Berlin. Everest besteigen, Dschungel durchqueren, U-Boot fahren: Ein Experte erklärt, weshalb sich Touristen absichtlich in Gefahr begeben.

Durch die Sahara wandern, 2275 Euro. Zu Fuß auf den Mount Everest, ab 22.500 Euro. Ins All fliegen mit Virgin Galactic, für eine astronomische Summe. Oder eben mit dem U-Boot zum Wrack der Titanic für eine Viertelmillion Dollar. Mit Erholung haben Extremurlaube nicht mehr viel zu tun. Und trotzdem ist das Interesse ungebrochen hoch. Wieso tun sich Menschen so etwas freiwillig an und zahlen viel Geld, obwohl sie, etwa beim Aufstieg auf den Everest, wegen unsicherer Wetterprognosen nicht einmal eine Garantie auf Erfolg haben?

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Tom Schinker hat Antworten auf diese Fragen. Gemeinsam mit Martin Druschel hat er den Reiseveranstalter „Wandermut“ gegründet, der im Grundsatz wie ein normales Reisebüro funktioniert – nur eben unter der Devise „extrem“ statt „all-inclusive“. Teilnehmer können sich auf einer einsamen Insel aussetzen lassen, auf Pferden durch die Mongolei reiten und den gefährlichsten Dschungel der Welt durchqueren, den Darien Gap in Panama.

Den Urlaub kriegt man nicht einfach so. Wer mitkommen will, muss sich bewerben, fit sein. Anders als beim Everest oder im U-Boot – vom All ganz zu schweigen – sind bei Wandermut auch Durchschnittsverdiener dabei. Günstig sind 3000 Euro für zwei Wochen auf dem Pferderücken in der Mongolei allerdings auch nicht.

Extremurlaub: Menschen wollen Erfahrungen statt Statussymbolen

Warum also, tut sich jemand das an? „Es ist erstmal ein Luxusthema, auch wenn das nicht der wichtigste Punkt ist“, erklärt Tom Schinker. Der Unternehmer kennt die Teilnehmer seiner Touren – und sich selbst. Wandermut gründete er, weil er selbst den Ruf des Dschungels gehört hat. Oder der Sahara, des Abenteuers jedenfalls.

Unendliche Weiten: Die Sahara zu durchqueren ist nicht ungefährlich – selbst mit erfahrenen Nomaden als Führer.
Unendliche Weiten: Die Sahara zu durchqueren ist nicht ungefährlich – selbst mit erfahrenen Nomaden als Führer. © iStock | istock

„Luxusthema“, das heißt für Schinker, dass Menschen aus ihrem abgesicherten Leben entkommen wollen. „Unbefristeter Arbeitsvertrag, optimierter Lebenslauf. Da fühlen sich manche erst bei Gefahr wieder lebendig“, sagt er. Viel wichtiger sei aber, dass vielen Menschen die klassischen Statussymbole nicht mehr so am Herzen lägen. „Sie schätzen neue Erfahrungen viel mehr wert, und mit einem Extremurlaub holt man eben das Maximum an neuen Erfahrungen heraus.“

Der Experte erklärt das mit einem kleinen Gedankenspiel. „Reisen ist immer eine Mischung aus dem, was man kennt und dem, was ganz neu ist. Auf Mallorca kriegt man sein Schnitzel mit Pommes, es wird Deutsch gesprochen, neu ist nur das Wetter. Beim Extremurlaub ist alles neu.“

Vom Alltag abgeschnitten sein: erstrebenswert und erwünscht

Und außerdem, ergänzt Schinker, sei man bei diesen Reisen absolut abgeschnitten von der Außenwelt. Das klingt erstmal bedrohlich, ist für viele aber der springende Punkt. „Keinen Handyempfang zu haben, ermöglicht es erst, die Probleme des Alltags loszulassen, weil man ohnehin keinen Einfluss darauf hat.“ Tom Schinker verweist auf die Maslowsche Bedürfnispyramide: „Da geht es nur um die Erfüllung der grundlegendsten Dinge. Was esse ich? Wo schlafe ich? Einen Fuß vor den anderen setzen, damit ich nicht auf eine Schlange trete.“

Das sei auch eine Form von Achtsamkeit, die Wertschätzung von Erlebnissen. Selbstverständlich gehören auch „oberflächlichere“ Beweggründe zum Gesamterlebnis, sagt Schinker. Sich einen Traum zu erfüllen, ein Erlebnis zu haben, das höchstwahrscheinlich nur einmal im Leben kommt. Oder eben, sich wie Indiana Jones zu fühlen.

„Wir haben als einziger Zugang zu einem Gebiet im Amazonas. Das ist schon ein wahnsinniges Gefühl, wenn du da zum Beispiel eine Mumie findest. 2018 haben wir dort eine ganze Siedlung von Ureinwohnern entdeckt, die bis dahin verschollen war.“ Der Extremurlaub ist ganz offensichtlich aus vielerlei Gründen beliebt. Ungefährlich ist er dabei nie.