Berlin. Der Wiener „Tatort: Pumpen“ eröffnet die neue Saison solide, aber unspektakulär. Nur vordergründig geht es um eine Mucki-Bude.

Fast hätte man glauben können, der erste Wiener Fall nach der verlängerten „Tatort“-Corona-Sommerpause startet ruhig und in überschaubarem Umfeld. Diesmal keine große Staatsverschwörung von Politikern und Wirtschaftsbossen, deren Hintermänner die engagierten Kommissare Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) wegen dem Polizeifilz dann doch nicht schnappen können.

Stattdessen: ein brutaler Todesfall, angesiedelt im Milieu muskelbepackter Fitness-Freaks.

„Tatort: Pumpen“: Komplott hinter den Umkleidekabinen

Aber offenbar geht es in Wien nie ganz ohne. Was nämlich zu Beginn wie eine Charakterstudie des modernen Körperkults vor den Pandemie-Abstandsregeln wirkt, entwickelt sich schnell zu einer verbrecherischen Affäre. Einem eng verzweigten Komplott, diesmal eben nur weit unterhalb der Wiener Staatskanzlei angesiedelt. Der Filmtitel „Pumpen“ lässt sich dementsprechend auch auf verschiedene Weise deuten. Aber zurück auf Anfang.

In seinem 47., noch vor der Corona-Krise gedrehten Einsatz, wird Major Eisner zu einem vermeintlichen Selbstmord auf die Eisenbahnschiene gerufen. Seine Kollegin Bibi Fellner vergnügt sich derweil noch mit ihrer Flamme Franz im Bett. Auf Leidenschaft folgt tote Hose, als Franz es an diesem Morgen ebenfalls mit der Polizei zu tun bekommt.

Der Wiener Tatort nimmt sich selbst aufs Korn

Damit reiht er sich ein in den langen „Tatort“-Trend, dass die neue Liebschaft eines Ermittlers auch immer irgendwie in dem Fall mit drinhängt. Auch wenn diese Idee in „Pumpen“ sogar wirklich einmal origineller umgesetzt wird als sonst. Der Tote auf den Gleisen, Iovan Savic heißt er, hat sich nicht umgebracht. Er wurde betäubt und auf die Gleise gelegt. Moritz und Bibi ermitteln darauf in Savics Stamm-Muckibude „Arnis Studio“ und kommen dabei zwielichtigen Deals hinter den Umkleidekabinen auf die Schliche, die offenbar mit Anabolika zu tun haben.

Gerade für Wien-Kenner lohnen sich die darauffolgenden Ermittlungen besonders. Lange erweckt „Pumpen“ nämlich den Eindruck, die eigene Wiener „Tatort“-Historie, in der Geheimdienste bekanntlich nicht selten eine Rolle spielen, durch den Kakao zu ziehen. So ist das Mordopfer beispielsweise ein Möchtegern-James Bond mit fetten Karren, „007“-Klingelton und Pistolenlauf-Spiegel.

Der übliche Wien-Charme und Bibi so nackt wie nie

„Pumpen“ wechselt insgesamt sehr gekonnt zwischen den Stimmungen. Bilder der zerstückelten Leiche und brutale Schlägereien stehen wie selbstverständlich neben dem üblichen, schwarzhumorigen Wiener Schlagabtauschen (wie immer wird viel Wienerisch-Wissen vorausgesetzt, googeln Sie schon einmal was ein Kiberer ist).

Routiniert streiten und lieben sich Moritz Eisner und Bibi Fellner bei der Arbeit. Allein schon Moritz’ Frotzeleien gegenüber Bibis neuem Freund und seine unterschwellige Eifersucht reichen aus, um einen Sonntagabend unterhaltsam zu machen. Aber es gibt auch viel Neues zu entdecken: Bibi zeigt sich in „Pumpen“ so verwundbar und so nackt wie nie zuvor. Moritz Eisner sorgt mit seinem Fitnesstrip kurz vor der 60 für den nötigen Schuss Melancholie. Und Kollege Fredo (Thomas Stipsits) lädt zum Schmunzeln ein, wenn er mit seinem Weichei-Charme reihenweise die Damen bezirzt.

Solider „Tatort“, aber überladen und wenig spektakulär

Teilweise wirkt „Pumpen“ aber auch überladen. Als wollten die Autoren zu viel auf einmal erreichen. Statt sich auf eine klare Linie zu konzentrieren, wird die Verschwörung nach und nach immer größer gepumpt. Nach teuren Autos und aufputschenden Substanzen, geht es auch um Sozialbetrug, Wirtschaftskriminalität und medizinische Pfuscherei. Alles zu viel, um in 90 Minuten auch einmal Luft zu holen.

In Wien beginnt die neue „Tatort“-Saison mit „Pumpen“ insgesamt solide, aber unspektakulär. Die Auflösung wird erzählerisch gut vorbereitet, von den Socken haut sie den geübten Krimi-Fan nicht. Und doch ist das Wiener Team so eingespielt und so charmant in seiner dynamischen Beziehung zwischen Hass und Liebe, dass das Zuschauen wie immer einfach nur Spaß macht. Ein ordentlicher Start.

  • „Tatort: Pumpen“, Sonntag (6. September), 20.15 Uhr, Das Erste

„Tatort“ – Mehr zum Thema