Berlin. Tim Mälzer gab sich bei „Markus Lanz“ gewohnt offen. Er erklärte seinen Zusammenbruch im März: „Ich dachte, meine Existenz ist weg.“

Von Beginn an war sich Bernhild Braun bewusst, wie schwerwiegend der Eingriff in die Freiheitsrechte durch eine Kontaktsperre sei: „Bewohner sagten zu mir, ich habe mein Leben schon gelebt und will es selbst gestalten. Aber ich werde nicht gefragt.“

Und je länger die Sperre andauerte, desto schwerer wurde es zu erklären, wieso es immer noch sein musste, antwortete die Leiterin eines ASB-Seniorenzentrums in Mainz am Donnerstag bei „Markus Lanz“ auf die Frage, woran sie gemerkt habe, was die Pandemie für die Bewohner ihres Hauses bedeutete.

Genützt habe die Kontaktsperre trotzdem nicht: In dem Mainzer Altenheim gab es viele Covid-19-Fälle – obwohl das Haus noch vor Beginn des Lockdowns geschlossen worden sei. „Innerhalb einer Woche hatten wir in jedem Bereich infizierte Bewohner“, erinnerte sich Braun. Erst seit dem 5. Juni gilt es wieder als Corona-frei.

Menschen sterben nicht an Corona, sondern an gebrochenem Herzen

Aber Menschen würden in einem Altenheim nicht nur an dem Virus sterben, auch an gebrochenen Herzen: „Vor allem demente Patienten brauchen körperlichen Kontakt, Berührungen, Nähe, Geruch …“, zählte sie auf. Bei Besuchen in Schutzkleidung und auf 1,5 Metern Abstand, wie in den vergangenen Wochen vorgeschrieben, sei das alles nicht gegeben.

Dann berichtete sie von einem für sie besonders schweren Erlebnis: Von einem Mann, der seine Ehefrau im Heim seit Jahren täglich besucht und mit „Engelsgeduld“ füttert. Als er das Altenheim wegen der verhängten Kontaktsperre nicht mehr betreten durfte, „brach für ihn sein Lebensinhalt plötzlich weg. Was sollte sie ihm sagen, als er weiterhin jeden Tag vor dem Haus stand, mit Tränen in den Augen?

Ein berührender Moment in einer guten Sendung mit einigen erhellenden Momenten. Beim letzten „Lanz“-Talk vor der Sommerpause (bis 10. August) kamen in einer ausgewogenen Mischung alte Bekannte miteinander ins Gespräch, aber auch Menschen, die sonst eher selten öffentlich gehört werden – wie Bernhild Braun.

Oder Leonard Heß, dessen Vater an Covid-19 starb. Es galt, eine Art Bilanz zu ziehen über die unterschiedlichsten Erfahrungen aus der kollektiv erlebten Pandemie-Zeit. Und auch, welche Lehren diese Erfahrungen aus heutiger Sicht gebracht haben.

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    Der 22-jährige Leonard Heß berichtete, wie unsagbar schnell und unerwartet der Krankheitsverlauf bei Covid-19 zum Tod führen kann: Vier Tage lang war sein Vater – ein fitter, sportlicher Mann von 55 Jahren – mit Arbeitskollegen in Ischgl zum Skilaufen, als noch niemand den österreichischen Skiort als Corona-Risikogebiet eingestuft hatte.

    Als er am 11. März zu seiner Familie nach Bochum zurückkehrte, litt der Vater an Beschwerden, wie sie sonst bei einem Magen-Darm-Infekt auftreten. „Gehustet hat er nicht“, versicherte er bei „Markus Lanz“, „es war mehr so, dass Papa nicht ganz auf der Höhe schien, wie bei Karnevalsnachwehen.“

    Nur neun Tage später war der Vater in der Klinik – und an einem Multiorganversagen gestorben. Die Mutter kam zur Beobachtung ebenfalls ins Krankenhaus und Leonard blieb in Quarantäne, alleine Zuhause.

    Heute noch unfassbar sei für ihn, dass sein Vater in Bochum erst viel später getestet werden konnte, als dessen Kollegen im Nachbarort. „Es muss doch für Krisenfälle Notfallpläne geben, die überall gleich gelten“, forderte er und hat sich inzwischen auch der Sammelklage des österreichischen Verbraucherschutzvereins gegen Ischgl angeschlossen: „Ich will nicht, dass das noch einmal passiert. Und mein Vater umsonst gestorben ist.“

    Stephan Pusch: Landrat lobt Bewohner von Heinsberg

    Stephan Pusch, der den Corona-Ausbruch nach einer Karnevalsfeier in Gangelt Ende Februar als zuständiger Landrat im Kreis Heinsberg managen musste, stimmte ihm zu: „Wir hatten Glück, dass wir die Infektionen von Anfang an sehr ernst genommen und jeden, der Symptome zeigte, gleich getestet haben.“

    Alles in allem sei das Infektionsgeschehen in dem ersten Corona-Hotspot Deutschlands glimpflich verlaufen, berichtete er bei „Lanz“ erleichtert. Obwohl es die intensivsten sechs Monat seines Lebens gewesen seien.

    Die Heinsberger hätten prima mitgezogen. Inzwischen bekomme er von überall her Einladungen, um Vorträge zur Krisen-Kommunikation zu halten, erzählte er und fasste als eine wesentliche Lehre zusammen: „Transparenz und Vertrauen sind dabei das A und O.“

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      Eine weitere Lehre sei für ihn, dass bei einem Superspread-Event nicht nur auf Virologen, auch auf Hygieniker gehört werden sollte. Denn wieso war es bei der Kappen-Sitzung in Gangelt überhaupt zu so einem heftigen Virus-Ausbruch gekommen?

      Stephan Pusch hat das untersuchen lassen: „Aus Lärmschutzgründen wurden um 22 Uhr alle Fenster geschlossen, es gab keine regelmäßige Luftzufuhr mehr.“ Die Klimaanlage habe dann die Aerosol-Partikel im Raum verteilt.

      Das wäre mit einer Klima-Anlage wie in Flugzeugen, die das Virus bei einer Luftumwälzung herausfiltern, nicht passiert, war er sich sicher. Ironie des Schicksals: Der Hersteller von Standgeräten, die das können, sitze in Heinsberg.

      Tim Mälzer bei „Lanz“: „Ich dachte meine Existenz ist weg“

      Aufs Stichwort wollte es sich Tim Mälzer nicht nehmen lassen, diese Geräte zu empfehlen („Ich bekomme nichts dafür“). Er besitze schon drei für sein Lokal, ergänzte er. „Sie sind vielleicht ein bisschen teuer“, aber auf jeden Fall ein weiterer Baustein, der der Branche helfen kann, trotz Corona-Bedrohung auf Dauer zu überleben.

      Schönes Wetter und die Möglichkeit, Terrassen auszuweiten, könnten aktuell der Gastronomie helfen, „die Fehlmengen an Tischen zu kompensieren“, so Mälzer. Seine Hamburger „Bullerei“ liefe wieder „anständig“, zu 50 Prozent, schätzte er. Gastronomiekollegen ohne Außentische hätten es weiterhin sehr schwer.

      Der Fernsehkoch und Restaurantbesitzer gab sich wieder gewohnt offen und geradlinig. Bei seinem „Lanz“-Auftritt im März war er dagegen ein wenig aus der Rolle gefallen, erinnerte Markus Lanz mit einem Einspieler: Schlicht sprachlos und nah daran, das Studio mitten in der Diskussion zu verlassen, rang er nach Luft.

      „In dem Moment dachte ich, meine komplette Existenz ist weg“, erklärte er den selbstbetitelten „Heulsusen-Auftritt“. Zugleich habe er damals begriffen, wie ernst die gesundheitliche Bedrohung durch die Pandemie war. „Wir wussten alle nicht, wie lang das gehen würde.“

      Wie damals war auch diesen Donnerstag Hubertus Heil wieder kurz per Video aus Berlin zugeschaltet, und konnte erneut zeigen, dass er als Arbeits- und Sozialminister „kein kalter Hund“ sei. Er wolle weiter versuchen, so viel wie möglich den von Umsatzeinbußen bedrohten Branchen helfen, erklärte er und nannte mit Kurzarbeitergeld und Umsatzsteuer-Reduzierung zwei wichtige Maßnahmen. Da war auch Mälzer zu „100 Prozent dabei.“