Berlin. Beim “Wetten, dass..?“-Revival feiert Deutschland einen Abend der Nostalgie. Das macht so lange Spaß, bis die Erinnerung einsetzt.

  • Es war das TV-Spektakel des Jahres: "Wetten, dass..?" zurück im ZDF
  • Moderator Thomas Gottschalk empfing das Publikum mit alten Gewohnheiten
  • Helene Fischer, Björn und Benny von ABBA und andere Stars waren zu Gast
  • Warum das Revival trotzdem nicht ganz überzeugen konnte, lesen Sie hier

Fast pünktlich sieben Jahre nach der 215. und damit letzten Sendung ist sie wieder da: Am Samstagabend zeigt das ZDF live aus Nürnberg eine Sonderausgabe von "Wetten, dass..?", eine kurze Auferstehung der einst "größten Fernsehshow Europas" zu ihrem 40. Geburtstag. Dabei gibt sich der inzwischen 71-jährige Moderator und Showmaster Thomas Gottschalk sichtlich Mühe, das Publikum vor dem Fernseher mit alten Gewohnheiten zu empfangen. Bis einem klar wird, warum das Format einst abgesetzt wurde.

Ein bisschen Nostalgie schwingt mit, als am um 20.15 Uhr die Showhymne von "Wetten, dass..?" aus dem Fernseher dröhnt. Andächtig schreitet Gottschalk in einem opulent-kitschigen Blazer auf die Bühne, das Publikum empfängt ihn mit minutenlangen Standing Ovations und Stadiongesängen. Gottschalks Augen glitzern. "Wir haben alle geweint hinter den Kulissen", sagt auch Co-Moderatorin Michelle Hunziker, als sie kurze Zeit später neben ihm Platz nimmt.

Zunächst aber wird Hunziker Patin der ersten Wette. Sie soll sagen, ob Terrier "Uno" einen Haufen Müll korrekt in Plastik-, Bio- und Papiermüll trennen kann, wie seine Trainerin wettet. Hunziker sagt ja, "Uno" schafft es. Nach der Tierwette folgen weitere Wettklassiker: eine Baggerwette. Eine Außenwette an einem Sportplatz, moderiert von Giovanni Zarrella. Eine Kinderwette, bei der der achtjährige Emil kopfüber mit den Füßen durch die Schlaufen einer U-Bahn klettert. Als Gottschalk ihn fragt, ob er den Moderatoren in seinem Leben schon mal gesehen habe, antwortet Emil: "Nee."

Moderator Thomas Gottschalk und Wett-Kandidat Emil: Der Achtjährige kannte das
Moderator Thomas Gottschalk und Wett-Kandidat Emil: Der Achtjährige kannte das "Wetten, dass..."-Urgestein vorher nicht. © Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die absurdeste und gleichzeitig unterhaltsamste Wette des Abends liefern aber zwei Frauen, die Songs anhand von Klobürsten-Kratzgeräuschen erkennen wollen: Während die eine in der Toilettenschüssel schrubbt und klopft, errät die andere, um welches Lied es sich handelt. Sie gewinnen und nehmen als Andenken die kupferfarbenen Klobürsten mit. "Pokerface von Lady Gaga, in diesem Fall Lady Kaka", kommentiert Gottschalk. "Du bist aber heute wirklich gut drauf", sagt die geduldige Hunziker.

Corona: Comeback-Show 2020 wurde verschoben

Bereits 2011 moderierte Gottschalk nach 22 Jahren seine letzte "Wetten, dass..?"-Sendung, daraufhin folgte Markus Lanz. Ein Jahr zuvor hatte der schwere Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch eine Zäsur gebildet, dem Format die Leichtigkeit genommen. Die Comeback-Show, die Gottschalk anlässlich seines 70. Geburtstags bereits 2020 moderieren wollte, musste wegen der Corona-Pandemie zuletzt verschoben werden.

Nun hat es endlich geklappt. Am Samstag erinnert "Wetten, dass..?" an die vielen Traditionen, die Zuschauer und Zuschauerinnen über Jahrzehnte begleitet hatten. Auf dem Podest erstreckt sich dasselbe cremefarbene Halbkreis-Sofa wie immer, auf dem Beistelltisch in der Mitte stehen Wassergläser, die Gäste laufen durch den Tunnel in die Show-Manege ein und winken dem Publikum zu. Fast wie früher, nur, dass die Stars älter oder so jung geworden sind, dass der Großteil der Zuschauenden sie nicht mehr (er-)kennen dürfte.

Helene Fischer zeigt ihren Babybauch

Als frühes Highlight läutet Gottschalk schon in der ersten halben Stunde Helene Fischer ein. Sie performt "Null auf 100", aus ihrem weißen Blazer ragt ihr Babybauch heraus. Neben ihr sind Udo Lindenberg, Björn und Benny von ABBA, Schauspielerin Svenja Jung und Schauspieler Heino Ferch sowie die erst 19 Jahre alte Sängerin Zoe Wees für den Abend geladen.

Sängerin Helene Fischer: Auftritt mit Babybauch bei
Sängerin Helene Fischer: Auftritt mit Babybauch bei "Wetten, dass...". © Andreas Rentz/Getty Images | Andreas Rentz/Getty Images

Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Showmaster der jüngeren Generationen, blödeln zunächst backstage mit Lisa und Lena herum. Die Influencerinnen berichten hinter den Kulissen und auf Instagram von der Show – damit auch die jüngere Zielgruppe versteht, durch welchen historischen Abend das ZDF da geht.

Elstner tritt auf, und Gottschalk klammert sich an frühere Zeiten

Historisch ist auch der Auftritt von Frank Elstner. Der 79-Jährige hatte "Wetten, dass..?" einst erfunden und die ersten sechs Jahre lang moderiert – vor Gottschalk. "Ich kann mich genau an meine erste Sendung erinnern", sagt Elstner. Dann erzählt er, wie er hinter der Bühne begeistert die bisherigen Wetten verfolgt habe: "Alleine dafür muss man diese Sendung erfinden", so Elstner. "[Um] Dinge zu zeigen, die nicht üblich sind."

Dass "Wetten, dass..?" in Deutschland jahrzehntelang eine Institution war, merkt man zuletzt auch an den wehmütigen Diskussionen, die Gottschalk an diesem Abend mit den Moderatoren auf seiner Gästecouch anstößt. Als Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf auftreten, treffen Vergangenheit und Gegenwart auf dem sperrigen Möbelstück aufeinander.

"Man muss sich heute viel mehr überlegen, was man sagt", sagt der Vergangenheits-Gottschalk. Er spielt damit auch auf eine empfundene politische Sprachkritik an, die er zuletzt immer häufiger kritisiert hatte. Gegenwarts-Heufer-Umlauf erklärt, dass Unterhaltung und ernste Botschaften in den Medien zusammenhängen. Das müsse man verstehen: "Die große Stärke des linearen Fernsehens ist, dass man Leuten etwas vorsetzen kann, was sie nicht erwartet hatten."

Dennoch werde immer auf ihn draufgehauen, beklagt Gottschalk halb ernst. In einer Show, die "früher" für einen Abend zurückbringen will, ist er das nörgelnde "Früher war alles besser".

"Wie immer" fühlt sich schön an, bis die Erinnerung einsetzt

Das einmalig auferstandene "Wetten, dass..?" erhob nie Anspruch, Neues mit sich zu bringen. Alles sollte wie immer sein und zu Beginn fühlt sich das "Wie immer" schön an, wie Heimkommen ins Familien-Wohnzimmer in der Vorweihnachtszeit. Dann erinnert man sich, dass das "wie immer" schon damals Risse hatte, dass es nun wirklich nicht mehr zeitgemäß ist, dass es langweilt.

Große Show-Gefühle:
Große Show-Gefühle: "Wetten, dass..."-Revival am Samstag in Nürnberg. © Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Daniel Karmann/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Und so geschieht es nach der zunächst flammenden Nostalgie auch dieses Mal unweigerlich, dass das Tempo der Show und der Couch-Smalltalks nach der ersten Showhälfte müde machen. Man will ins Bett, die Titelmelodie nervt, die offensichtliche Provokation hinter Gottschalks Altherrenwitzen auch. Man fragt sich, wie lange das alles noch gehen soll. Und man erinnert sich: So unterhaltsam war das auch damals schon alles gar nicht.

Bis 23.45 Uhr überzieht Gottschalk die Show noch, dann verschwindet auch er wieder hinter der Bühne. "Wetten, dass..?" fällt zurück in seinen Samstagabend-Show-Winterschlaf. Vielleicht diesmal für immer.