Westerland. Urlaub auf Sylt ist teuer – doch das 9-Euro-Ticket könnte ihn erschwinglich machen. Was die einen freut, schürt auf der Insel Sorgen.

  • Als Reaktion auf die hohen Spritpreise wird ab Anfang Juni das 9-Euro-Ticket erhältlich sein
  • Doch nicht alle freut das: Auf Sylt befürchten einige, dass wegen der günstigen Anreise viel mehr Urlauber als sonst auf die Nordseeinsel kommen könnten
  • Kommt es tatsächlich zur „katastrophalen Überfüllung“?

Sogar der Tourismuschef hat ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Klar, Sylt lebt von den Urlaubern. Zu viele sollen aber nicht kommen, bitte sehr, sonst wird es voll am Strand. Nun befürchten Insulaner, dass ihr geliebtes Nordsee-Eiland geradezu überlaufen wird. Und das würde so gar nicht zum Nobel-Image der Insel passen.

Schuld sein soll das geplante 9-Euro-Ticket. Denn damit könnten im Sommer Touristenscharen Richtung Sylt tuckern und die Pendlerzüge verstopfen. Die Insel, schlägt Sylt-Marketing-Geschäftsführer Moritz Luft Alarm, sei nicht gerüstet für den „zu erwartenden Ansturm“.

Kurz vor dem Start des von der Bundesregierung beschlossenen preiswerten Tickets für den Nahverkehr sorgt das Angebot auf den per Bahn erreichbaren deutschen Inseln für Ärger. Auf Usedom mahnen sie, dass die Zugverbindung während der Hauptsaison ohnehin an ­ihre Kapazitätsgrenzen stoße. Vor einer „katastrophalen Überfüllung“ warnt der Fahrgastverband Pro Bahn.

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Sylt warnt vor Auswirkungen des 9-Euro-Tickets

Und den Syltern schwant, dass in den Zügen, die die Insel über den acht Kilometer langen Hindenburgdamm mit dem Festland verbinden, kaum ein freier Platz zu bekommen sein könnte. In den Sommermonaten seien viele Bahnen und Busse ohnehin schon am Limit, auch ohne das 9-Euro-Ticket, sagt Moritz Luft.

Noch gibt es an den Sylter Stränden freie Plätze. Das könnte sich mit Einführung des 9-Euro-Tickets ändern.
Noch gibt es an den Sylter Stränden freie Plätze. Das könnte sich mit Einführung des 9-Euro-Tickets ändern. © picture alliance / dpa | Lea Pischel

Der Mittvierziger arbeitet seit 16 Jahren auf Sylt und weiß, dass die bei zahlreichen Prominenten beliebte Ferieninsel für Schampus und Sterne-Restaurants steht. Er wolle nicht den Eindruck erwecken, „ein Biotop von Schönen und Reichen“ bewahren zu wollen, stellt der gelernte Hotelkaufmann klar. Er denke an Familien oder die vielen Jugend- und Schulgruppen, die ihren Sommerurlaub an der Nordsee verbringen. Auch für die „wollen wir einen störungsfreien und entspannten Urlaub aufrechterhalten“.

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Seine Warnung vor Überfüllung hat den Syltern dennoch Häme eingebracht. In den sozialen Netzwerken wird sie mitunter so interpretiert: Sylt hat Angst, dass der Pöbel das bekannte Dünenlokal Sansibar stürmt. Auf Twitter ist spöttisch von einer drohenden „Syltokalypse“ die Rede.

Nordsee-Urlauber strömen nach Sylt

Ob es so kommt, muss sich erst noch zeigen. Das Neun-Euro-Ticket soll vom 1. Juni bis 31. August gelten. Ist es wirklich realistisch, dass Zehntausende mit Sitzfleisch gesegnete Kölner, Frankfurter oder Dresdener rund elf Stunden lang mit Regionalexpressen Richtung Norden gondeln – einfach nur, weil sie es sich erlauben können?

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Und gibt jemand, der für kleines Geld verreisen möchte, Hunderte Euro für ein Hotelzimmer aus? Zwischen List und Hörnum erinnern sich manche mit Schrecken an das von der Bahn Mitte der 1990er-Jahre eingeführte „Schönes-Wochenende-Ticket“ für 15 Mark. Damals seien tatsächlich unzählige Kurzurlauber angereist. Einige schimpften damals auf die „Billigtouristen“, die anspruchsvolle Stammgäste vergrätzten.

Luft appelliert an die Besucher, bei ihrer Anreise auf Randzeiten auszuweichen, damit der Hindenburgdamm nicht zum Nadelöhr wird. Natürlich könnte man einfach mehr Züge einsetzen und so für Entlastung sorgen, doch das ist nicht so leicht.

Auf nach Sylt: Autozüge bringen Pendler und Urlauber über den Hindenburgdamm vom Festland auf die Insel.
Auf nach Sylt: Autozüge bringen Pendler und Urlauber über den Hindenburgdamm vom Festland auf die Insel. © picture alliance | Thomas Uhlemann

Zusätzliche Züge für Urlaub auf Sylt?

„Bundesweit stehen alle Nahverkehrsakteure vor der Herausforderung, dass es kaum zusätzliche Fahrzeuge und vor allem kaum zusätzliches Personal gibt, um zusätzliche Bahnen und Busse fahren zu lassen“, sagt ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Nahverkehrsverbundes. Niemand könne vorhersagen, wann und wo es wirklich zu Überlastungen kommt. Der Nahverkehrsverbund rät Sylt-Besuchern, keine Fahrräder mit in den Zug zu nehmen, um Platz zu sparen.

Vom Bund können die Sylter jedenfalls keine Hilfe erwarten. Man gehe davon aus, heißt es aus dem Verkehrsministerium lapidar, dass "die Verkehre entsprechend organisiert werden".

Dieser Artikel erschien auf morgenpost.de.