Berlin. Was passiert, wenn sich das Klima um drei Grad erwärmt? Wissenschaftler warnen vor einem solchen Szenario und fordern mehr Forschung.

Geht es um den Klimawandel ist oft die Rede vom Zwei-Grad-Ziel. Also die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad, besser 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Was aber, wenn sich das Erdklima um drei Grad erwärmt?

Dieses Szenario hat sich ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genauer angesehen und warnt: das Überleben der Menschheit könnte im schlimmsten Fall gefährdet sein.

Die Forscherinnen und Forscher fordern in ihrer Arbeit, die am Montag im Fachjournal „PNAS“ erschienen ist, extreme Szenarien besser zu erforschen. Die Folgen einer Erwärmung um drei Grad seien bislang nicht ausreichend untersucht.

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Klimawandel: Schlimmste Szenarien bedenken

Die Forschung fokussiere sich auf Szenarien, bei denen die Folgen des Klimawandels moderat seien. „Sich einer Zukunft mit beschleunigtem Klimawandel zu stellen, ohne die schlimmsten Szenarien zu bedenken, ist bestenfalls naives Risikomanagement und schlimmstenfalls fatal töricht“, heißt es.

Mit Johan Rockström und Hans Joachim Schellnhuber waren auch der aktuelle und der vorherige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung an der Arbeit beteiligt.

Expertinnen und Experten, die nicht an der Veröffentlichung beteiligt waren, halten den Appell der Forscher für wichtig. Plädieren jedoch dafür, die wahrscheinlicheren Szenarien im Fokus zu behalten.

Klima: Spekulationen über extreme Gefahren überfordern die Menschen

„Natürlich sollen sich Forschende auch mit extremen Szenarien auseinandersetzen, aber für die öffentliche Debatte ist es wichtiger, sich auf die wahrscheinlichen Risiken zu konzentrieren“, sagt etwa Michael Brüggemann, Professor für Klima- und Wissenschaftskommunikation.

Diese seien schon gravierend genug und forderten Politik und Bürgerinnen und Bürger genug heraus. „Was die Menschen eher mental überfordert, sind Spekulationen über noch extremere Gefahren, die uns auch noch drohen könnten.“

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Wirkung von apokalyptische Szenarien unklar

Auch Philipp Schrögel, Leiter der Wissenschaftskommunikation am Käte Hamburger Centre for Apocalyptic and Post-Apocalyptic Studies an der Universität Heidelberg spricht von einem wichtigen Impuls, aber: „Leider ist die wissenschaftliche Erkenntnis zur Wirkung von apokalyptischen Szenarien nicht eindeutig, wie auch die Autorinnen und Autoren des Artikels feststellen.“

Einerseits könnten eindringliche Szenarien in der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeitsökonomie durchdringen, ein Bewusstsein für das Thema schaffen und die Dringlichkeit vermitteln.

„Andererseits kann es gleichermaßen vorkommen, dass Einzelne davon überwältigt werden, keine individuellen Handlungsperspektiven sehen und die Szenarien ignorieren“, so Schrögel weiter.

„Zwei Atommächte und sieben Hochsicherheitslabore betroffen“

In ihrem Artikel schreiben die Forscher über die Ausweitung von Gebieten mit extremer Hitze – also einer jährlichen Durchschnittstemperatur von über 29 Grad Celsius.

Gegenwärtig seien davon rund 30 Millionen Menschen in der Sahara und an der Golfküste betroffen. Laut Modellierungen des Teams könnten bis 2070 zwei Milliarden Menschen in solchen Gebieten leben.

Das zeige, wie komplex Klimafolgen sein könnten. „Bis 2070 werden diese Temperaturen und die sozialen und politischen Folgen zwei Atommächte und sieben Hochsicherheitslabore, in denen die gefährlichsten Krankheitserreger untergebracht sind, direkt betreffen“, sagt Ko-Autor Chi Xu von der chinesischen Universität Nanjing. „Es besteht ein ernsthaftes Potenzial für katastrophale Folgewirkungen.“

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Klimaforscher: Wahrscheinlich, dass ganze Länder nicht mehr bewohnbar sind

Für den Klimaforscher Niklas Höhne von der Universität Wageningen ist das Worst-Case-Szenario des Aussterbens noch „relativ weit weg“. „Aber davor gibt es Abstufungen“, sagte der Experte, der nicht an dem Artikel beteiligt war. „Dass ganze Landesteile und Länder nicht mehr bewohnbar sind, ist durchaus wahrscheinlich.“

Er hält es für wichtig, Menschen über Worst-Case-Szenarien aufzuklären. „Wir müssen klar kommunizieren, was die Risiken sind. Und auf der anderen Seite sagen: Wir haben es noch in der Hand“, sagt der Forscher.

„Wir wissen, wie es geht, wir haben die Technologien und kennen die politischen Maßnahmen. Es ist nicht einmal teuer, langfristig sogar billiger, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.“ (lary/dpa)

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.

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