München. Den Blutzucker kann doch der Betreuer messen, dafür braucht es schließlich keine pflegerische Fachkunde. Das war der Standpunkt einer Krankenkasse, als sie Leistungen verweigerte. Zurecht?

Bewohner von ambulanten Senioren- und Demenzwohngruppen haben gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Doch schließt das Maßnahmen der einfachsten Pflege ein, wie das Messen des Blutzuckers oder das Anziehen von Kompressionsstrümpfen, das theoretisch auch medizinische Laien leisten können?

Ja, lautet die Antwort - vorausgesetzt, eine ärztliche Verordnung liegt vor und die einzelnen Leistungen zählen nicht zum Umfang des abgeschlossenen Betreuungsvertrages. Auf entsprechende Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts (Az.: L 5 KR 402/19, L 5 KR 403/19, L 5 KR 404/19) weist die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.

Keine Fachkunde erforderlich

In den Fällen hatte eine Krankenkasse Seniorinnen, die in Demenz- oder Senioren-Wohngemeinschaften lebten, die Übernahme von Leistungen der häuslichen Krankenpflege wie die Gabe von Medikamenten oder Blutzuckermessungen trotz ärztlicher Verordnung verweigert.

Für diese Maßnahmen sei keine medizinische oder pflegerische Fachkunde erforderlich, argumentierte die Kasse. Deshalb könnten die Leistungen unentgeltlich von anderen Personen durchgeführt werden, die sich in der WG um die Betreuung der Bewohner kümmern.

Inhalt des Betreuungsvertrags ist maßgeblich

Dagegen klagten drei betroffene Frauen. Das Sozialgericht Landshut hatte ihnen in drei Musterverfahren Recht gegeben. Die Entscheidungen wurden dem DAV zufolge vom Landessozialgericht in München bestätigt.

In den Fällen umfasste der Betreuungsvertrag nur Leistungen der psychosozialen Betreuung und Begleitung. Das Landessozialgericht stellte klar, dass sich daraus keine Ansprüche auf einfache Pflegetätigkeiten ableiten ließen.

Bundessozialgericht weist Revision zurück

Gegen eines der Urteile des Landessozialgerichts hatte die Kasse Revision vorm Bundessozialgericht in Kassel eingelegt - vergebens. Die Revision sei erfolglos, verkündete das Gericht jüngst (Az.: B 3 KR 14/19 R). Damit ist dieses Urteil laut DAV rechtskräftig.

Ambulante Leistungen der Behandlungssicherungspflege müssten die Krankenkassen über den Haushalt der Versicherten und ihrer Familie hinaus an jedem Ort erbringen, der dazu geeignet sei, so das Bundessozialgericht. Dazu gehören auch Wohngruppen.

© dpa-infocom, dpa:210504-99-464069/3