Berlin. Alfred Biolek ist tot. Der Großvater aller TV-Köche hat das deutsche Fernsehen geprägt – und britische Comedy beeinflusst. Ein Nachruf.
Er war unsere liebste Nickelbrille. Er konnte zuhören wie nur wenige. Er war keiner dieser Talkmaster, die ihre Gäste mit Fragen bedrängen und dann nicht ausreden lassen. Auch deshalb kam man gern zu "Boulevard Bio". Und dann hat er der Nation auch noch das Kochen beigebracht. Oder zumindest die Lust, anderen beim Köcheln und Schmurgeln in den Topf zu gucken. Alfred Biolek hat damit eine Welle an Kochshows ausgelöst, die bis heute anhält. Wie er ja überhaupt viele Wellen ausgelöst hat, auch wenn man die nicht immer mit ihm verbindet. Nun ist Alfred Biolek, 13 Tage nach seinem 87. Geburtstag, gestorben.
So wie er es wollte,in seiner Kölner Wohnung. Er sei am Freitagmorgen friedlich eingeschlafen, gab sein Adoptivsohn Scott Biolek-Ritchie bekannt. Auch wenn er in der letzten Zeit kaum mehr in der Öffentlichkeit auftrat, hat man Biolek noch in bester Erinnerung. Den Mann mit der frühen Glatze, dem markanten Diskant in der Stimme und dem etwas meckernden Lachen. So einer, dachte man früher, kann keine Fernsehkarriere machen. Biolek bewies das Gegenteil.
Alfred Biolek: Die Kurzform war seine Marke
Als Talkmaster schaffte er es wie kein zweiter, seine Gäste zu öffnen. Einfach weil er sie nicht einlud, um über das nächste Buch, den neuesten Film, das jüngste Album zu sprechen. Sondern über ein persönliches Thema. So ehrlich wie bei ihm waren Promis selten. Und doch hatten sie hier nie Angst, entblößt oder vorgeführt zu werden. Dann kennt man Biolek natürlich als den Mann, der den großen Bahnhof gemacht hat und Stars und Sternchen buchstäblich auf ein Abstellgleis führte, aber mit Shownummern – und Traumquoten.
Unvergessen ist auch, wie er seine Leibspeise, die böhmischen Knödel seiner geliebten Mutter, nicht nur für seine Gäste, sondern auch für die Fernsehzuschauer zubereitete. Und wie er sich beim Abschmecken das "Mmmhmm" auf der Zunge zergehen ließ. "Bio", lautete die Kurzform, die ja auch ein Wort für das Leben ist. Bio, das war die Marke. So hießen seine Sendungen "Bio’s Bahnhof", "Bei Bio", "Boulevard Bio". Bio, so wurde er auch kumpelhaft auf der Straße angesprochen. Eine Verehrung, wie sie nur wenigen TV-Promis zuteil wird. Wer ihn wirklich kannte, nannte ihn freilich bei seinem Vornamen, Alfred: Das war dann wirklich privat.
Biolek verstorben: Aus Ernst wurde Fernsehen
Alfred Biolek hat sich immer als "Tonio Kröger" gesehen. Wie der Titelheld in Thomas Manns Novelle fühlte er sich zerrissen zwischen Künstlertum und Bürgertum. Sein Vater war ein promovierter Rechtsanwalt, die Mutter eine Klosterschülerin und Laienschauspielerin. Zwei Pole, viel Spannung. Franz Maria Alfred Biolek, 1934 in Freistadt in der damaligen Tschechoslowakei geboren und nach der Vertreibung im Schwäbischen groß geworden, tat es erst dem Vater nach, machte bierernst ein Jurastudium. Und seinen Doktor. Im ersten Berufsjahr vertrat er als Referendar noch die Kanzlei seines Vaters.
Dann aber wechselte er zum Fernsehen, dem damals neuen ZDF. Auch hier zunächst in der Rechtsabteilung, als Justiziar – um dann doch der mütterlich-künstlerischen Seite nachzugeben. Er fand Gefallen am Moderieren, gab "Tips für Autofahrer", moderierte "Die Drehscheibe". Bis er dann einen buchstäblichen Schnitt in seinem Leben machte, alle Krawatten und Anzüge zerschnitt, nach München zog, Teil der Schwabinger Boheme wurde und sein Schwulsein auslebte.
In der Unterhaltungsbranche war er erst der Mann im Hintergrund, der für seinen guten Freund Rudi Carrell 1974 ein originelles Spieleshowformat ersann: "Am laufenden Band". Die Sendung, in der der Sieger am Ende alles mitnehmen durfte, was an einem Laufband an ihm vorbeizog und woran er sich erinnern konnte.
Moderator Biolek ist tot: "Boulevard Bio" war der Höhepunkt
Bald trat dieser Mann, der nun in Köln residierte, dann öfter selbst vor die Kamera: im "Kölner Treff", wo er 1976 zusammen mit Dieter Thoma das Talken begann. Zwei Jahre später lud er schon zu "Bio’s Bahnhof", einem völlig neuen, ungewohnten Showkonzept, bei dem Biolek nicht nur internationale Gäste wie Helen Schneider, Kate Bush oder die Band The Police begrüßte, sondern auch Nachwuchstalente wie etwa Anke Engelke vorstellte.
Biolek hat immer wieder Neues ausprobiert. Er war es auch, der die britische Comedytruppe Monty Python überredete, zwei Sendungen ihrer Kultshow "Flying Circus" auf Deutsch zu drehen. Und dann lud er zwölf Jahre lang, von 1991 bis 2003, zum "Boulevard Bio". Es war der Zenit seiner Karriere. Die Promis rissen sich darum, eingeladen zu werden. Das Zwangs-Outing durch Rosa von Praunheim auf dem "Heißen Stuhl" bei RTL, auch wenn es ihn tief verletzt hatte, führte nicht zum befürchteten Karriereknick.
Alfred Biolek: Der Großvater aller TV-Köche
Und dann band Biolek sich auch noch die Schürze um – und lud, mit abwechselnden Stargästen, an seinen Herd. Nicht als Duell oder unter Zeitdruck wie in heutigen Ablegern, sondern entspannt, mit Weißwein in der Hand. Slow Food zum Genießen. Und diesmal nicht mit dem Bio-Siegel, obwohl es gerade beim Thema Essen gut gepasst hätte, sondern mit dem echten Vornamen, ironisch als Superlativ: "alfredissimo!"
Er war dann aber auch so klug, die Kochschürze an den Nagel zu hängen und sich selbst in Rente zu schicken. Das war 2006, er war 72. Doch der Ruhestand war dennoch lange ein Unruhestand. Biolek zog für eine Weile nach Berlin, führte hier eine Art Salon. Nach einem schlimmen Treppensturz vor elf Jahren hat er dann sein Hauptstadtdomizil aufgegeben, kehrte nach Köln zurück. Und zog sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück.
Alfred Biolek ist einer der letzten Großen, der noch die Steinzeit des Fernsehens erlebt und sich und auch das Medium immer wieder neu erfunden hat. Er wird uns fehlen.