Berlin Bei „Markus Lanz“ sprach Robert Habeck über die Plagiatsvorwürfe gegen Annalena Baerbock. Dabei räumte er Kommunikationsfehler ein.
Zehn Wochen vor der Bundestagswahl liegen die Umfragewerte der Grünen erstmals seit langem unter 20 Prozent. Wegen nicht gemeldeter Nebeneinkünften, veränderter Lebenslaufdaten und mehrfacher Plagiatsvorwürfe gerät Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock immer wieder in die Kritik. Steht der Partei ein Rücktritt Baerbocks bevor? „Das wird nicht passieren“, sagte Co-Parteichef Robert Habeck am Mittwochabend bei „Markus Lanz“ - und musste sich für einen weiteren Parteikollegen rechtfertigen.
Noch vergangene Woche hatte nämlich der Grünen-Politiker Oliver Krischer bei „Markus Lanz“ nicht nur gegen CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ausgeteilt, sondern ging auf vergeblichen Verteidigungskurs. Im Fragenhagel von Moderator Markus Lanz brachte sich Krischer selbst in eine ausweglose Situation. Zwischen Verharmlosung und Zurückweisung der Vorwürfe bezeichnete er die Anschuldigungen als „Lappalie“ und Baerbocks Buch als „super klasse“.
"Markus Lanz": Diese Gäste waren am Mittwoch dabei:
- Robert Habeck, Politiker (Die Grünen)
- Helene Bubrowksi, Journalistin („FAZ“)
- Diana Zimmermann, Journalistin (ZDF)
- Prof. Peter Kremsner, Infektiologe
Habeck räumt bei „Markus Lanz“ Fehler ein
Nun musste Robert Habeck zu diesem Auftritt Stellung beziehen. „Das war ein Fehler, einer der ärgerlich ist. Natürlich ist das auch passiert, weil es für die Parteispitze eine schwierige Situation war, und dann liegen die Nerven manchmal auch blank“, sagte Habeck über den Auftritt des Vize-Fraktionschefs. Fehler gab es laut Habeck in letzter Zeit einige.
Man habe sich kommunikativ verrannt und unangemessen verhalten. „Viel unserer Arbeit bestand darin – ich sag's mal mit meiner Sprache - den Menschen keinen Scheiß zu erzählen“, ergänzte Habeck. Und trotzdem meldete sich der Co-Parteichef erst verspätet zu Wort. Auch interessant: Bundestagswahl: Wird es doch eine Regierung ohne Grüne?
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Robert Habeck bei „Lanz“: „Shit happens“
Er sei in der „wilden Natur“ gewesen und habe nicht alle Details nachverfolgen können. Dafür folgten am Mittwochabend eine Menge Eingeständnisse: „In der Woche war der Kernfehler, an einer Stelle, wo wir nicht im Recht waren, den anderen politischen Mitbewerbern, der Öffentlichkeit, der journalistischen Berichterstattung quasi eine moralische Diskreditierung zu unterstellen“.
Doch Moderator Markus Lanz wollte es genau wissen. „Was war der erste Gedanke, als Sie hörten, was das für Vorwürfe sind, die da im Raum stehen?“, fragte Lanz im Hinblick auf Baerbocks Plagiatsvorwürfe. Habeck ließ sich allerdings nicht aus der Ruhe bringen. „Soll nicht, ist nicht gut, aber bei den ersten Stellen habe ich gesagt, na gut, shit happens“, entgegnete er gelassen.
„Niemand schreibt ein Buch allein“ lautete die Aussage Baerbocks, die Robert Habeck zwar mit einer gewissen Distanz, allerdings doch verteidigend kommentierte: „Alle schreiben allein, aber natürlich ist niemand solitär.“ Insbesondere politische Bücher schreibe man in einem Echoraum. „Es war ein Fehler, Quellen in der Menge nicht auszuweisen“, räumte er nachträglich ein.
„Markus Lanz“: Politiker machen auf „dicke Hose“
Besonders problematisch sei in der Diskussion um die Plagiatsvorwürfe demnach auch der Anspruch an politische Sachbücher. „Es ist eine Gratwanderung. Politische Sachbücher sind eine merkwürdige Gattung“, erklärte der Grüne-Politiker. Verharmlosen wolle Habeck die Situation damit allerdings nicht. Vielmehr gehe es allerdings auch um die Korrektur, die von Annalena Baerbock und dem Verlag nachträglich vorgenommen wird.
Ob Baerbock eigentlich eine Hochstaplerin sei, wollte der Moderator wissen. „Annalena Baerbock ist eine Frau, die von Leidenschaft für ihre Themen durchdrungen ist“, erklärte der Co-Parteichef. „Hat das auch mit mangelnder Demut zu tun?“, bohrte Lanz weiter.
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Habeck will Vertrauen zurückgewinnen
„Das müssen Sie am Ende Annalena fragen“, sagte Habeck. Es gebe allerdings schon einen inneren Drang in der Politik, gut zu erscheinen: „Umgekehrt gibt es natürlich, weil man permanent beurteilt wird, eine Art Verführbarkeit, bisschen dicke Hose zu machen“.
Im Fokus stehe allerdings momentan die Rückgewinnung von Vertrauen. „Wir haben Vertrauen verloren, wir müssen Vertrauen wieder aufbauen. Das ist eine immense Aufgabe“, stellte Habeck fest. Dennoch glaube der Co-Parteichef nicht, dass dies irreparabel sei und zeigte sich positiv gestimmt: „Nun geht’s erst richtig los“.
„Lanz“: Annalena Baerbock und ihr Streberimage
Die Journalistin Helene Bubrowski warf Annalena Baerbock ein Streberimage und eine Detailversessenheit vor, die ihr jetzt zum Verhängnis werden. Baerbock hätte sich selbst als „Sauberfrau“ und „Korinthenkackerin“ inszeniert.
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„Das ist natürlich das ganze Problem, dass die das Streberimage hatte. Momentan hat man den Eindruck, irgendwie alles was sie anfasst, irgendwo stellen sich da Fragen. Irgendwann bleibt von diesem Bild nicht mehr viel übrig“, betonte Bubrowski.
„Da wird jemand besonders hart angegriffen, weil er eine Frau ist. Zutreffend oder nicht?“, warf Lanz in die Runde. „Ja und nein. Ich glaube das stimmt, dass Frauen manchmal mehr aushalten müssen“, sagte Bubrowski. Allerdings müsse man die Kritik aushalten, wenn es um faktische Fehler gehe. Sexualisierte Anspielungen in Form von Informationskampagnen kritisierte die Journalistin scharf.
„Markus Lanz“: Muss Baerbock zurücktreten?
In Anlehnung an die Plagiatsvorwürfe spielte Markus Lanz einen Clip von US-Präsident Joe Biden, der 1988 eine Rede des britischen Abgeordnete Neil Kinnock plagiierte. „Wissen Sie was passiert ist? Er ist zurückgetreten“, betonte der Moderator. Lesen Sie auch: Was andere Kanzlerkandidaten verbockt haben.
Robert Habeck, der direkt verstand, auf welche Frage die Aussage hinauslaufen sollte, dementierte einen Rücktritt Baerbocks. „Politisch wäre es falsch. Wenn man sich um so ein Amt bewirbt eine Verantwortung übernimmt, die auch eine Bindung nach sich zieht“, sagte Habeck.
Und trotzdem versuchte Lanz, den Grünen-Politiker aus der Reserve zu locken: „Würden Sie antreten, wenn es dazu käme?“. Habeck bezeichnete sich selbst als jemand, der „gerne die Verantwortung getragen hat“. Ziel sei es allerdings den Wahlkampf mit der Aufstellung von Annalena Baerbock erfolgreich abzuschließen.
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