Essen. Der Wiener „Tatort: Unten“ verbreitet ein wenig Horror. Das Ermittlerduo ist dabei auf ganz neue Art ernster und dunkler zu erleben.

Zuerst ist da eine alte, offensichtlich obdachlose Frau, die sich grummelnd durch den Wiener U-Bahnhof bewegt. Fast parallel trifft man auf eine junge Mutter mit ihrem Sohn, die unterwegs sind zu einer Einrichtung, die Menschen ohne Bleibe zumindest vorläufig aufnimmt. Schließlich treffen wir noch auf ein Pärchen, das überwiegend auf der Straße lebt, sich aber immer wieder in eine Behausung zurückziehen kann. Aber jetzt liegt genau da auf einmal eine Leiche, die den beiden sehr bekannt ist.

Der knappe Titel „Unten“ des neuen österreichischen „Tatort“-Krimis hat also durchaus seine Bedeutung. Zumal nun auch die Ermittler Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) in dieses Milieu eintauchen müssen.

„Tatort: Unten“ aus Wien: Abstieg eines Journalisten

Der Tote heißt Gregor, war mal ein gefragter investigativer Journalist, der sich einst zu weit vorgewagt hatte, entlassen wurde und danach den Weg nach unten antrat. Am Ende wohnte auch er in dem Heim „Lebensraum“, wo auch Johanna (Sabrina Reiter) mit ihrem Kind inzwischen Fuß gefasst hat.

Für Bibi bedeutet der Tote offenbar mehr, er habe früher für sie als Informant gearbeitet, erklärt sie Moritz. Man durchsucht seine schmale Herberge, spricht mit dem fürsorglichen Heimleiter Franz Zanger (Michael Pink) und der ärztlichen Leiterin (Jutta Fastian).

Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, l.) sprechen mit dem Obdachlosen Micha Schmidt (Klaus Huhle), der einen Streit mit dem Opfer hatte.
Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer, l.) sprechen mit dem Obdachlosen Micha Schmidt (Klaus Huhle), der einen Streit mit dem Opfer hatte. © ARD Degeto/ORF/Superfilm/Philipp

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Wiener Sonntagskrimi: War das Opfer einer großen Sache auf der Spur?

Aber je länger sich die beiden Ermittler in dieser Unten-Welt bewegen, umso mehr wird ihnen zugetragen. Offensichtlich war das keine Auseinandersetzung in Sachen Drogen. Vielmehr muss dieser Gregor wieder Witterung aufgenommen haben. Er sei, so heißt es, wieder mal einer großen Sache auf der Spur.

Aber was soll das sein? Die Bilder, die man gefunden hat, zeigen immer nur wieder ein riesiges, scheinbar leerstehendes Gebäude. Dass es damit tatsächlich etwas auf sich haben muss, das zeigt dann auch eine zweite Leiche.

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Neuer „Tatort“: Prächtiges Drehbuchdebüt und starke Regie

Die Drehbuchautoren Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschik liefern ein prächtiges Debüt ab. Sie schaffen es mühelos, die diversen Stränge miteinander zu verzahnen und servieren einen immer stärker werdenden Spannungsbogen.

Eine starke Leistung liefert auch der Regisseur Daniel Prochaska, der Sohn von Andreas Prochaska, den man bei uns vor allem von seinen Filmen der Reihe „Spuren des Bösen“ mit Heino Ferch kennt. Sohn Daniel schafft es mit dem Kameramann André Mayerhofer, dem ganzen Film eine Aura der Kälte zu verleihen. Selbst Moritz muss bibbernd in sein Bett kriechen, weil die Heizung im Haus ausgefallen ist.

Es ist ein ganz neues Gefühl für den Austro-„Tatort“. Kaum noch gibt es das Frotzeln zwischen Bibi und Moritz. Hinzu kommt, dass das stets eifrige Arbeitstier „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits) nach zehn Jahren aussteigen möchte. Dafür aber bekommt man einen Film, der immer weiter ins Finstere gleitet. Das Ende jedenfalls ist nahe an schierem Horror.

„Tatort: Unten“, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste.

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