Hartroda. Geschichte(n) aus dem Altenburger Land: Die geplante Umbenennung von Dörfern in den 1930er-Jahren (Teil 1)

Der folgende Beitrag ist eine verkürze Fassung eines ausführlichen Artikels im Altenburger Geschichts- und Hauskalender 2017.

Der deutsche Wortschatz lässt noch heute deutlich den Einfluss des Sorbischen erkennen. Zunächst sind da Entlehnungen aus dem Bereich des bäuerlichen Alltags wie Graupe, Grenze, Jauche, Plauze, Plinse. Regionale Mundarten bewahren zum Beispiel Kollatsch (rundes Kranzgebäck), Kren (Meerrettich) oder Mauke (dicker Brei). Sorbische Familiennamen wie Kowalke, Nowak, Nowotny oder Saupe sind heute noch weit verbreitet. Zu diesen Namen gehören auch solche, die auf deutschen Personennamen beruhen, denen eine sorbische Nachsilbe angehängt wurde, etwa Schulke, Woitzik, Heinisch, Kunisch, Kunack.

Die größte Gruppe bilden sorbische Siedlungs- und Gewässernamen. Die aus altsorbischer Zeit ins Deutsche übernommenen Ortsnamen füllen die vier Bände des Kompendiums der slawischen Ortsnamen von Ernst Eichler, entstanden ab 1985. Darin enthalten sind unter anderem die Namen von Städten wie Bautzen, Chemnitz, Cottbus, Delitzsch, Dresden, Glauchau, Greiz, Grimma, Kamenz, Oschatz, Schleiz, Zerbst und so weiter. Darüber hinaus vermittelte das Sorbische auch Gewässernamen, die die Sorben selbst von den Germanen übernommen und später an die Deutschen weitergereicht hatten. Als Beispiele seien hier Mulde, Neiße und Pleiße genannt. Das Deutsche bewahrt damit gleichsam das älteste und umfangreichste Sprachdenkmal aus altsorbischer Zeit.

Diese Tatsachen waren im Wesentlichen längst bekannt, als nationalsozialistische Kreise ab 1933 begannen, sie zu leugnen und ihre Spuren zu tilgen, um deutsches Brauchtum wieder zur Geltung zu bringen. Auf der Grundlage einer pseudowissenschaftlichen Rassentheorie kamen Bestrebungen auf, slawische Ortsnamen, die nicht ins Idealbild einer rein deutschen Bevölkerung passten, zu ändern. Die Ergebnisse der Orts­namenforschung und Siedlungsgeschichte sollten dabei im ideologischen Interesse ignoriert werden.

Die Verwirklichung des Planes, slawische Ortsnamen durch deutsche zu ersetzen, hätte zur völligen Zerstörung des Ortsnamenbildes und damit eines der sinnfälligsten Zeugnisse einer historisch gewachsenen Landschaft geführt. In Mecklenburg wurde bei vielen Dörfern der ­Zusatz Wendisch gestrichen; in Pommern wurden 120 und im Brandenburgischen rund 175 slawische Ortsnamen verdeutscht. Großen Anpassungsbedarf erblickte man offenbar in Schlesien, wo 2700 verdeutschende Änderungen von Ortsnamen vorgenommen wurden (zum Beispiel Auschwitz) und im Regierungsbezirk Gumbinnen (heute: im Oblast Kaliningrad). Dort wurden von den insgesamt 1851 Gemeinden 1146 „aufgenordet“.

In Thüringen, das bereits 1930 eine nationalsozialistische Regierung besaß, war die Beseitigung slawischer Ortsnamen im Landkreis Altenburg geplant. Die Behörde des „Stellvertreters des Führers“ war mit dieser Planung einverstanden. In Anbetracht der militärischen Bedeutung von Ortsbezeichnungen wurde die Verdeutschung nur bis 1. November 1937 erlaubt, um „bei Führern und Truppen Unsicherheit und Missverständnisse“ zu vermeiden.

Als jedoch für den Kreis Altenburg festgestellt wurde, dass von 183 Ortsnamen allein 139 slawischen Ursprungs waren, fürchtete man im Falle einer flächendeckenden Umbenennung große Verwirrung sowie Mehrarbeit für Verwaltungen und Gerichte. Auch aufgrund der Schwierigkeiten, in der kurzen Zeit passende deutsche Ortsnamen zu finden, wurde im Kreis Altenburg lediglich die Bezeichnung der Bahnstation Altenburg-Zschernitzsch, in der noch der Name der ehemaligen selbstständigen Gemeinde fortlebte, in Altenburg-Nord umgeändert.

Durch Eingemeindungen verschwinden lassen

Unter eben diesen Vorzeichen fand auch ein Gemeindezusammenschluss im Landkreis Gera statt. Die Orte Culm, Waaswitz und Groitschen (vorgesehen war seinerzeit noch Zschippach) schlossen sich am 13. November 1937 zur Gemeinde Brahmenau zusammen. Namensgebend für das neue Gemeinwesen war seinerzeit der dortige Bach „Brahme“.

Nachdem Namensänderungen in größerem Umfang nicht mehr zulässig waren, wurde versucht, durch Eingemeindungen slawische Ortsnamen verschwinden zu lassen, wobei eine Gemeinde mit deutscher Bezeichnung namensgebend sein sollte. Erwogen wurden deshalb im Kreis Altenburg die Eingemeindungen von Zschöpperitz und Großtauschwitz in Göllnitz, Zschaiga in Heiersdorf, Zschechwitz und Stünzhain in Ehrenberg, Unterzetzscha und Oberzetzscha in Knau, Zschöpel und eventuell Gosel in Ponitz sowie Pöschwitz und Zschaschelwitz in Gerstenberg.

In die gleiche Kerbe schlug 1936 Börries von Münchhausen aus Windischleuba, der von einer Akademie für die Reinheit der Sprache und das Fremdwörterunwesen eingesetzt worden war. So wandte er sich gegen die Bezeichnung einer neuen Ausstellung im Lindenau-Museum als „Graphikum“ und schlug stattdessen die Bezeichnung „Griffelkunst“ vor. Ironischer Weise hätte im Rahmen seiner Bestrebungen Windischleuba ebenfalls einen anderen Namen erhalten müssen. Er fand es auch abscheulich, dass jüdische Menschen deutsche „Tarn-Namen“ trugen, mit denen sie nicht leicht erkannt werden konnten. Man solle sie doch veranlassen, alttestamentarische Namen zu tragen. Hans Globke (Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze, später Chef des Bundeskanzleramtes und engster Vertrauter von Konrad Adenauer) nahm sich des Anliegens im Auftrag von Reichsinnenminister Frick an und war bereits damit beschäftigt.

Der Plan zur Verdeutschung der Altenburger Ortsnamen kam nur ein Mal zur Umsetzung: bei der Eingemeindung von Dobra und Kakau (slawische Namen) in Hartroda (deutscher Name) vom 24. Juni 1939. Die Eingemeindung wurde damit begründet, dass der Wegfall der Namen wegen ihres slawischen Ursprungs erwünscht sei. Das Argument war bei der Wahl des Gemeindenamens ausschlaggebend, denn Dobra war fast doppelt so groß wie Hart­roda und wäre daher nach Einwohnerzahl und Flächengröße am ehesten geeignet gewesen, der neu gebildeten Gemeinde seinen Namen zu geben. Aus diesem Grunde legte man den Amtssitz der neuen Gemeinde nach Dobra.wird fortgesetzt