Berlin. Der bekannte Fossilienjäger Raimund Albersdörfer über Dinosaurier-Eier, liebevolle T-Rex-Mütter und die Frage: Haben Dinos gebrütet?

Der Geologe und Paläontologe Raimund Albersdörfer (57) ist Deutschlands bekanntester Fossiliensammler. 2010 gelang ihm der Fund des besterhaltenen europäischen Dinos, des nach ihm benannten Sciurimimus Albersdoerferi. Jedes Jahr arbeitet er mehrere Monate bei Ausgrabungen in Nordamerika und Europa. Ein Gespräch über extrem seltene Dinosaurier-Eier und liebevolle T-Rex-Mütter und die Frage: Haben Dinos gebrütet?

Zu Ostern gehört die Eiersuche zur Tradition. Wie wahrscheinlich ist es, dass man dabei auf das Ei eines Dinosauriers stößt?

Raimund Albersdörfer: Ich muss Sie entmutigen. Das ist hochgradig unwahrscheinlich. Dino-Eier sind extrem selten, Sie dürften eher Knochen, Zähne oder ein vollständiges Dino-Skelett finden als Eier. Weltweit gibt es nur wenige Fundstellen, zum Beispiel in China, Argentinien oder Frankreich. In Deutschland wurde noch kein einziges Ei entdeckt, nicht einmal ein Schalenbruchstück. Bei uns ein Ei zu finden, wäre eine Sensation, der Jackpot für Fossiliensucher.

Warum sind Dino-Eier so selten?

Albersdörfer: Die meisten Eier sind entweder beim Schlüpfen der Tiere oder von Fressfeinden zerstört worden. Was man heute noch findet, sind von Flugsand oder Hangrutschen verschüttete Eier, die durch glückliche Umstände nicht komplett zerdrückt wurden. Man sollte auch bedenken, dass sie nun mal auch mehr als 60 Millionen Jahre alt sind.

In Hollywood-Filmen entdecken die Helden oft Saurier-Eier, die sie dann ausbrüten und aus denen Baby-Saurier schlüpfen.

Albersdörfer: Das ist natürlich kompletter Quatsch. Alles, was heute entdeckt wird, ist seit Millionen Jahren versteinert. Bei der DNA, also der Substanz, die das Erbgut in sich trägt, handelt es sich um eine organische Verbindung, die sich nach einem relativ kurzen Zeitraum unwiderruflich zersetzt.

Dinosaurier-Eier sind nicht sehr groß, viele haben gerade mal die Größe von Fußbällen.

Albersdörfer: Richtig, verglichen mit der Größe der ausgewachsenen Tiere legten Dinosaurier eher kleine Eier. Zum Vergleich: Säugetiere wiegen bei ihrer Geburt ein paar Prozent des Gewichts ihrer Mutter. Wäre ein riesiger Langhals-Dinosaurier mit 50 Tonnen Gewicht in der Lage gewesen, so große Kinder zur Welt bringen wie ein Säugetier – zum Beispiel ein Mensch – müsste das Baby etwa 2,5 Tonnen wiegen. Das Ei müsste mehr als 1,5 Meter im Durchmesser messen.

Warum sind die Eier nicht größer?

Albersdörfer: Die Geburtskanäle der weiblichen Dinosaurier waren relativ eng, sie hatten sehr speziell gebaute Becken. Da war nicht viel Platz für riesige Eier. Außerdem war es wichtig, dass die Eierschalen nicht zu dick waren und auch nicht zu dünn. Schließlich wurden sie oft aus größerer Höhe auf den Boden abgeworfen und durften dabei nicht zerbrechen. Die dicksten je gefundenen Schalen sind etwa 0,6 Zentimeter dick. Dickere Eier wären nicht mehr luftdurchlässig genug gewesen, die Embryos wären erstickt. Es gibt sogenannte „Drachen-Eier“, die ein wenig aussehen wie die Bälle beim American Football. Sie sind länglich und bis zu 40 Zentimeter lang. Diese Form ermöglichte es, dass die Eier möglichst viel Dotter zur Ernährung der Embryos enthalten konnten. Das waren regelrechte Dotterbomben. Es wird vermutet, dass T-Rex Eier in dieser Form legte.

Wie darf man sich das Ausbrüten der Eier vorstellen?

Albersdörfer: Natürlich hat sich kein Diplodocus mit vierzig, fünfzig Tonnen Gewicht auf ein Ei zum Ausbrüten gesetzt. Da müssten die Schalen dutzende Zentimeter dick sein, um dem Druck standzuhalten. Die großen Dinos haben vermutlich ihre Eier an warmen, geschützten Plätzen in Sandkuhlen gelegt und sie von der Sonne ausbrüten lassen. Nur besonders vogelartige Dinosaurier brüteten ihre Eier aus.

Da wurden sie leicht von anderen Sauriern gefressen?

Albersdörfer: Wir glauben, dass Herden von Pflanzenfresser-Dinos ihre Nistplätze gegen Warane oder kleinere Dinosaurier beschützten und wohl auch verteidigten. Die Eier großer Langhalsdinosaurier finden sich in oft losen Haufen, manchmal aber auch aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Die legten wahrscheinlich ihre Eier während des Gehens ab und betrieben wenig Brutpflege. Mehr vogelähnliche Dinos wie Oviraptor und vielleicht sogar T-Rex – oder zumindest viele seiner Verwandten – betrieben wahrscheinlich aktive Brutpflege. Ihre Nester enthielten schon mal 30, 40 Eier, oft in mehreren Schichten übereinander in einem geschlossenen Kreis liegend. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Tyrannosaurierweibchen durchaus hingebungs- und liebevoll um ihren Nachwuchs gekümmert haben.

Sie verwenden häufig Wörter wie „vermuten“ oder „wahrscheinlich“. Es scheint, als ob die Dino-Eierforschung nicht sehr weit ist.

Albersdörfer: Bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Eier dieser Riesenechsen gibt es immer noch viele Geheimnisse. Vieles ist ungeklärt. Waren die Eierschalen weich und lederartig oder hart? Warum fehlt für ganze Untergruppen der Dinosaurier wie Stegosaurus oder Triceratops jegliche Spur von Eiern? Generell gilt: Von welcher Dinosaurier-Gattung ein Ei stammt, ist nicht leicht festzustellen. Nur sehr selten liegen die Knochen der Alttiere in unmittelbarer Umgebung. Selbst wenn die Skelette nicht geschlüpfter Embryonen in den Eiern erhalten bleiben, tragen sie kaum Merkmale erwachsener Tiere. Die Wissenschaft ist darum zurückhaltend mit der Benennung. Es sind diese Rätsel, die die Faszination ausmachen.

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Die Sonderausstellung „Dinosaurier-Eier – Nachwuchs der Riesenechsen“ im Dinosaurier Museum Altmühltal im bayerischen Denkendorf (nahe Ingolstadt) zeigt aktuell echte Dino-Eier und -Gelege. Sie läuft noch bis Jahresende.