Stockholm. Blitzschnell und sauber, eine besonders ruhige Fahrt. Das alles verspricht eine neue Fähre aus Schweden – die übers Wasser fliegt.

Ab kommendem Sommer wird eine ganz neue Art von Passagierfähre den öffentlichen Nahverkehr in Stockholm bereichern. Sie ist elektrisch und „schwebt“ auf ihren Tragflügeln durch das Wasser der Hauptstadt von Schweden. Ab 16 Knoten (30 Kilometer pro Stunde) hebt das Schwebeboot ab und setzt sich auf die unter dem Rumpf montierten Tragflügel.

Dabei erreicht es eine Höhe von etwa 1,5 Metern über der Wasseroberfläche, sodass der Kontakt mit dem Wasser und damit der Widerstand minimiert werden. Dadurch verringert sich der Energieaufwand für den Antrieb, und es bleibt nur ein kleines Kräuseln im Wasser zurück. Das Gefühl, als fliege man über das Wasser, entsteht. Außerdem ist die fliegende Fähre praktisch geräuschlos.

Das in Stockholm gezeigte Boot ist ein Prototyp, das erste, das die Firma Candela gebaut hat. Der Innenraum ist rau, mit großen Öffnungen im Boden und freiliegenden Kabeln an den Innenwänden. Aber wenn es fertig ist, wird es Platz für 30 Sitzplätze und eine Reihe von Fahrrädern bieten.

Schwebend durch Stockholm dank innovativer Idee

Im Juli wird die Fähre im Rahmen eines Pilotprojekts zwischen der Insel Ekerö und dem Zentrum Stockholms eingesetzt. Sie hat eine Ausnahmegenehmigung von der üblichen Geschwindigkeitsbegrenzung erhalten und darf mit 18 Knoten (33 Kilometern pro Stunde) fahren, eben weil ein Tragflächenboot wie dieses kaum Wellen erzeugt. Eine Fahrt, die derzeit mit einer herkömmlichen Fähre 55 Minuten dauert, wird auf eine Dauer von 25 Minuten abgekürzt. Bis zu 30 Knoten soll die Fähre schaffen.

Die Tragflächenfähre könnte Stockholms Nahverkehr revolutionieren.
Die Tragflächenfähre könnte Stockholms Nahverkehr revolutionieren. © picture alliance / abaca | ABACA

Elektrizität für Boote wird in mehreren Richtungen entwickelt, von kleinen Außenbordmotoren bis hin zur Fähre zwischen den schwedischen Städten Helsingborg und Helsingör, die mit 280 Tonnen Batterien und anderen elektrischen Geräten beladen ist. Die Firma Candela zielt jedoch mit ihren fliegenden Fähren auf eine andere Art von E-Booten ab. Die hohe Geschwindigkeit soll das Markenzeichen und Verkaufsargument sein.

„Boote benötigen eine enorme Menge an Energie, um durch das Wasser zu kommen. Das ist ein enormer Widerstand. Die Lösung war, sich mit Tragflügeln zu beschäftigen. Es ist eine alte Technologie, aber wir haben gesehen, wie wir den Widerstand um 75 - 80 Prozent reduzieren können. Das würde die Elektrifizierung möglich machen.“
Gustav Hasselskog, Gründer und CEO von Candela

An Bord merkt man sofort, wenn die Fähre auf ihre Tragflächen aufgestiegen ist. Die Schwingungen der Wellen verschwinden fast gänzlich. Das liegt zum einen daran, dass die Fähre einfach über den Wellen liegt, aber auch an der Technik, die Candela vollmundig als die Krönung seines Produktes bezeichnet. Sensoren unter dem Rumpf lesen die Struktur und die Bewegung des Wassers, zeichnen sie hundertmal pro Sekunde auf und füttern den Computer des Bootes mit Informationen, die dazu dienen, die Wellen zu parieren und die Überfahrt stabiler zu machen. Bislang sind die größeren Wellen noch zu spüren. Das Unternehmen arbeitet an der Verfeinerung des Systems, um auch große Wellen zu parieren.

30 Passagiere haben an Bord Platz.
30 Passagiere haben an Bord Platz. © picture alliance / abaca | ABACA

Stockholm setzt Segel: Für rasche Ladeprozesse und flinke Transportwege

Jeder, der sich ein Elektroauto gekauft hat, weiß, wie sehr Reichweitenangaben und Ladestationen zum Alltag gehören. Die Fähre verfügt über eine Batterie mit einer Kapazität von 252 Kilowattstunden, was drei oder vier Batterien für normale Elektroautos entspricht. Die Tragflügeltechnologie reduziert den Energieverbrauch, aber sie muss aufgeladen werden. Geplant ist eine Kombination aus langsamen Ladegeräten und Schnellladegeräten.

Nachts wird die Fähre an die Steckdose angeschlossen und langsamer aufgeladen. In den Tagespausen übernimmt ein Schnellladegerät mit einer Kapazität, die mit den größten Schnellladegeräten für Elektroautos vergleichbar ist. Nach Angaben von Candela sollte dies für den regulären Pendelverkehr ausreichend sein. Das könnte Sie interessieren:Pilotprojekt in Berlin: – E-Autos an Laternen laden

Nachhaltig unterwegs: Schweden steuert Zukunft mit Elektrofähren an

Das Pilotprojekt, das im Sommer 2024 beginnen soll, wird sechs Monate laufen. Ob die Elektrofähren danach weiter in Stockholm verkehren werden, entscheidet sich zu einem späteren Zeitpunkt. Zumindest das Pilotprojekt wird von der schwedischen Verkehrsbehörde finanziert, während die Region Stockholm für die Organisation des Linienbetriebes verantwortlich ist.

Die Candelas-Fähre ist nicht das einzige elektrische Fahrgastschiff in Stockholm. Seit letztem Sommer verkehrt eine Elektrofähre zwischen einer Anlegestelle auf den Stockholmer Inseln Kungsholmen und Södermalm. Diese Fähre, die von einem norwegischen Unternehmen entwickelt wurde, ist ebenfalls selbstfahrend. Sie basiert jedoch nicht auf der Tragflügelboot-Technologie und ist deshalb viel langsamer.