Berlin. Mehr als 20.000 junge Menschen werden pro Jahr betrunken in Kliniken gebracht. Hunderte von ihnen sind zwischen 10 und 15 Jahre alt.

Als der Junge schwankend versuchte, auf eine Bierbank zu steigen, riefen die Umstehenden den Sicherheitsdienst. Die Securityleute trafen im bayerischen Cham auf einen zwölfjährigen Schüler, der einen Maßkrug Bier in der Hand hielt und ausgelassen schunkelte.

Die Lage war trotz seiner fröhlichen Stimmung ernst: Das Kind konnte sich kaum auf den Beinen halten, es wurde mit 1,3 Promille ins Krankenhaus eingeliefert – Alkoholvergiftung.

Der von der oberpfälzischen Lokalpresse aufgegriffene Fall steht exemplarisch für eine bedenkliche Entwicklung: Die sogenannten Komasäufer werden immer jünger. Das belegt nun eine Auswertung der Krankenkasse DAK-Gesundheit unter Berufung auf Daten der statistischen Landesämter.

Krankenkassenchef Storm spricht von alarmierender Entwicklung

Demnach kamen 2018 – aktuellere Zahlen sind laut DAK nicht verfügbar – knapp 20.500 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 10 und 20 Jahren volltrunken ins Krankenhaus. Vor allem Kinder oder sehr junge Jugendliche trinken immer exzessiver. 2979 Mädchen und Jungen zwischen 10 und 15 Jahren wurden mit Alkoholvergiftung in einer Klinik behandelt.

Das bedeutet einen Anstieg um 230 Fälle im Vergleich zum Vorjahr. Das Rauschtrinken „gerade bei den ganz jungen Altersgruppen“ sei „geradezu alarmierend“, mahnt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir müssen deshalb weiterhin alle Kraft in die Aufklärung über die Gefahren des exzessiven Alkoholkonsums stecken.“

Rauschtrinken findet verstärkt in Großstädten statt

Auf den ersten Blick gibt die DAK-Auswertung Anlass zur Beruhigung. Immerhin gab es 2018 etwas weniger volltrunkene Jugendliche unter 20 Jahren als in den beiden Jahren zuvor.

Der Langzeitvergleich aber zeichnet ein anderes, besorgniserregendes Bild: Im Jahr 2000 nämlich lag die Zahl der stark alkoholisierten Minderjährigen, die im Krankenhaus landeten, noch bei knapp 7000, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat sich die Komasäuferquote also weit mehr als verdoppelt.

Das Rauschtrinken ist vor allem in Großstädten ein wachsendes Problem, geht aus der DAK-Statistik hervor. In Berlin etwa seien innerhalb eines Jahres 18,8 Prozent mehr Kinder und Jugendliche wegen einer akuten Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingewiesen worden.

Je früher Kinder mit dem Alkohol anfangen, desto größer die Probleme später

Damit sei der Anstieg in der Hauptstadt mit Abstand am höchsten. In Hamburg fallen besonders die ganz Jungen auf. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 2018 fast doppelt so viele 10- bis 15-Jährige volltrunken in eine Klinik eingewiesen. „Je früher Kinder erste Rauscherfahrungen sammeln, desto höher ist ihr Risiko für einen problematischen Umgang mit Alkohol im Erwachsenenalter“, stellt Andreas Storm fest.

Die letzten veröffentlichten Studien der Krankenkassen und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema lassen den Schluss zu, dass der Alkoholkonsum unter jungen Menschen seit Jahren rückläufig ist. So haben – einerseits – 38 Prozent der unter 18-Jährigen noch nie Alkohol getrunken.

Andererseits verändern die anderen ihr Trinkverhalten ins Exzessive – wie der Zwölfjährige aus Cham. Laut Drogen- und Suchtberich t der Bundesregierung liegt bei rund 18 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen in Deutschland ein „riskanter Alkoholkonsum“ vor. Deutschland, heißt es darin, zähle im internationalen Vergleich zu den Hochkonsumländern.