Berlin/Wien. Der neue “Tatort“ aus Wien geht an die Nieren – nicht nur den Kommissaren. Eisner und Fellner blicken tief in menschliche Abgründe.

Es gibt kaum eine schönere Kindheitserinnerung, als schlaftrunken im Bett eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen zu bekommen und sich dabei an Mama oder Papa zu kuscheln. Nach dem "Tatort: Die Amme" dürfte das innige Bild jedoch erheblichen Schaden genommen haben.

Da sitzt nämlich der zehnjährige Samuel angekettet mit schockstarrer Miene im Bett und muss sich eine Geschichte anhören. Er fragt zaghaft: "Wo ist meine Mama?" Und der Mann in Frauenkleidern neben ihm antwortet: "Ich bin deine Mama!"

"Tatort: Die Amme" – Psychothriller garantiert schlaflose Nächte

Angesichts dieser Horrorszene gefriert dem Zuschauer das Blut in den Adern. Beileibe nicht die einzige, denn der neue Fall der Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ist ein Schocker. Ein Psychothriller, der mit atmosphärisch dichten, düsteren Bildern punktet und für schlaflose Nächte sorgt.

Was bei Bibi Fellner übrigens ganz wörtlich zu verstehen ist. Ihr schlägt der Fall so sehr aufs Gemüt, dass sie kein Auge mehr zutut. Als sie und Eisner zum Tatort gerufen werden, erregt nicht nur das äußerst brutal ermordete Opfer ihre Aufmerksamkeit. Sondern auch der Umstand, dass ein Kind im Haus lebt, das vom Täter offenbar entführt wurde.

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"Tatort: Die Amme" – Zuschauer weiß, wen Kommissare suchen

Schnell stellen die Ermittler fest, dass die Ermordete eine Prostituierte war, und entdecken Parallelen zu einem anderen Fall. Zunächst nehmen Eisner und Fellner Gustav Langer (Christian Strasser) ins Visier. Ein ehemaliger Gewalttäter mit dicker Strafakte, der den Mord anonym gemeldet hat.

Doch der Zuschauer kennt da längst den wahren Mörder Janko (Max Mayer) und weiß, dass er zwei Kinder entführt hat. Für sie verwandelt er sich mit Perücke, Faltenrock und Lippenstift in eine Mutter. Allerdings mit sadistischen Zügen.

Das sind die beliebtesten Tatort-Kommissare

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    Abgeschminkt, dröhnt sich der Psychopath Janko mit Crack zu. Und er schleicht sich in die Ermittlungen ein. Gibt sich als verdeckter Drogenfahnder aus Graz aus, der Crackdealern auf der Spur ist.

    Moritz Eisner überprüft seine Dienstnummer, die umgehend bestätigt wird. Damit wird er regelrecht aufs Glatteis geführt. Denn das Kriminellen-Radar von Oberstleutnant Eisner versagt komplett. Eisner bespricht sogar mit Janko Details des Ermittlungsstandes.

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    "Tatort: Die Amme" – Wien-Krimi hält nicht nur Eisner in Atem

    Aber nicht nur der Fall hält Moritz Eisner in Atem. Auch die Sorge um seine Kollegin Bibi Fellner treibt ihn um. Die driftet bei einem Verhör weg, stolpert an anderer Stelle übermüdet und geschwächt. Die sensible Fellner ist mit ihren Nerven am Ende. Sie hält die brutalen Fälle nicht mehr aus. Besorgt sich mitten in der Nacht Schlaftabletten von einer Drogendealerin. Macht aber getrieben von der Angst um den Jungen völlig erschöpft weiter.

    Der Mörder scheint für Moritz Eisner und Bibi Fellner dabei immer zum Greifen nahe. Und doch fehlt ihnen ein entscheidendes Detail. Dann jedoch findet ihre neue Assistentin Meret Schande (Christina Scherrer) ein drittes Opfer, das den Angriff überlebt hat, und sich erinnert.

    Beim 50. Einsatz von Harald Krassnitzer als Moritz Eisner geht es tief hinab in menschliche Abgründe. Selbst der Wiener Schmäh lässt dabei keine Gemütlich aufkommen. Regisseur Christopher Schier verwandelt die Geschichte in einen gruseligen Schocker.

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    "Tatort: Die Amme" – Pittoreskes Wien nur dunkle Silhouette

    Die Kamera ist immer ganz nah dran an den Figuren, schafft Bilder neben atmosphärisch eindringlichen Momenten auch Sequenzen von aufgepeitschter Fiebrigkeit. Das sonst so pittoreske Wien zeigt sich hier von seiner düsteren, schmuddeligen Seite oder allenfalls als nächtliche Silhouette.

    Die visuelle Kraft hält den "Tatort" zusammen. Das Drehbuch von Mike Majzen hat jedoch ein riesiges Manko: Es erklärt nicht, wer Janko wirklich ist. Und warum er zum mordenden Psychopathen wurde. Nur zu erwähnen, dass er Prostituierte verabscheut und glaubt, ihren Kindern eine bessere Mutter zu sein, überzeugend nicht.

    So wirkt Janko wie eine filmische Reminiszenz an Alfred Hitchcocks Norman Bates aus "Psycho". Quasi das personifizierte Böse. Insgesamt aber, auch dank der grandios aufspielenden Schauspieler ein fulminanter "Tatort" mit ungeheurem Thrill.

    "Tatort: Die Amme", läuft am Sonntag, 28.3. um 20.15 Uhr in der ARD

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