Berlin. Eine grüne Außenministerin redet viel über Krieg. Putins Überfall hat Europa verändert – wird er sich mit der Ukraine zufrieden geben?
Aufrüstung statt Pazifismus: Der russische Krieg gegen die Ukraine hat die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik um 180 Grad gedreht. Eine zentrale Figur in diesem Spannungsfeld ist Annalena Baerbock. Denn immerhin steht die Außenministerin einerseits für diesen Wandel – und ist zugleich führendes Mitglied der einstmals pazifistischen Grünen.
Was folgt daraus? Und wie positioniert sich Baerbock vor diesem Hintergrund in der Russland-Krise? Das ließ sich am Sonntagabend exemplarisch bei "Anne Will" beobachten. Das Thema: "Wie weit wird Putin gehen?"
"Anne Will": Diese Gäste waren dabei
- Annalena Baerbock: Bundesministerin des Auswärtigen, Bündnis 90/Die Grünen
- Frans Timmermans: Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission
- Andrij Jaroslawowytsch Melnyk: Botschafter der Ukraine in Deutschland
- Alexander Graf Lambsdorff: Stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bundestag, FDP
- Egon Ramms: General a.D. des Heeres der Bundeswehr, ehemaliger Oberbefehlshaber Allied Joint Force Command
Wahl zwischen Pest und Cholera
Wie kompliziert die Lage für die Außenministerin und die Bundesregierung ist, wurde am Beispiel der von der Ukraine geforderten Flugverbotszone deutlich. "Natürlich trifft einen das ins Herz", sagte Annalena Baerbock mit Blick auf die Lage in der Ukraine. Doch müsse man einen kühlen Kopf bewahren.
Zur Begründung ihres Neins zu einer Flugverbotszone formulierte Baerbock dann eine naheliegende, aber eindeutig und gut formulierte Erklärung. "Das würde bedeuten, dass Nato-Flugzeuge russische Flugzeuge abschießen müssten. Wir wären direkt in diesen Krieg involviert." Und: "Dieser Krieg darf nicht zu einem dritten Weltkrieg führen."
Es war die richtige Analyse. Und doch bringt das Thema den Westen und auch die Außenministerin in Bedrängnis. Müsste man nicht trotz dieser Gefahr stärker helfen, wenn man das Leid in der Ukraine sieht? Auch hierfür fand Baerbock klare Worte, die wohltuender weise nicht rechtfertigten, sondern deutlich machten, wie scheußlich die Lage nun mal ist: "Das sind die Momente in der Außenpolitik, wo man nur zwischen Pest und Cholera wählen kann", sagte sie.
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Eine kleine Überraschung beim Thema Importstopp
Ähnlich, wenn auch nicht ganz so heikel gelagert ist die Frage nach einem kompletten Importstopp für Gas, Öl und Kohle aus Russland. Ein solcher Schritt würde Putin durchaus treffen, schließlich erhält Russland gut eine Milliarde Euro für seine Lieferung – und zwar täglich.
Anders als ihr Parteikollege Robert Habeck zeigte sich Baerbock bei dieser Frage etwas überraschend nicht ganz ablehnend. Wenn ein solcher Importstopp sofort den Krieg beenden würde, sei sie dafür, befand die Außenministerin. Doch Sanktionen wirkten schrittweise – und müssten auch durchgehalten werden können, mahnte Baerbock. Daher müsste ein solcher Schritt gründlich vorbereitet und mit vielen Ländern abgestimmt werden.
Aus diesen Ausführungen könnte man ein "möglicherweise" für den Importstopp lesen. Allerdings fragte die Gastgeberin leider nicht nach einem konkreten Zeithorizont. Denn das Europa sich energietechnisch neu aufstellen will, ist ohnehin ausgemacht; der Importstopp wird also kommen, die Frage ist nur, wann.
Keine roten Linien mehr
Interessant wurde Baerbocks Auftritt schließlich noch einmal, als es um Wladimir Putins weiteres Vorgehen ging. Macht er Halt, wenn er die Ukraine erobert haben sollte? "Es gibt offensichtlich keine roten Linien mehr", antwortete die Außenministerin düster. Eine Frage sei aber, welche Fähigkeiten es auf russischer Seite gebe – eine Anmerkung, die wohl auf die schwache militärische Leistung der russischen Truppen zielte.
Entscheidend sei, dass man sich vorbereite, befand Baerbock schließlich. Es gelte, die Ostflanke der Nato – also das Baltikum und Rumänien – zu stärken. Eine Forderung, die heute selbst aus dem Mund einer grünen Außenministerin selbstverständlich klingt. Dass das so ist, zeigt exemplarisch: Dieser Krieg verändert viel, und zwar nachhaltig.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.