Berlin. Kaiserschnitt-Kinder sind häufiger krank als Kinder, die natürlich zur Welt gekommen sind. Dabei sind viele Kaiserschnitte unnötig.

In den vergangenen Jahren wiesen Studien immer wieder auf Zusammenhänge hin – nun zeigt auch eine aktuelle Datenanalyse: Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, haben mehr gesundheitliche Probleme als Kinder, die auf natürlichem Weg geboren werden. Das ist das Ergebnis des aktuellen Kindergesundheitsreports der Techniker Krankenkasse (TK), der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

So ist zum Beispiel laut dem Report das Risiko für eine chronische Bronchitis in den ersten acht Lebensjahren fast um zehn Prozent erhöht; das Risiko für leichte bis mittlere Entwicklungsstörungen um neun Prozent; für ADHS um 16 Prozent.

Kaiserschnitt: Weitreichendere Folgen für Kinder als vielen bewusst ist

Für die Analyse wertete die Krankenkasse die Daten von rund 38.900 Kindern von der Geburt 2008 bis zum achten Lebensjahr 2016 aus. Rund 12.000 dieser Kinder kamen per Kaiserschnitt zur Welt.

„Kaiserschnitte haben für die Gesundheit der Kinder weitreichendere Folgen als vielen bisher bewusst ist“, sagte Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK zu der Auswertung. „Wir müssen daher im Interesse der Kinder medizinisch nicht notwendige Kaiserschnitte vermeiden.“

In Deutschland kommt fast jedes dritte Kind per Kaiserschnitt zur Welt. Das ist eine Verdopplung von 1994 bis heute. Nun stagniert die Zahl seit einigen Jahren auf diesem hohen Niveau.

Jedes dritte Kind wird per Kaiserschnitt geboren

Grundsätzlich ist der Kaiserschnitt ein wichtiges Instrument in der Geburtshilfe. Er kann Leben retten und Mutter und Kind vor Schäden bewahren. Doch in Deutschland lassen sich die hohen Kaiserschnitt-Raten laut Experten nicht medizinisch begründen. Und sie machen seit langem darauf aufmerksam, dass die sogenannte Sectio für Mutter und Kind nicht so harmlos ist, wie viele annehmen.

Ein Baby, das durch einen Kaiserschnitt auf die Welt geholt wurde. Der Schnitt kann Leben retten, birgt aber auch Risiken.
Ein Baby, das durch einen Kaiserschnitt auf die Welt geholt wurde. Der Schnitt kann Leben retten, birgt aber auch Risiken. © iStock | istock

„Zahlreiche Studien in den letzten zehn Jahre haben Hinweise darauf gegeben, dass die Komplikationsrate für die Kinder nach einer Sectio höher ist als nach einer vaginalen Geburt“, sagt Professor Frank Louwen von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Der TK-Report bestätige das.

„Es ist offensichtlich so, dass ein Kind bei einer normalen Geburt auf das Leben außerhalb der Gebärmutter vorbereitet wird“, sagt Louwen. Warum das so sei, müsse noch im Detail erforscht werden.

Schon seit Jahrzehnten werde etwa spekuliert, ob physikalische Gründe bestehen, weil der Brustkorb des Kindes bei einer vaginalen Geburt zusammengepresst werde, so der Geburtsmediziner. Oder, dass die Ausschüttung von Stresshormonen wichtig sein könnte, für die spätere Entwicklung des Kindes. „Diese Ansätze reichen aber sicherlich nicht, um die weitreichenden Phänomene zu erklären“, sagt Louwen.

Auch für die Mütter ist eine Sectio nicht unproblematisch: Sie haben ein erhöhtes Risiko für eine Thrombose, auch die Gefahr für Komplikationen bei der nächsten Geburt steigt.

Kaiserschnitt ist auch für Mütter riskant

Der Leiter des TK-Versorgungsmanagements, Klaus Rupp, rät Kinderärzten und Eltern bei Kaiserschnitt-Kindern genauer hinzusehen, „um Auffälligkeiten frühzeitig zu bemerken und gegenzusteuern“. Es sei deshalb hilfreich, wenn Kinderärzte das gelbe Kinder-Vorsorgeheft auf Hinweise zu einer Kaiserschnittgeburt prüfen würden, um dadurch besser auf spezifische Probleme achten zu können – zum Beispiel Artikulationsstörungen.

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