Berlin. Die Faszination Überschall hält an. Viele Projekte sind startbereit. Hat die Nasa beim Rennen um die künftige „Concorde“ die Nase vorn?

Der Countdown läuft. Am 12. Januar stellt die US-Weltraumbehörde Nasa ein Überschallflugzeug für die zivile Luftfahrt vor. Die nüchterne technische Modellbezeichnung ist eher was für Ingenieure: „X-59“. Die Vorstellung, wie früher in der „Concorde“ in dreieinhalb Stunden von Paris nach New York zu düsen, aber fasziniert bis heute nicht nur Technikfreaks.

Seit 2018 arbeiten die US-Raumfahrtbehörde und der Rüstungskonzern Lockheed Martin daran. Sie sind nicht die einzigen, die in den Startlöchern stehen. Aber sie haben offenbar ein entscheidendes Problem gelöst. Die Sache mit dem Lärm.

Durchbricht ein Jet die Schallmauer, gibt es einen lauten Knall, den Überschallknall. Wegen der Lärmbelästigung haben die US-Behörden bereits im April 1973 solche Flüge über Land verboten, zumal der Überschallknall keine einmalige Sache ist, sondern über die gesamte Flugbahn zu hören und ein regelrechter Lärmteppich ist.

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Überschallflugzeug der Nasa: Kein Knall, nur ein leises Plopp?

Wer das Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit etablieren will, steht vor folgender Alternative. Er kann sich damit abfinden, dass sein Jet – wie die legendäre „Concorde“ – nur über den Ozeanen Überschallgeschwindigkeit erreicht. Das ist auch tatsächlich das Planungsszenario einiger Nachfolgeprojekte, allen voran des Tech-Unternehmens Boom Supersonic, das der Nasa Konkurrenz mit seinem Überschallflieger macht, mit der „Overture“.

Oder?

Man baut ein leises Flugzeug. So leise, dass die Behörden das 50 Jahre alte Verbot wieder aufheben. Sie sollen ihre Regulierung überdenken und einen neuen Ansatz wählen: Nicht die Geschwindigkeit wird begrenzt, sondern der Lärm. Wer leise ist, fliegt. Wer zu laut ist, bleibt am Boden.

Wer die Lärmfrage löst, hat ein Wettbewerbsvorteil. Über das Triebwerk von Nasa und Lockheed Martin heißt es seit langem, es wäre so leise, als würde der Nachbar nebenan seine Autotür zuschlagen. Ein sanftes Plopp? Das ist das Versprechen.

Schnell, komfortabel, preisgünstig, ökologisch vorzeigbar: Das verspricht die US-Techfirma Boom mit ihrem Überschallflugzeug.
Schnell, komfortabel, preisgünstig, ökologisch vorzeigbar: Das verspricht die US-Techfirma Boom mit ihrem Überschallflugzeug. © Boom Supersonic | Unbekannt

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Am 12. Januar als stellt die Nasa das Herzstück ihrer Mission „Quesst“ (Quiet SuperSonic Technology) vor. Der Supervogel „X-59“ wird die Faszination „Überschall“ aufs Neue beflügeln und futuristisch aussehen: 30 Meter lang, zehn Meter breit, vorne spitz zulaufend. Auf X, ehemals Twitter, lässt sich die Maschine schon bewundern.

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Bella Figura macht allerdings auch das Konkurrenzmodell, die „Overture“ von Boom. Die Frage ist nur, ob „X-59“ tatsächlich ein Leisetreter ist. Und die Antwort wird noch etwas auf sich warten lassen. Denn: Flugtests sind erst für später geplant.

Faszination Überschall

Nasa-Manager Peter Coen beteuert, „wir sind auf jeden Fall bereit, ein neues Kapitel in der Geschichte des Überschallflugs zu schreiben.“ Die Lautstärke ist indes nicht der einzige kritische Faktor. Die anderen sind die Sicherheit, der Verbrauch – gerade im Zeitalter des Klimawandels – und nicht zuletzt die Rentabilität.

Die Concorde, über Jahrzehnte der Flieger der Jetsetter, hat zu viel verbraucht und war nie rentabel. Nach einem Absturz im Juli 2000 in Paris hat man sie in den Folgejahren aus dem Verkehr gezogen; aus der Zeit gefallen, war sie schon lange vorher.

Aber das Faszinosum blieb: In 3,5 Stunden von Paris nach New York. Legendär ist die Episode beim „Live Aid“, einem Wohltätigkeitskonzert im 13. Juli 1985: Der Musiker Phil Collins gab dank der „Concorde“ an einem Tag zwei Konzerte: das erste in London, das zweite in Philadelphia. Legenden ranken sich um die „Concorde“, sie war die Maschine der Könige, der Reichen, der Prominenten.

Zukunftsmusik oder kommerziell realistisch?

Zurück in die Zukunft? Mit der „X-59“ könnte man an das Zeitalter der „Concorde“ anknüpfen. Die Maschine soll nach Angaben der Nasa in etwa 16 Kilometer Höhe mit rund 1500 Kilometern in der Stunde fliegen. Für die Entwicklung hat Lockheed Martin rund 250 Millionen Dollar (etwa 230 Millionen Euro) von der Nasa erhalten. Schallgeschwindigkeit tritt bei rund 1235 km/h ein. Zum Vergleich: Verkehrsflugzeuge wie die Boeing 747 oder der Airbus A380 fliegen in der Regel mit einer Geschwindigkeit zwischen 889 und 1.039 Kilometern in der Stunde.

Am gleichen Traum arbeitet auch Boom mit dem Jet „Overture“, der schneller, effizienter und vor allem billiger als einst die Concorde fliegen soll. Firmenchef Blake Scholl hat sich zum Ziel gesetzt, dass jeder sich ein Überschall-Flug leisten können soll. Einige Airlines haben vorsorglich schon Flugzeuge bei Boom bestellt. Aber auch dort stehen die Testflüge noch aus. Was ist real und vor allem kommerziell – und was ist Zukunftsmusik?