Berlin. Aldi verbannt Billig-Fleisch: In einem neuen Stufenplan sieht der Discounter vor, schrittweise auf Premium-Fleisch umzusteigen.

Die Supermarktkette Aldi stellt ihr Sortiment um: Der Lebensmittelhändler hat angekündigt, sein Frischfleischsortiment bis 2030 schrittweise auf die Tierwohl-Haltungsformen 3 und 4 umzustellen. Schon in diesem Jahr will der Discounter 15 Prozent des Frischfleisch-Umsatzes auf die höheren beiden Haltungsformen begrenzen. Aus der Aufstellung auf der Firmenwebsiite geht zudem hervor, dass die Haltungsform 1, also günstiges Fleisch, bis zum Jahr 2025 komplett aus dem Discounter verschwinden soll.

Bis 2026 soll der Anteil des angebotenen Fleisches aus den Haltungsformen 3 und 4 auf ein Drittel steigen. Bis 2030 soll die Umstellung auf ausschließlich Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 vollbracht sein. Eine Ausnahme bilden lediglich internationale Spezialitäten und Tiefkühlartikel. Damit verbannt Aldi als erster Einzelhändler überhaupt Billig-Fleisch aus seinem Sortiment.

Aldi verteidigt neues Sortiment: Was auf Kunden zukommt

Hintergrund der Sortimentsumstellung sei die Verbesserung des Tierwohls. Erik Döbele, Managing Director Corporate Buying bei Aldi Süd, und Tobias Heinbockel, Managing Director Category Management bei Aldi Nord, erklären in einer Pressekonferenz: "Wir geben heute ein großes Versprechen ab. So schwer es auch wird, wir glauben daran, das Richtige zu tun: für Tierwohl, für nachhaltiges Wirtschaften, für unsere Kunden und aus Überzeugung."

Lars Klein, Managing Director Buying bei Aldi Süd, fügt hinzu: "Wir gehen ein hohes finanzielles Risiko bei unserem Vorhaben ein. Denken aber, dass das der wichtige Schritt ist. Wir wissen gleichzeitig aus Umfragen, dass unsere Kunden bereit sind, mehr Geld für Fleisch auszugeben."

"Der steigende Umsatz mit nachhaltig erzeugter Ware zeigt, dass unsere Kunden bereit sind für einen Bewusstseinswandel", so auch Heinbockel. Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) haben sich die Deutschen in 2020 deutlich häufiger für Bio-Fleisch entschieden als im Vorjahr.

"Wir sind uns absolut sicher, dass sich jeder diese neue Haltungsform leisten kann", verspricht Aldi abschließend. Nähere Preisangaben macht der Händler nicht.

Aldi-Sortimentsumstellung: Was heißt das für die Tiere?

Schon seit 2019 können Kunden auf der Packung ablesen, unter welchen Bedingungen das Tier gehalten wurde. Die vier einzelnen Stufen des Kennzeichnungssystems spiegeln die Haltungsformen wieder. Es wird unterschieden zwischen Stallhaltung, Stallhaltung Plus, Außenklima und Premium, bei dem es sich um die Haltung für Bio-Ware handelt.

Die erste Haltungsform entspricht lediglich den gesetzlichen Anforderungen für die Tierhaltung. Die Tiere haben in der Stallhaltung wenig Platz und können sich kaum bewegen. Bei der zweiten Haltungsform sichert die Landwirtschaft den Tieren etwas mehr Platz im Stall sowie zusätzliches Beschäftigungsmaterial zu. Bei den ersten beiden Haltungsformen haben die Tiere keinen Zugang zu frischer Luft. Zum Futter gibt es keine Vorgabe.

Die Haltungsstufe 3 sieht für Tiere bis zu 40 Prozent mehr Platz als in der Haltungsstufe 1 vor, zudem Zugang zu frischer Luft und Auslauf, Futter ohne Gentechnik, mehr Zeit zum Wachsen sowie organisches Beschäftigungsmaterial - darunter Stroh.

Tiere der Haltungsstufe 4 erhalten je nach Tierart und Größe bis zu 100 Prozent mehr Platz als in der Haltungsstufe 1, außerdem zusätzliche Einstreu. Rinder erhalten 120 Tage auf der Weide im Jahr.

Billig-Fleisch verbannt: Was bedeutet das für Bauern?

Zur Umsetzung des Vorhabens erklärt Erik Döbele: "Mehr Tierwohl in der Breite bedeutet hohe Investitionen für Landwirte und die Umstellung eines Marktes, der die letzten Jahrzehnte nur eine Richtung kannte: mehr Quantität. Für einen deutlichen Ausbau von Außenklima- und Bio-Haltung braucht es verlässliche Perspektiven und Abnahmemengen für Erzeuger und Verarbeiter.""

Da so eine Umstellung für Landwirte auch Gefahren und Herausforderungen berge, habe sich Aldi für den genannten Stufenplan entschieden. "Sie müssen Futtermittel umstellen und Ställe ausbauen. Das geht bei allem guten Willen nicht von heute auf morgen", sagt Klein. Wer den neuen Haltungsbedingungen entsprechend mitziehe, dem garantiere der Discounter, dass auch weiterhin Fleisch des Betriebs beim Konsumenten lande. Über weitere Vertragsanpassungen, wie mehr Gewinn für die Bauern, ist nichts bekannt.

Gleichzeitig appelliert Aldi an Politik, Handel und Industrie, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen. Wie andere Einzelhändler auf den Aldi-Vorstoß reagieren wollen, ist noch unklar.