Berlin. Pop-Sänger Adel Tawil bastelt an seinem vierten Album. Hier spricht er über dunkle Stunden in der Pandemie und das Leben als Vater.

Mit dem Musikprojekt „Ich + Ich“ feierte er an der Seite von Annette Humpe Chart-Triumphe – und seit 2013 ist Adel Tawil mit souligem Emotions-Deutsch-Pop auch als Solo-Künstler erfolgreich unterwegs. Aktuell bastelt der 42-jährige Berliner mit tunesisch-ägyptischen Wurzeln an seinem vierten Studioalbum und hat mit dem Song „Die Welt steht auf Pause“ jetzt einen ersten Vorgeschmack veröffentlicht.

Ihr neuer Song transportiert Sommer-Flair mit der Leichtigkeit eines Lionel-Richie-Klassikers.

Adel Tawil: Genau das wollte ich erreichen! Ich hatte gar kein Interesse daran, in Corona-Zeiten einen schwermütigen Song zu veröffentlichen. Stattdessen möchte ich Lust auf die Zukunft machen, gute Laune verbreiten und ein Statement setzen: Leute, das Leben ist kurz! Verlernt die Leichtigkeit nicht, habt auch mal wieder Spaß, geht raus, verliebt euch!

Wird das neue Album, an dem Sie gerade arbeiten durchgehend so luftig-leicht?

Nein, wo Licht ist, ist auch immer Schatten. Ich habe weiterhin dunkle, nachdenkliche und melancholische Seiten, mit denen ich vor allem während der Lockdowns immer wieder heftig konfrontiert wurde. Und die kommen natürlich auch zu ihrem Recht.

Viele Menschen leben aufgrund dieser Krise ihr Leben bewusster als zuvor. Diesen Punkt haben Sie nach bereits zwei lebensbedrohlichen Situationen in der Vergangenheit schon viel früher erreicht, oder?

Auf jeden Fall! Vor allem nach meinem Badeunfall vor fünf Jahren, bei dem ich mir meinen ersten Halswirbel viermal gebrochen hatte und zwischenzeitlich in akuter Lebensgefahr schwebte, hat sich mein Blick auf die Welt und die Dinge komplett geändert. Danach habe ich dauerhaft den Fuß vom Gaspedal genommen und das Hamsterrad verlassen. Höher, schneller, weiter? Das gibt es in meinem Leben nicht mehr – und ich würde mir wünschen, dass das viel mehr Menschen so sehen würden. Dann ginge es uns allen und auch unserem Planeten sicher besser.

Apropos „uns allen besser gehen“. Wie stehen Sie zu der Debatte um die politisch korrekte Sprache, in der u.a. auch mehr oder weniger verstecktem Rassismus der Nährboden entzogen werden soll?

Grundsätzlich finde ich es gut, dass es heute gerade unter den jungen Menschen viele Stimmen gibt, die laut aufschreien, wenn es ungerecht wird oder Verbesserungsbedarf besteht. Und ich halte es auch für wichtig, dass sich Sprache entwickelt und verändert.

Das heißt für Sie konkret?

Dass wir zum Beispiel Wörter wie Zigeunerschnitzel tatsächlich nicht mehr benutzen sollten, da sich Mitmenschen dadurch sehr verletzt fühlen können. Allerdings sollte man es beim Thema aber auch nicht übertreiben.

Zum Beispiel?

Ich halte es für kontraproduktiv, dass in einigen Bundesländern wie zum Beispiel in Berlin oder Hamburg der Begriff Schwarzfahren kürzlich verboten worden ist. Zumal der Begriff aus dem Jiddischen kommt und der sich gar nicht auf die Hautfarbe bezieht. Ein derartiger Aktionismus führt dazu, dass viele Menschen genervt reagieren und die eigentlich gut gemeinten Absichten ins Leere laufen. Grundsätzlich mag ich es nicht, wenn Meinungen extrem verbissen vertreten werden und man versucht, sie anderen auf Teufel komm raus aufzudrücken. Sobald es extrem wird, bin ich raus. Ganz egal, in welche Richtung es geht.

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© picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt

Ihr Privatleben hat sich zuletzt auf jeden Fall extrem verändert. Wie ist das immer noch relativ neue Leben als Papa?

Fantastisch, großartig, wunderschön – und manchmal auch ganz schön anstrengend! (lacht) Ich kann das Gefühl bis heute nicht wirklich beschreiben. Meine Tochter hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt und ihre Geburt war für mich der finale Schritt, endlich erwachsen zu werden.

Während der Corona-Zeit hatten Sie die Chance auf eine ganz besonders intensive Zeit mit dem Nachwuchs.

Und das war definitiv auch einer der wenigen wirklich wunderbaren Dinge, die dieser Pandemie-Mist für mich hervorgebracht hat. Zugleich war ich unglaublich froh, dass mir meine Familie und ein paar sehr enge Freunde so viel Halt gegeben haben und mein Zuhause ein ganz besonderer Kraftort gewesen ist. Denn mental hat mir die Corona-Zeit ganz schön zugesetzt…

Inwiefern?

Als sich am Anfang die negativen Meldungen überschlugen und der erste Lockdown losging, habe ich die Welt für eine Weile in einem sehr negativen Licht gesehen. Dieses Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins hat mich so sehr überfordert, dass ich für eine Zeit sogar kurz davorstand, in eine Depression zu schlittern. Zum Glück hat mir vor allem die Unbefangenheit und bedingungslose Lebensfreude meines Kindes immer wieder so viel Kraft gegeben, dass ich mich aus dem Tief herausbewegen und die Zeit dann doch mehr als Geschenk betrachten konnte.