Moskau/Kasan. Bei einem Schusswaffenangriff im russischen Kasan sind neun Menschen ums Leben gekommen. Der Amokläufer nennt sich selbst einen “Gott“.

  • Bei einem Angriff auf eine Schule in Russland sind mindestens neun Menschen getötet worden, darunter viele Kinder
  • Berichten zufolge gab es auch eine Explosion in der Schule in der Großstadt Kasan
  • Die Polizei nahm einen Verdächtigen fest

Heute werde er eine gewaltige Menge Biomüll töten und sich dann selbst erschießen. „Ich bin wie Gott“, schreibt Ilnas G. am frühen Morgen auf dem Messengerdienst Telegram. „Auf der Erde darf nichts Lebendiges übrig bleiben, das ist ein Fehler des Universums.“

Kurz danach dringt G. gegen 9.20 Uhr Ortszeit in das 175. Gymnasium der tatarischen Hauptstadt Kasan ein und erschießt nach Angaben der Regierung der Wolgarepublik mindestens neun Menschen – sieben Schulkinder, eine 26 Jahre alte Englischlehrerin und eine weitere Erwachsene. Er selbst wird später festgenommen. Laut den tatarischen Gesundheitsbehörden befanden sich am Dienstagnachmittag von 18 verletzten Kindern sechs in einem „äußerst schweren Zustand“.

Angriff auf Schule – russische Polizei nimmt einen Verdächtigen fest

Videos und Fotos von Zeugen vor Ort kursieren in den sozialen Netzwerken über den Anschlag. Es sind verstörende Bilder: Auf einem Foto ist der Boden eines Klassenzimmers blutverschmiert, auf den Schultischen liegen noch die aufgeklappten Bücher und Hefte. Auf einem anderen Bild gehen junge Schülerinnen und Schüler in Uniform unter Schultischen in Deckung, während der Täter offenbar noch im Gebäude um sich schießt.

Ein Video aus der Schule zeigt Korridore mit zertrümmerten Türen, Glassplittern und abgerissenen Holzleisten. Auf einem anderen Video sieht man, wie Kinder im Erdgeschoss aus den Fenstern klettern und über einen Sportplatz davonlaufen, dann springen zwei Schüler kurz hintereinander aus dem dritten Stockwerk, Gewehrschüsse dröhnen.

Videos vom Tatort – auch vom Täter existieren Aufnahmen

Fernsehbilder zeigen weinende Menschen vor dem abgesperrten Schulgelände, Eltern bangen um das Schicksal ihrer Kinder. Zahlreiche Krankenwagen sind vor Ort, schwerbewaffnete Sicherheitskräfte haben vor den Schultoren Stellung bezogen.

Auch vom Täter existieren erste Amateuraufnahmen. Ein schlanker junger Mann mit kurzem dunklen Haar. Nach Angaben der Polizei handelte der 19-Jährige allein. Das genaue Motiv ist noch unklar. G. war nach Medienangaben früher selbst Schüler des Gymnasiums. Eine ehemalige Klassenkameradin erzählte, er sei ein unauffälliger Einzelgänger gewesen. Und vielleicht habe er sich an einer Lehrerin rächen wollen, die verhinderte, dass er in die elfte Klasse versetzt wurde. G. verließ das Gymnasium.

Schock, Angst, Trauer: Vor der Schule in Kasan versammelten sich nach Bekanntwerden der Bluttat Angehörige der Schulkinder und Lehrkräfte.
Schock, Angst, Trauer: Vor der Schule in Kasan versammelten sich nach Bekanntwerden der Bluttat Angehörige der Schulkinder und Lehrkräfte. © dpa

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Russische Beobachter gehen nicht von Terrorakt aus

Nach Angaben des Medienportals RBK studierte er später an einem College der Kasaner Verwaltungsuniversität Informatik, ein Mitarbeiter des Colleges bezeichnete ihn als ruhigen und konfliktfreien Studenten. Aber laut der Pressestelle der Uni blieb er seit einigen Monaten den Prüfungen fern. Deshalb habe man ihn am 26. April vom Lehrbetrieb ausgeschlossen. Zwei Tage später erhielt er eine Waffenlizenz.

Nach Ansicht der meisten russischen Beobachter gibt es kein Anzeichen für einen politischen Terrorakt. Dafür spricht auch ein RBK-Video von G.’s erstem Verhör. Dort schmäht er den Rest der Welt: „Ich hasse euch alle.“ Wie das Ermittlungskomitee mitteilte, wurde gegen den jungen Mann ein Strafverfahren wegen Mordes eingeleitet.

Noch etwas fällt am Tag des Attentats auf: Viele Eltern kritisierten in den sozialen Netzwerken heftig das Klima an dem Gymnasium von Kasan – und auch seine Pädagogen. „Ein Gefängnis, keine Schule“, schreibt ein Vater. „Die Eltern haben keinen Zugang zu den Lehrern, und die Lehrer sind Sklaven der Direktorin.“

Ein Krankenwagen und Polizeifahrzeuge stehen nach einem Angriff mit Schusswaffen vor einer russischen Schule in Kasan.
Ein Krankenwagen und Polizeifahrzeuge stehen nach einem Angriff mit Schusswaffen vor einer russischen Schule in Kasan. © dpa

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Der Attentäter schoss mit einem halb automatischen Jagdgewehr

Als G. seine alte Schule zum letzten Mal betrat, hatte er ein Hatsan Escort PS in der Hand, ein halb automatisches Jagdgewehr mit Schnellladesystem. Laut dem Portal life.ru war der Glattläufer legal angemeldet. Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete an, die Regeln zum Verkauf von Schusswaffen an Zivilisten zügig zu verschärfen. Die Waffengesetze in Russland gelten im Vergleich zu anderen Ländern als strikt. So dürfen etwa nur bestimmte Waffen erst nach vorheriger Prüfung in den Besitz von Bürgern.

Nach früheren Angriffen auf Schulen haben viele russische Bildungseinrichtungen Wachpersonal an Eingängen. Laut der stellvertretenden Direktorin soll es an der Schule Nummer 175 in Kasan aber lediglich einen Alarmknopf gegeben haben.

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In dem Gymnasium sollen sich 714 Kinder, 52 Lehrer sowie 18 Bedienstete befunden haben. Einer der Schüler erzählte dem Nachrichtenportal readovka.ru, mitten im Unterricht habe die Direktorin über Mikrofon gerufen, alle sollten sich in ihren Klassenräumen einschließen und niemandem aufmachen.

„Die Klassenlehrerin schloss schnell ab, fünf Sekunden danach knallte eine Explosion.“ Jemand versuchte, die Tür aufzubrechen, die Kinder hörten Schüsse und Schläge. Einige Zeit später kam Einsatzpolizei die Treppe zum dritten Stock herauf, die Schulleitung gab Entwarnung. Für manche kam das zu spät.

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