Venedig. Beim Busunglück in Venedig starben 21 Menschen – darunter auch die kleine Tochter einer Familie aus Deutschland. Ihr Vater überlebte.

Die Verzweiflung ist ein Teil von ihm geworden. Und doch versucht er, die Fassung zu bewahren. „Wer hätte gedacht, dass dieser Tag so tragisch enden würde“, sagt Nico V. (28). Der junge Mann, der jetzt das Krankenhaus in Mestre verlassen hat, kann es immer noch nicht fassen, dass sein kleines Töchterchen nicht mehr bei ihm ist. Charlotte Nina ist tot, gerade einmal ein Jahr alt geworden. Sie starb bei dem tragischen Busunglück in Venedig am 3. Oktober.

Nico V., der junge Vater aus Badisch-Rheinfelden in Baden-Württemberg, kämpft mit seinen Erinnerungen. Die Bilder des Unglückstages sind immer präsent, so berichtet er gegenüber der Mailänder Tageszeitung „Corriere della sera“. Er müsse nun versuchen, Klarheit zu schaffen über die Abläufe, damit er endlich begreifen kann.

Busunglück in Venedig: „Es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin“

Er erinnert sich an eine friedliche Zeit. Sie waren auf dem Campingplatz „Hu“ in Marghera. Dann wollten sie sich einen schönen Tag in Venedig machen alle zusammen: Er und seine Lebensgefährtin Maike F. (27) mit der gemeinsamen Tochter. Alles sei wunderbar gewesen. Schöne Stunden hätten sie auf dem Markusplatz und an den Kanälen verbracht. Doch bei der Rückfahrt zum Campingplatz geschah die Katastrophe: Der Shuttlebus stürzte etwa 15 Meter tief auf die neben der Brücke verlaufenden Bahngleise. Traurige Bilanz: 21 Tote, viele Verletzte. Überall nur Blut und Schreie. Nichts war mehr, wie es war. Sein Leben liegt in Scherben.

Nico V. versucht jetzt, die Puzzleteile in seinem Kopf zusammenzubringen, damit sie Sinn ergeben. Noch sei alles diffus. Noch verstehe er nicht wirklich, was passiert war: „Ich weiß lediglich, dass ich im Bus saß, Maike hatte das Kind auf dem Schoß. Danach bin ich im Krankenhaus aufgewacht und habe die Nachricht vom Tod meines Kindes erhalten. Es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin. Jetzt will ich wissen, warum diese Tragödie passiert ist“, so Nico V. gegenüber der „Corriere della sera“.

Seine Lebensgefährtin liege noch im künstlichen Koma auf der Intensivstation des Krankenhauses in Mestre. Nico V. berichtet von einer der schwersten Stunde seines Lebens, als er allein von seiner kleinen Tochter habe Abschied nehmen müssen. Freunde des Paares würden versuchen ihm zu helfen. Sie hätten auch schon eine Spendenaktion für Charlottes Beerdigung gestartet. Bereits 34.000 Euro seien zusammengekommen. Allein die Kosten für die Überführung des Mädchens nach Deutschland beliefen sich auf 6000 Euro, so der Vater.

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Opfer aus Deutschland und der Ukraine unter den Toten

Seine kleine Charlotte ist nicht die einzige Deutsche, die im Shuttlebus ums Leben gekommen ist. Insgesamt vier deutsche Staatsbürger starben im brennenden Wrack. Zu ihnen zählt auch der 28-jährige Siddharta G., der noch Fotos in seinem Facebook-Reisetagebuch gepostet hatte, bevor er mit dem Bus in den Tod stürzte.

Vor dem Besuch in Venedig lebte Siddharta G., der im Landkreis Regensburg aufwuchs, auf Sardinien. Seine französische Freundin Lucie (21) liegt noch schwer verletzt im Krankenhaus.

Italien: Das Busunglück ereignete sich im Stadtteil Marghera in Venedig
Italien: Das Busunglück ereignete sich im Stadtteil Marghera in Venedig © S. Stein/dpa

Venedig kann noch lange nicht zurück zur Normalität. Noch immer ist die Trauer spürbar, die diese Tragödie ausgelöst hat. Noch immer befinden sich in der Leichenhalle von Mestre viele Opfer auch die der Kinder aus der Ukraine: Mit zehn Jahren starb Daria Lomakina. Anastasia Morozova wurde zwölf Jahre alt. Auch Darias Großvater Vasyl Lomakin (70) überlebte das Unglück nicht. Die Eltern befinden sich noch im Krankenhaus.

Auch Anastasias Mutter wird noch wegen ihrer Knochenbrüche in der Klinik behandelt so die Polizei. Ihre Großeltern hatte keine Chance, sie starben. „Sie sind vor dem Krieg geflohen, um in einem Bus zu sterben“, sagte Andrej Kartysh, ukrainischer Generalkonsul in Mailand gegenüber Medien: „Wir haben Anrufe von Verwandten dort erhalten. Als wir mit einem von ihnen sprachen, um ihm mitzuteilen, dass eine Frau gestorben war, brach die Leitung ab, weil gerade ein Bombenangriff begann“, erzählte der Botschafter.

Venedig als Ziel für Hochzeitsreise: Schwangere Ehefrau stirbt in den Flammen

Das Busunglück löschte auch eine ganze Familie rumänischer Herkunft aus: Aurora Maria Ogrezeanu war acht Jahre alt und ihre Schwester Elena 13. Mit ihnen starben auch beide Eltern, die Mutter Mihaela Loredana und Mircea Gabriel im Alter von 42 und 45 Jahren. Die Familie stammte aus den Bezirken Arges und Dambovita, westlich von Bukarest. Sie hatte das Land vor einiger Zeit auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen und sich in Deutschland niedergelassen, wo sie Arbeit und einen Wohnsitz gefunden hatte.

So viele Schicksale, die zu Herzen gehen. Wie die Geschichte von Antonella Perkovic (25) und ihrem Ehemann Marko Bakovic (24), die ihre Hochzeitsreise in Venedig verbringen wollten: Antonella, im sechsten Monat schwanger, starb im Flammeninferno des Shuttle-Busses. Marko Bakovic, ein Profi-Fußballer, konnte sich retten. Er hat inzwischen das Krankenhaus von Mirano verlassen.

Seit Tagen arbeiten die Ermittler mit Hochdruck daran, die Hintergründe des Unfalls aufzudecken. So wurde inzwischen die Leiche des 40-jährigen Busfahrers Alberto Rizzotto obduziert. Geklärt werden soll, ob ein Schwächeanfall des Fahrers die Ursache des Unglücks gewesen sein könnte. Rizzotto galt als erfahrener Busfahrer.