gregor Peter Schmitz sarkastisch. „Das ist eine Frage des Anstands“, befand er. Und nicht nur, was juristisch gerade noch machbar sei.

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