Berlin. In Pornos wirkt Sex oft banal. Die Doku „Mütter machen Porno“ soll ein anderes Bild zeichnen. Kann ein Aufklärungsfilm erotisch sein?

Den meisten Eltern würde sich wahrscheinlich der Magen umdrehen, wenn sie wüssten, welche Pornofilme ihre Kinder konsumieren. Denn selten vermitteln Videos, die auf Seiten wie Pornhub und Co. zu finden sind, ein realistisches Bild vom Geschlechtsverkehr zweier Menschen. Respekt gegenüber dem Partner, Pannen, Gleichberechtigung? Fehlanzeige – bei den meisten herkömmlichen Pornos.

Wie sollen also Jugendliche wie die Kinder der fünf Frauen in der Sat.1-Dokumentation „Mütter machen Porno“ ein natürliches Verhältnis zur Zweisamkeit finden? Die Idee der Doku ist eigentlich banal: Was wäre, wenn es nicht das unangenehme Gespräch gäbe, sondern stattdessen Mütter einen Erotikfilm produzieren?

„Mütter machen Porno“: Sat.1-Doku mit ehrbaren Zielen

Die Ziele sind dabei sehr ehrwürdig: „Wir wollen zeigen, dass Liebe auf Augenhöhe und mit Einverständnis stattfindet“, erklärt Karina, Mutter von vier Söhnen. Sex sei eben nicht nur „Rein, raus“ und die meisten Menschen würden bei ihrer Körperform auch nicht mit Silikon nachhelfen, heißt es mehrfach in beiden Folgen der Dokumentation.

Doch auf eigene Faust einen Porno zu produzieren, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein realistisches Bild von Sex vermittelt, bringt nicht nur die Mütter in der Doku an ihre Grenzen. Als Zuschauerin drängt sich die Frage auf, ob dieses Projekt, das bei Sat.1 unter dem Zauberwort „Sexucation“ läuft, tatsächlich das ist, was sich Heranwachsende wünschen, wenn es um Aufklärung geht.

„Mütter machen Porno“ bei Sat.1: Die Mütter Mirjam, Karina, Jasmine, Britta und Bianca begutachten ihr Werk.
„Mütter machen Porno“ bei Sat.1: Die Mütter Mirjam, Karina, Jasmine, Britta und Bianca begutachten ihr Werk. © dpa | Marvin Kochen

Porno „Vanilla X“: Wollen Kinder das von ihren Eltern wissen?

Während Eltern die erotischen Sehgewohnheiten ihrer Kinder für bedenklich halten – den ersten Porno sieht ein Kind heutzutage im Durchschnitt bereits im Alter von elf Jahren – werden wohl viele Jugendliche den Kopf schütteln, wenn es darum geht, dass Eltern „zeigen“, wie denn nun Sex zu funktionieren hat.

In der Dokumentation finden es die Kids der fünf Mütter natürlich cool. Und die, die alt genug sind, um den Porno sehen zu dürfen, sind nach der Abschlussvorführung des entstandenen Erotikfilms „Vanilla X“ selbstverständlich begeistert. Karina sagt stolz über ihren Sohn, er habe die „Message“ verstanden.

„Mütter machen Porno“: Über der Erotik schwebt der erhobene Zeigefinger

Doch was wird ein einziger Film, der „normalen Sex“ abbilden soll, überhaupt verändern? Porno-Clips jeglicher Art sind im Netz für jeden zahlreich, jederzeit und meist kostenfrei zugänglich. Der mahnende Zeigefinger der Mütter, der über dieser Adaption des britischen „Mums make porn“ hängt, wird wohl kaum zu Beliebtheit führen.

Auch dass die Mütter sich in der zweiten Folge der Doku-Reihe Hilfe von Erika Lust holen, die als Pionierin der feministischen Pornografie gilt, nimmt der Produktion kaum das Erzieherische. Zumal sich die fünf Produzentinnen bei Lust so viel abgucken, dass man sich fragt, ob da nicht irgendwie Ideenklau betrieben wird.

Sat.1-Doku: Bei der Erotik-Messe „Venus“ werden die Gesichter verzogen

Beim Dreh eines herkömmlichen Pornos verziehen die Mütter dagegen nur die Gesichter. Und in der ersten Folge wird eine Domina auf der Erotik-Messe „Venus“ mit den Worten „widerlich“ abgestraft. Den größten Streit gibt es, als sich zwei aus Fünfergruppe doch vorstellen können, einen Dreier zu inszenieren.

Dass sexuelle Fantasien und Bedürfnisse sich nicht auf das klassische Mann-Frau beschränken müssen, scheint aber schon durchgesickert zu sein. In einer Party-Szene am Anfang von „Vanilla X“ soll auch homosexuelle Liebe gezeigt werden. Motto: „Das gehört heute dazu.“

„Mütter machen Porno:“ Die bessere „Sex Education“ gibt es bei Netflix

Keineswegs ist es schlecht, dass „Mütter machen Porno“ den Versuch wagt, einen „guten“ Erotikfilm zu produzieren. Die Dokumentation problematisiert zu Recht, dass Pornos bei vielen Jugendlichen ein falsches Bild von Sexualität manifestieren. Studien belegen, dass die meisten pornografischen Inhalte die Bedürfnisse des Mannes priorisieren und gleichzeitig Frauen herabwürdigen.

Doch eine moderne Auseinandersetzung mit Sexualität, wie sie Erika Lust für Erwachsene anbietet, verlangt nach dem richtigen Format, nach Augenhöhe. Mütter, die einen Porno drehen – das ist davon leider soweit entfernt, wie es für Pubertierende wohl nur geht. Dieser Eindruck entsteht auch, weil es mittlerweile Angebote gibt, die den Job viel besser machen.

Da wäre beispielsweise die erfolgreiche Netflix-Serie „Sex Education“, in der der jugendliche Sohn einer Sex-Therapeutin sich der intimen Probleme seiner Klassenkameraden annimmt. In der gezeigt wird, dass das erste Mal meist alles andere als atemberaubend ist und dass jeder Mensch unterschiedliche Vorlieben haben kann. Und natürlich, dass man unter Gleichaltrigen über Sex auf eine lockere, respektvolle Art reden kann.

Dagegen wirkt die Sat1-Doku fast altbacken und konventionell. Denn was ist schon „normaler“ Sex? Und warum sollten ausgerechnet Eltern das festlegen dürfen?

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Pornos sind in der digitalen Zeit so leicht verfügbar wie nie zuvor. Ein Medienregulierer wollte Sex-Portale weniger zugänglich machen: Porno-Portalen droht Sperre – Wissenschaftlerin übt Kritik. Doch nicht nur Kinder und Jugendliche sollten das Geschehen in Pornos kritisch hinterfragen und einschätzen können, sondern auch Erwachsene. Forscher: Wer Pornos schaut, hat öfter Erektionsstörungen. Ganz andere Porno-Probleme hatte dagegen kürzlich ein italienisches Pärchen. Sexvideo in Tempelstadt: Ärger für Touristen nach Porno-Dreh.