Berlin . Was es mit dem Thema Ghosting auf sich hat und Tipps einer Therapeutin, wie Sie damit umgehen können, bekommen Sie in diesem Artikel.

Es gab regelmäßigen Kontakt, vielleicht ein paar Dates und dann auf einmal nichts – Funkstille. Keine Erklärung, kein auf Wiedersehen. Wenn eine Person wortlos aus dem eigenen Leben verschwindet, obwohl man sich vorher nahegekommen ist, dann ist das Ghosting. Gerade im digitalen Zeitalter und mit der Verbreitung von Dating-Apps scheint der Kontaktabbruch ohne Erklärung immer leichter zu werden.

Betroffene fragen sich: Was habe ich falsch gemacht?

Wenn sich eine scheinbar nahestehende Person wie ein Geist verhält und auf einmal unsichtbar wird, dann stellen sich Betroffene viele Fragen. Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen können? Klare Antworten gibt es darauf selten. Dr. Sharon Brehm, Paartherapeutin aus München, erklärt, wie Sie mit einer solchen Situation am besten umgehen können.

"Die Fehler sollten nicht bei einem selbst gesucht werden. Das bedeutet auch, dass man versucht, einen Gedankenstopp einzulegen, wann immer man ins Grübeln kommt", erklärt Brehm.

"Ich kenne das von Betroffenen, die immer wieder das letzte Date oder die letzte Nachricht durchgehen und überlegen, was sie dort falsch gemacht haben. Das Problem liegt meistens nicht bei der Person, die geghostet wurde, sondern bei der, die ghostet", sagt Brehm.

Paartherapeutin Dr. Sharon Brehm
Paartherapeutin Dr. Sharon Brehm

Warum verschwindet jemand, ohne ein Wort zu sagen?

Auch wenn Betroffene es schaffen, aus der Gedankenspirale rauszukommen, bleibt trotzdem die Frage offen, warum Menschen jemanden, der ihnen eigentlich nahestehen sollte, ohne Kommentar verlassen. Solch ein Verhalten hat am Ende des Tages immer individuelle Gründe, trotzdem gibt es ein paar, die sehr häufig vorkommen.

"Ghosting ist erst mal nichts anderes als eine Art von Rückzug", erklärt die Paartherapeutin. So könne eine der Gründe sein, dass die Person jeglichem Konflikt aus dem Weg gehen möchte, weil sie Angst habe, die andere Person zu verletzen. "Es kann aber auch sein, dass die Person merkt, dass sie sich eingeengt fühlt von der Nähe oder sie keinen Sinn darin sieht, darüber zu sprechen", sagt Brehm.

Keine klaren Regeln, um Ghosting zu vermeiden

So könne das Generelle aus dem Weg gehen von Konflikten zwar dafür sprechen, dass eine Person in Zukunft das klärende Gespräch vielleicht lieber vermeidet, trotzdem lassen sich laut Brehm keine Charakterzüge verallgemeinern, die dieses Verhalten vorhersagen.

Demnach gilt: Nicht jeder, der Konflikte umgeht, wird irgendwann eine Person ghosten. Manche Verhaltensweisen können zwar darauf hindeuten, aber es gibt kein allgemeines Erfolgsrezept, um nie wieder geghosted zu werden.

Zusätzlich sollten sich Betroffene die Frage danach, wie sie eine solche Situation verhindern könnten, gar nicht erst stellen. Das schiebe nur einem selbst wieder die Verantwortung zu und könne zu Selbstvorwürfen führen, so die Expertin.

Ghosting: Dating-Apps sorgen für Beliebigkeit

Das Phänomen, das jemand ohne einen weiteren Kommentar verschwindet, ist an sich nicht neu. Früher hieß es dann "Ich gehe mal eben Zigaretten holen" und die Person tauchte nie wieder auf.

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    Auch die vermehrte Nutzung von Dating-Apps wie Tinder, Bumble und Co. wird mittlerweile Einfluss auf das Phänomen Ghosting haben. Das schnelle Swipen auf dem Handy könnte Ghosting noch unterstützen. "Was sich durch die Apps verändert hat ist, das man mit sehr vielen Menschen gleichzeitig schreibt, schneller Matches auflöst und dadurch auch eine Beliebigkeit entsteht", sagt Brehm dazu.

    Gleichzeitig sollte man klar Differenzieren, welche Verhaltensweisen auf den Plattformen zum Ghosting dazuzählen und welche nicht. Demnach sei es laut der Paartherapeutin kein Ghosting, wenn sich zwei Personen auf Tinder kennenlernen und der Kontakt abbricht, weil es nicht gefunkt hat: "Dann fühlt es sich nicht wie Ghosting an, weil sich beide zurückgezogen haben."

    Ghosting gibt es nicht nur nach ein paar Dates oder in einer Beziehung. Auch in Freundschaften und im Berufsleben spricht man vom Ghosting, zum Beispiel, wenn sich ein Unternehmen nach einem Bewerbungsgespräch nie wieder meldet.

    Ghosting – Schmerzhaft für beide Seiten

    Wer sich selbst dabei ertappt, jemanden ghosten zu wollen oder das bereits in der Vergangenheit getan haben, sollte sich in Zukunft eher dazu durchringen, eine kurze Nachricht zu verfassen, anstatt spurlos zu verschwinden.

    Eine "Verabschiedung" muss auch gar nicht so lang sein, sagt Brehm. "Es reicht eine Nachricht oder ein Anruf. Man muss auch nicht begründen, warum es nicht passt. Wenn man es nicht fühlt, dann fühlt man es nicht. Das ist weder die eigene Schuld noch die der anderen Person. Auch wenn das die andere Person kurzzeitig verletzt, sind sie auf die lange Sicht gesehen meistens erleichtert, das abhaken zu können."

    Außerdem kann eine kurze Verabschiedung oder ein klärendes Gespräch für beide Parteien hilfreich sein. Denn Studien zeigen, dass es für die Leute, die wortlos verschwinden, meistens genauso schmerzhaft ist wie für die Leute, die geghostet werden. Denn die müssten dann permanent mit dem schlechten Gewissen leben, so Brehm.