Leipzig. Der eiskalte Täter im neuen „Tatort“ aus München ist ein erst 13 Jahre alter Junge. Wie oft kommt es in der Realität zu solchen Taten?

Der „Tatort“ aus München beginnt idyllisch: Vorstadt, große Häuser, große Gärten. Elektrische Rasensprenger, blanke Fensterfronten, gepflegte Auffahrten. Doch die Harmonie wird in „Lass den Mond am Himmel stehn“, dem neuen Fall von Batic und Leitmayr, schnell zerstört. Denn ein dreizehnjähriger Junge wird in der Isar tot aufgefunden.

Die Welt der Familie Kovacic zerbricht am Tod des Sohnes. Für die Ermittler liegt das Motiv für den Mord an Emil erstmal auf der Hand: Seine Handyspur endet an einem Parkplatz, der als Treffpunkt für anonymen Sex bekannt ist. Die Leiche wird etwa zwanzig Kilometer entfernt in der Isar gefunden. Da das Smartphone jedoch weder am Parkplatz noch am Tatort auftaucht, vermutet die Polizei, dass Emil auf dem Parkplatz etwas Kompromittierendes gefilmt hat.

„Tatort“ München: Verstörender Fall mit einem Täter, der nicht belangt werden kann

Die Hauptkommissare Batic und Leitmayr schlagen sich bei ihren Ermittlungen durch ein Dickicht aus Geheimnissen – bis sie erkennen müssen, dass sie vollkommen in die falsche Richtung ermittelt haben. Der Mord hat weder etwas mit dem Parkplatz, noch dem Verhältnis des Stiefvaters zu der Schwester von Emils bestem Freund zu tun.

Eben jener beste Freund, Basti, erschlug Emil nämlich aus Affekt mit einem Skateboard. Das Opfer hatte gerade die Runde beim Zocken gewonnen. Bastis Eltern vertuschen den Mord und heucheln der befreundeten Familie Kovacic Fassungslosigkeit und Mitgefühl vor. Belangt wird am Ende niemand – Basti ist nicht strafmündig, die Eltern haben die Vertuschung ihm zugunsten begangen.

Der neue „Tatort“ aus der bayerischen Hauptstadt verstört – und wirft die Frage auf, wie häufig Kinder tatsächlich Straftäter sind. Wir haben ein paar Fakten zusammengetragen.

1. Wie viele Kinder begehen in Deutschland Straftaten?

Kinder sind der Polizeilichen Kriminalstatistik nach heute seltener an Straftaten beteiligt als noch vor ein paar Jahren. Während es 2009 noch knapp 100.000 Tatverdächtige unter 14 Jahren gab, zählten die Behörden 2018 rund 71.000. Damit stellen Kinder nur drei Prozent aller mutmaßlichen Straftäter.

Meistens handelt es sich bei den Verbrechen aber nicht um Kapitalverbrechen, wie es im „Tatort“ dargestellt wurde. Am häufigsten gehen, wenig überraschend, Ladendiebstähle auf das Konto von Kindern. Ein Fall, der in Deutschland zuletzt Diskussionen über Kinder als Straftäter entfachte, war die Vergewaltigung einer Frau in Mülheim an der Ruhr im Juli 2019. Die mutmaßlichen Täter waren gerade mal 14 und 12 Jahre alt, das Opfer 18. Lesen Sie außerdem: 42-Jährige sexuell missbraucht – 13-Jähriger verdächtig

2. Wann ist man strafmündig?

In Deutschland ist man mit dem 14. Geburtstag strafmündig, erst dann können Täter vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Begeht ein Kind ein Verbrechen, kann das Familiengericht jedoch außerhalb des Strafverfahrens bestimmte Maßnahmen anordnen. Damit trösten sich auch Batic und Leitmayr am Ende des Krimis.

Das Strafgesetzbuch selbst benutzt nicht den Begriff „Strafmündigkeit“, sondern spricht von der Schuldunfähigkeit des Kindes. Die Festlegung des Alters stammt noch aus der Weimarer Republik, wo im Jugendgerichtsgesetz festgeschrieben wurde, dass Kinder in ihrer „sittlichen und geistigen Entwicklung“ und der damit verbundenen Einsicht nicht mit Erwachsenen bei der Bestrafung gleichgestellt werden können.

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3. Wieso werden nicht die Eltern für die Vertuschung des Mordes bestraft?

„Meinem Mann und mir können Sie auch nichts“, sagt die Mutter von Basti, selbst Rechtsanwältin, abgeklärt im Verhör mit Ivo Batic. Sie beruft sich auf den Paragrafen 258 des Strafgesetzbuches, wo es um die Vereitelung von Straftaten geht.

Dort heißt es zwar im ersten Absatz: „Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft […] wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Doch Absatz 6 legt eine Sonderregelung fest, die der Familie Schellenberg im „Tatort“ zugute kommt: „Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.“ Die Eltern können für die Vertuschung des Mordes also auch nicht belangt werden, die Straftat wird unter den Teppich gekehrt.

Kriminalkommissar Kalli Hammermann, der zum Team des Ermittler-Duos in München gehört, ist am Ende fassungslos: „Das ist doch völlig absurd. Die bringen eine Leiche weg, vertuschen die Spuren und gehen völlig straffrei aus.“ Der Frust dürfte auch bei den Fernsehzuschauern groß gewesen sein.

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