Brisbane. Einem ehemaligen Erzieher werden mehr als 1600 Straftaten vorgeworfen. Der 45-Jährige operierte in unmittelbarer Nähe zur Polizei.

Das Bild eines Bettlakens aus dem Dark Web hat die australische Polizei anscheinend auf die richtige Spur gebracht: Es ist ein auf den ersten Blick harmloses Indiz, doch es führte die Ermittler zu einer Kindertagesstätte in Brisbane. Dort nahmen sie den vermeintlichen Täter fest, der nun beschuldigt wird, Australiens schlimmster Serienpädophiler zu sein.

15 Jahre lang soll der Mann in einem Dutzend Kindertagesstätten in Australien und auch im Ausland gearbeitet haben. 91 Kinder sollen in dieser Zeit von dem Erzieher sexuell missbraucht worden sein. Insgesamt wirft die australische Polizei dem 45-Jährigen mehr als 1600 Straftaten vor. Der Fall wird als „einer der schrecklichsten“ Fälle beschrieben, die die Polizei je gesehen habe. Der mutmaßliche Täter soll sämtliche seiner Verbrechen gefilmt und das Material weiterverbreitet haben – an Beweismaterial mangelt es also nicht.

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Kindesmissbrauch in Australien: Internationale Suche nach dem Täter

Inzwischen befindet sich der mutmaßliche Täter bereits seit einem Jahr in Haft, doch die Beamten brauchten die vergangenen zwölf Monate, um die verbrecherischen Aktivitäten des Mannes über die vergangenen 15 Jahre nachzuvollziehen. Als sie diese Woche nun mit ihren Ermittlungen an die Öffentlichkeit gingen, wurde bekannt, dass sich der Mann für 1623 Verstöße verantworten muss.

Dem einstigen Kinderbetreuer wird vorgeworfen, zwischen 2007 und 2022 91 Kinder in Brisbane, in Sydney sowie im Ausland – anscheinend in Italien – missbraucht zu haben. Sollte der Mann vor Gericht für schuldig befunden werden, so droht ihm eine lebenslange Haftstrafe in Australien.

Ermittler einer auf Kindesmissbrauch spezialisierten Polizeieinheit waren 2014 erstmals auf einige wenige Videos und Bilder im Internet gestoßen, die von dem heute 45-Jährigen stammen sollen. Das Material zeigte den Missbrauch von zwei Mädchen, enthielt aber kaum Hinweise, wo auf der Welt die Bilder aufgenommen worden waren. Die australische Bundespolizei (AFP) und andere Behörden starteten daraufhin eine internationale Suche nach den Opfern. Unter anderem luden sie das Material in eine Datenbank hoch, auf die auch internationale Strafverfolgungsbehörden Zugriff haben. Doch die Spur verlief im Sand: Der Täter schien kein sehr aktiver Dark-Web-Nutzer zu sein.

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Kinderpornographie: Bettlaken gab entscheidenden Hinweis

Im August 2022, fast ein Jahrzehnt später, untersuchte die Spezialeinheit namens Argos die Bilder dann erneut. Die Ermittler fokussierten sich dabei laut der australischen Ausgabe des „Guardian“ ganz auf eines der in den Bildern abgebildeten Bettlaken. Und tatsächlich gelang es ihnen, dieses zu identifizieren und zu einer Kindertagesstätte in einem Vorort von Brisbane zurückzuverfolgen.

Damit waren die Bilder und Videos, deren Ursprung zuvor weltweit gesucht worden war, weniger als 20 Kilometer vom Büro der Taskforce entfernt aufgenommen worden. Als die Beamten den Mann festnahmen, stießen sie in seinem Haus und auf seinem Grundstück dann auf zahlreiches weiteres kompromittierendes Material. Insgesamt wurden auf seinen elektronischen Geräten rund 4000 Bilder und Videos gefunden, die den Missbrauch von Kindern über 15 Jahre hinweg dokumentierten.

Nach der Festnahme des mutmaßlichen Täters hatten die Behörden die schwierige Aufgabe, die zahlreichen Verbrechen des Mannes aufzurollen, Opfer zu identifizieren und zu kontaktieren. „Es liegt jenseits aller Vorstellungskraft, was diese Person diesen Kindern angetan hat“, sagte Michael Fitzgerald, der Polizeikommissar von New South Wales, einem weiteren australischen Bundesstaat, in dem der Angeklagte Kinder missbraucht haben soll. Es sei „einer der schrecklichsten Fälle von Kindesmissbrauch“, die er in fast 40 Jahren Polizeiarbeit gesehen habe, meinte der Polizist.

Täter sind „Meistermanipulatoren“

Die Operation sei „komplex“ gewesen und habe die Einbeziehung hochqualifizierter Opferidentifizierungsspezialisten erfordert, hieß es in einer Pressemitteilung. Bis zu 35 Polizeibeamte seien an den Ermittlungen beteiligt gewesen. Laut der Polizei konnten aber sämtliche Opfer identifiziert und kontaktiert werden. Keines der betroffenen Opfer – von denen einige inzwischen erwachsen sind – wird vor Gericht aussagen müssen. Die Anklage wird sich laut der Polizei auf Videos und Bilder stützen, die im Rahmen der Untersuchung beschlagnahmt wurden.

Das Verbrechen hat die australische Bevölkerung schwer erschüttert. Am Mittwoch mehrten sich die Stimmen, die eine verbesserte Schulung von Erziehern im Bereich Kinderschutz forderten. „Täter sexuellen Kindesmissbrauchs sind Meistermanipulatoren“, schrieb Joe Tucci von der Australian Childhood Foundation auf Twitter. Es gelinge ihnen immer wieder, ganze Organisationen zu manipulieren und die Wahrheit so zu verzerren, dass sie sich Kindern annähern und diese missbrauchen würden und das Ganze danach auch noch geheimhalten könnten.

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